Düsseldorf. NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser findet Wisente gut. Aber große Summen möchte sie aus dem Haushalt nicht mehr für die Tiere aufbringen.

An Trockenheit leidet der Wald in NRW gerade nicht. Aber die Aufforstung der Borkenkäfer-Flächen kommt nicht voran. Darüber und und über andere aktuelle Probleme haben wir mit NRW-Umweltministerin Ursula Heinen-Esser (CDU) gesprochen.

Frage: Was ist wichtiger: eine neue A-45-Brücke im Sauerland zu bauen oder die Umwelt zu schützen?

Ursula Heinen-Esser: Mobilität muss so umweltfreundlich wie möglich sein, das gilt sowohl für Fahrzeuge als auch für Infrastruktur. Beim Bau einer Autobahn sind Mensch und Umwelt vor Ort betroffen. Der Bund als Verantwortlicher für den Autobahnbau muss beispielsweise entscheiden, ob beim Neubau eine Umweltverträglichkeitsprüfung erforderlich ist oder nicht. Die Haltung der Landesregierung ist, dass bei Ersatzbauten diese Prüfung nicht erforderlich ist. Bei der A 45 spielen aber auch andere Aspekte eine wichtige Rolle, etwa das Thema Luftreinhaltung. Gerade auch deshalb müssen alle Möglichkeiten genutzt werden, um den Bau zu beschleunigen.

Wiederaufforstung kommt nicht voran

Die Wiederaufforstung des vom Borkenkäfer geschädigten Waldes in NRW kommt nicht voran. Von 100.000 Hektar Schadfläche sind nur wenige 1000 Hektar aufgeforstet worden. Woran liegt es?

Die aktuell noch geringe Wiederaufforstungsfläche ist durch die anhaltende Borkenkäferkalamität zu erklären. Bisher waren die Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer vorrangig damit beschäftigt, das Schadholz aus dem Wald zu holen. Das ändert sich nun. Zudem sorgt der gestiegene Holzpreis für eine bessere wirtschaftliche Ausgangslage, denn eine Wiederbewaldung ist kostenintensiv. Wir überarbeiten gerade die Förderrichtlinie Extremwetterfolgen, um sie für die Wiederaufforstung attraktiver zu machen. Wir werden die Förderung komplett umstellen und vereinfachen. Vorgesehen sind pauschale Fördersätze, die alle Maßnahmen von der Flächenvorbereitung bis zur Nachbesserung und Pflege umfassen. Damit bekommen die Waldbesitzer noch mehr Planungssicherheit.

Gutes Stichwort: Viele Forsteigentümer fürchten, Mittel zurückzahlen zu müssen, wenn die Aufforstung etwa wegen möglicher Dürreperioden nicht funktioniert.

Das berücksichtigen wir bereits. Werden Kulturen durch Starkregen, Dürre oder andere Wetterextreme zerstört, dann haben Waldbesitzerinnen und Waldbesitzer keine Sanktionen oder Rückforderungen zu fürchten. Rückzahlungen drohen lediglich, wenn Wiederaufforstungen aus Gründen misslingen, die vom Antragsteller direkt oder indirekt beeinflussbar sind, wie zum Beispiel Wildverbiss oder Pflegemängel. Dies ist jedoch keine Neuerung im Rahmen der geplanten Richtlinienänderung, sondern wird so schon seit vielen Jahren in den Förderrichtlinien angewendet.

„Förderung wird vereinfacht“

Derzeit sind die Fördersummen pro Antragsteller gedeckelt. Bleibt es dabei?

Es ist vorgesehen, den Förderhöchstbetrag von derzeit 50.000 Euro je Jahr und Antragsteller für Maßnahmen der Wiederbewaldung aufzuheben.

Ihr zweites Lieblingswort mit W: Wisente. Drücken Sie sich um eine Entscheidung zur Fortführung des Projekts?

Nein. Ich stehe diesem Projekt durchaus positiv gegenüber und nehme das Gutachten zur Verantwortung des Trägervereins beim Herdenmanagement sehr ernst. Es handelt es sich um ein Projekt, das die Erhaltung einer ehemals bei uns heimischen Tierart unterstützt. Wichtig ist, dass ein starker Partner gefunden wird, der dem Trägerverein und den Verantwortlichen vor Ort als Kooperationspartner zur Seite stehen kann, und dass zudem das Projekt von den Betroffenen in der Region getragen wird. Dann kann ich mir eine Fortführung des Projekts vorstellen.

Das wird alles Geld kosten. Es ist eine Summe von 500.000 Euro pro Jahr im Gespräch. Wer zahlt?

Das werden wir sicher nicht aus dem Landeshaushalt bezahlen können. Hier ist allen klar, dass es einer gemeinsamen Kraftanstrengung der Region, des Trägervereins, des noch zu findenden starken Partners und der beteiligten Kommunen bedarf. Eine Zuschussförderung des Landes will ich dann aber nicht ausschließen, das werden jedoch keine großen Beträge sein. Wir helfen gern bei der Entscheidungsfindung, wir haben Kontakte zu Experten vermittelt und das Gutachten finanziert. Zudem haben wir in der Vergangenheit den größten Förderanteil beigesteuert.

Vom Wisent zum Wolf: Auch bei dieser Wiederansiedlung einer Tierart vertiefen sich die Gräben zwischen Gegnern und Befürwortern.

Ja, das sehe ich mit großer Sorge. Die Stimmung ist in betroffenen Regionen gereizt. So haben sogenannte Wolfsschützer die Herausgabe der Auto-Kennzeichen verlangt, nachdem in Hennef kürzlich zwei Tiere überfahren worden waren. Niedersachsen hat entschieden, dass der Name des Jägers, der einen Wolf geschossen hat, nicht veröffentlich werden muss. Ein Naturschutzverband wollte das einklagen, hat aber vor Gericht verloren.

Wie wollen Sie Abhilfe schaffen?

Wir brauchen klare, transparente Regeln. Auch deshalb fordern wir den Bund auf, die Frage der Verhältnismäßigkeit im Rahmen einer weiteren Auslegung des Praxisleitfadens Wolf konkreter zu beantworten. Darauf wollen wir aber nicht warten und erstellen gerade eine neue Wolfsverordnung. Drei andere Bundesländer haben ebenfalls Wolfs-Verordnungen erarbeitet. Wir prüfen gerade, wie eine mögliche Entnahmeentscheidungen von den Kreisen aufs Land rechtssicher übertragen werden kann.

Zwischenfrage: Entnahme heißt Abschuss, oder?

In der Regel ja. Für die Identifikation problematischen oder auffälligen Verhaltens einzelner Wölfe haben wir über das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz das nötige Know-how.

„NRW ist doch nicht das große Wolfsland“

Wie viele Wölfe wollen Sie in NRW?

Diese Frage stellt sich gar nicht. NRW ist doch nicht das große Wolfsland, wir haben auf der gesamten Landesfläche gerade mal drei Rudel und ein ortstreues Einzeltier. Wenn Sie nach Niedersachsen oder Brandenburg schauen, dort leben zusammen 84 Rudel, bundesweit waren es in der letzten Zählperiode 157 Rudel. Experten gehen davon aus, dass es in NRW nicht viel mehr werden. Die Tiere sind sehr menschenscheu. Aber selbstverständlich brauchen wir ein gutes Bestandsmanagement.

Vor allem am Niederrhein, wo Wölfe auch kleine Pferde reißen.

Wenn ein Rudel große Probleme macht, dann brauchen wir tatsächlich andere Eingriffsmöglichkeiten. Wir müssen einerseits noch mehr Schutzmaßnahmen für Schafe und Pferde ergreifen, andererseits die rechtlichen Grundlagen nachschärfen. Alle potenziell betroffenen Weidetiere in Nordrhein-Westfalen einzuzäunen, würde irgendwann unseren Haushalt sprengen. Aber auch in diesem Thema ist der Bund in der Pflicht: Letztlich muss er entscheiden, bis zu welchem Punkt Schutzmaßnahmen zu rechtfertigen sind. Fest steht, dass sich die Wölfe am Niederrhein ohne weiteren Schutz ihre Beute nicht nur in der freien Natur suchen werden.

Ihr Vorschlag zu Problemwölfen?

Wenn der wirtschaftliche Schaden, auch der Schaden des Staates, also des Steuerzahlers zu groß wird, würde ich sie entnehmen lassen. Der emotionale Schaden bei den betroffenen Weidetierhaltern kommt hinzu. Wir müssten allein am Niederrhein mehrere Millionen Euro in Schutzzäune investieren, würden wir dort alle Pferdekoppeln einzäunen. Bei einem Naturschutzhaushalt von insgesamt rund 37 Millionen Euro ist das schwer vermittelbar. Aber wichtig: Wölfe sind nicht per se problematische Tiere. Es ist gut, dass sie geschützt sind und sich wieder in Deutschland angesiedelt haben.