Essen. 125 Priester und Mitarbeiter der katholischen Kirche haben sich geoutet. Was der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer davon hält.

Der Essener Generalvikar Klaus Pfeffer begrüßt die Initiative „Out in Church“. Dabei haben sich gestern 125 Priester und Kirchenmitarbeiter als homosexuell oder transident geoutet. Im Interview mit unserer Redaktion fordert Pfeffer ein Ende der Kultur der Angst in der katholischen Kirche.

Homosexuelle Priester, Mitarbeiter und Ehrenamtliche leben in der katholischen Kirche in ständigem Verstecken. Stets lauert die Angst vor Drohungen und Jobverlust. Kann „Out in Church“ daran etwas ändern?

Klaus Pfeffer: Die Aktion ist ein sehr wichtiger Schritt, um in der katholischen Kirche zu einer Neubetrachtung der Sexualmoral zu kommen. Die fortdauernde Kultur der Angst muss endlich überwunden werden. Es darf nicht sein, dass Mitarbeitende aufgrund ihrer sexuellen Orientierung und ihres privaten Beziehungslebens um ihre berufliche Existenz fürchten müssen. Ich weiß aus persönlichen Begegnungen von furchtbaren Leidensgeschichten, weil Mitarbeitende ständig in Angst leben oder Repressalien erlebt haben. Das ist ein unhaltbarer Zustand. Gott sei Dank ist in unserer Kirche hier schon viel in Bewegung. Die kirchliche Sexualmoral steht schon lange zur Disposition, weil sie humanwissenschaftliche Erkenntnisse ignoriert. Auch die Stimmen unter Bischöfen werden zahlreicher, die eine Weiterentwicklung der Lehre fordern - und damit natürlich auch das kirchliche Arbeitsrecht.

Queere Mitarbeiter, Hauptamtliche ebenso wie Ehrenamtliche, berichten immer wieder von Repressalien.

Das darf nicht sein und widerspricht fundamental unseren christlichen Grundwerten. Deshalb ist es so wichtig, dass sich innerhalb unserer Kirche immer mehr Menschen deutlich positionieren – und sich an die Seite derer stellen, die unter Druck stehen und sich diskriminiert fühlen. Mich freut sehr, dass der Aachener Bischof Helmut Dieser in der Dokumentation zu „Out in Church“ eindrucksvoll von seinem eigenen Lernweg berichtet und – genauso wie unser Essener Bischof Dr. Overbeck – für eine Veränderung in der Lehre und im Umgang mit Menschen unterschiedlicher sexueller Orientierung eintritt.

Wie ist es bei Ihnen?

Auch ich habe einen Lernweg hinter mir, der allerdings schon länger zurückliegt. Ich bin in einem katholischen Umfeld im Sauerland aufgewachsen. Sexualität war ein Tabu – und Homosexualität erst recht. Erst in meiner Studienzeit bin ich homosexuellen Menschen begegnet und durfte von ihnen lernen. Es war für mich ein wichtiger Lernprozess, zu erkennen, dass Menschen sich ihre sexuelle Orientierung nicht aussuchen – sie gehört zu ihnen, weil Gott sie so geschaffen hat. Sie haben ein Recht darauf, ohne Angst und Diskriminierung zu leben. In meinem seelsorglichen Dienst haben mich die Erfahrungen von homosexuellen oder transidenten Menschen tief bewegt, weil sie gerade im kirchlichen Umfeld viel Leid erfahren haben. Über meine Erfahrungen und Überzeugungen schreibe ich auch in einem Beitrag für das Buch zur Aktion „Out in Church. Für eine Kirche ohne Angst“, das im Mai im Herder-Verlag erscheint.

Welche Konsequenzen ziehen Sie?

Ich mache mich stark für eine Veränderung der Lehre und des Umgangs miteinander in der Kirche. Es darf nicht sein, dass Priestern dienstrechtliche Konsequenzen angedroht werden, wenn sie homosexuelle Paare segnen oder Mitarbeitenden, wenn sie in einer gleichgeschlechtlichen Beziehung leben oder vor dem Standesamt heiraten.

Haben Sie selbst nicht auch Angst vor Konsequenzen?

Nein, ich habe keine Angst. Die „Kultur der Angst“ müssen wir durch Mut überwinden – und auch durch eine größere Gelassenheit. Das Kirchliche Arbeitsrecht wird als Instrument zur Durchsetzung einer überkommenen kirchlichen Sexualmoral keinen Bestand mehr haben. Ich möchte nicht in einer Kirche leben, die Angst produziert. Deshalb hoffe ich darauf, dass eines Tages die sexuelle Orientierung auch kein großes Thema mehr in unserer Kirche ist, weil die Menschen sein dürfen, wie sie sind.