Paderborn. Schwule und Lesben sollen als Gläubige in der Seelsorge sichtbar werden. Bedeutet dies das Ende der Diskriminierung in der Kirche?
Schwul und lesbisch sind Tabuwörter in der katholischen Kirche. Das soll nicht so bleiben. Im Erzbistum Paderborn begleitet künftig ein Arbeitskreis für queersensible Pastoral homosexuelle Katholiken und Katholikinnen. „Ich wünsche mir für queere Menschen in Kirche und Gesellschaft schon lange die Etablierung einer wertschätzenden Pastoral“, begründet Erzbischof Hans-Josef Becker die Initiative. Ausgangspunkt allen pastoralen Handelns müsse die Lebenswirklichkeit der Menschen in all ihrer Vielfalt sein. Pfarrer Bernd Mönkebüscher, Leiter der Pastoralverbünde Hamm-Mitte-Osten und Hamm-Mitte-Westen, hat den Arbeitskreis initiiert.
Warum nicht Regenbogen-Pastoral?
Queersensible Pastoral. Der Begriff ist ein Zungenbrecher. Wie kommt es dazu?
Pfarrer Mönkebüscher: Man wollte das Wort Regenbogenpastoral vermeiden. In mehreren Bistümern heißt es Regenbogenpastoral. Aber die Bezeichnung ist nicht die Hauptsache. Alleine, dass es den Arbeitskreis gibt, zeigt, dass das ein wichtiges Thema ist. Auch der Erzbischof hat im Gespräch mit uns versichert, dass es ihm ein wirkliches Anliegen ist, dass die Seelsorge von homosexuellen Menschen in den Fokus genommen wird.
Was soll der Arbeitskreis bewirken?
Der Auftrag an den Arbeitskreis ist das Sichtbarmachen. Es geht darum, dass sich auch in der Kirche queere Menschen nicht mehr verstecken müssen. Ich habe immer den Fall eines Mannes vor Augen, der seinem Pastor angeboten hat, den Lektorendienst zu übernehmen. Der wurde dann von Kopf bis Fuß gemustert und kriegte zu hören: Lektoren haben wir genug. Ich kann doch nicht wegen einer sexuellen Orientierung jemanden vom Lektorenamt ausschließen! Eine solche Erfahrung ist schon eine Demütigung. Und dann muss man sich nicht wundern, dass sich Menschen auf Dauer von der Kirche trennen. Es geht im Grunde um die Frage nach dem Menschenbild, das wir haben – und letztlich nach dem Gottesbild.
Der Vatikan hat im März 2021 Segensfeiern für gleichgeschlechtliche Paare verboten. Ist Bewegung in der Sache überhaupt noch möglich?
Unser Auftrag ist unter anderem die Umsetzung der zu erwartenden Ergebnisse des Synodalen Weges. Da zeichnet sich schon ab, dass Sexualmoral und Segensfeiern stark diskutiert werden, auch in Richtung Veränderung.
Dem Zeitgeist hinterherrennen?
Kritiker der Regenbogenflaggen am Kirchturm argumentieren damit, dass Kirche ihre Positionen nicht dem Zeitgeist opfern dürfe. Gilt das auch für gleichgeschlechtliche Beziehungen?
Die Kirche hat einen sehr engen Familienbegriff: Vater, Mutter, Kind. Aber es gibt Menschen, die anders leben, und diese Menschen haben Eltern, Geschwister, Verwandte. Insofern ist das Thema also schon größer. Ein Teil der Kirche hat Schwierigkeiten mit der Sichtbarmachung. Ich sehe da aber Kirche in der Verantwortung. Man muss mit den heutigen theologischen und humanwissenschaftlichen Erkenntnissen argumentieren. Wir müssen uns fragen, was Kirche dazu beitragen kann, dass Menschen ihre Beziehungen gut und liebevoll miteinander leben, Verantwortung füreinander übernehmen. Diese Fragen gehören in den Vordergrund und nicht, ob Kirche dem Zeitgeist hinterherrennt und sich selbst aufgibt, wenn sie akzeptiert, dass es queere Menschen in der Lebenswirklichkeit gibt.
Priester haben unterschiedliche Ansichten zum Thema
Obwohl Paderborn einen wertschätzenden Umgang mit queeren Katholiken sucht, hat das Erzbistum zu Weihnachten das neue Buch von Kardinal Cordes „Wer nicht Gott gibt, gibt zu wenig“ an die Priester und Mitarbeiter verschickt. Kardinal Cordes bezeichnet in diesem Buch Homosexualität wörtlich als „zutiefst gott-widrig“. Wie geht das zusammen?
Das kriege ich auch nicht zusammen. Bei den Priestern gibt es unterschiedliche Ansichten zum Thema. Es gibt Priester, die sagen, der Katechismus verurteilt das Ausleben von Homosexualität als schwere Sünde. Aber die Begründungen stimmen heute nicht mehr. Selbst die päpstliche Bibelkommission sagt, dass man mit der Heiligen Schrift nicht gegen gleichgeschlechtliche Partnerschaften argumentieren kann. Und man muss natürlich die neuesten Erkenntnisse der Humanmedizin in Betracht ziehen. Man hat ja auch solange wie möglich an der Überzeugung festgehalten, die Erde sei eine Scheibe. Ich sehe nur zwei Möglichkeiten: Entweder versucht Kirche, diese Erkenntnisse zu integrieren oder sie wird nicht mehr ernst genommen. Entweder ich nehme die Menschen ernst oder ich werde von den Menschen nicht ernst genommen.