Winterberg. Trotz des harten Lockdowns in ihrem Land reisen viele Niederländer nach Winterberg. Bürger im Ort machen sich Sorgen.

Noch eine knappe Stunde Fahrtzeit, dann sind Frank und Jeroen in Winterberg. Die beiden Niederländer (31) aus der Nähe von Roermond können es kaum noch erwarten. „Wir haben zu Hause Lockdown, endlich kommen wir mal raus. Es ist nicht schön, immer nur zu Hause zu hocken“, sagen sie bei ihrer Pause an der A-44-Raststätte „Am Haarstrang Süd“ bei Werl.

Frank und Jeroen an der A44-Raststätte „Am Haarstrang“ bei ihrer letzten Pause vor dem Ziel Winterberg.
Frank und Jeroen an der A44-Raststätte „Am Haarstrang“ bei ihrer letzten Pause vor dem Ziel Winterberg. © Rolf Hansmann

Jeroen öffnet den Kofferraum, um sich ein Getränk zu holen. Über Reisetaschen und Chipstüten findet sich ein Monopoly-Spiel. Für die Abendstunden in der Ferienwohnung. Ein Besuch in einer der Winterberger Diskotheken erübrigt sich – sie sind laut Coronaschutzverordnung NRW geschlossen.

Tagesskipass online gekauft

Tagsüber wollen Frank und Jeroen Wandern (am Samstag) und Skifahren (am Sonntag), bevor sie sich nach dem Pistenbesuch auf die Heimfahrt begeben. Die beiden haben noch online ein Tagesskiticket für den Sonntag ergattert. Am Freitag wies die Wintersportarena Sauerland darauf hin, dass wegen der begrenzten Besucherzahl so gut wie alle Skipässe fürs Wochenende verkauft sind.

Frank und Jeroen sind nicht die einzigen Niederländer, die im Sauerland sind. An der Raststätte am Haarstrang macht auch Maurice Mozer eine Rast. „Wir machen einen Tagesausflug mit der Familie nach Winterberg“, erzählt der 37-Jährige neben seinem Bulli, „die Kinder wollten einfach mal raus – und Schnee und Berge sehen.“

Der Niederländer Maurice Mozer machte sich mit seiner Familie zu einem Tagesausflug nach Winterberg auf.
Der Niederländer Maurice Mozer machte sich mit seiner Familie zu einem Tagesausflug nach Winterberg auf. © Rolf Hansmann

Noch bis mindestens zum 14. Januar dauert der Lockdown im Hochrisikogebiet Niederlande. Politiker haben in den vergangenen Wochen mehrfach ihre Landsleute dazu aufgerufen, besser zu Hause zu bleiben. Die vollen Einkaufsstraßen in Düsseldorf, Münster oder in Grenzstädten könnten belegen, dass sie nicht unbedingt Gehör gefunden haben.

Diskussionen in sozialen Medien

Und jetzt Reisen nach Winterberg. In sozialen Netzwerken wird nach dem Motto „Wie kann man nur?“ diskutiert, ob eine Fahrt in ein anderes Land aus dem Lockdown heraus eine gute Idee ist. Angesichts der Heftigkeit der Wortmeldungen könnte man fast meinen, dass auf den gelben Nummernschildern nicht NL steht, sondern HSK (Hilfe sie kommen).

Auch Danny Meurs verfolgt die Debatten im weltweiten Netz. „Natürlich kann man sich fragen, ob das sein muss, jetzt Urlaubsreisen im Ausland zu machen, mit möglichen negativen Folgen auf das Infektionsgeschehen“, sagt der Juniorchef des Hotels „Der Brabander“ in Winterberg.

Man dürfe allerdings nicht vergessen, dass die Niederländer nichts Illegales machten, wenn sie sich ins Auto setzten, ins Sauerland führen und sich an die gültigen Corona-Regeln hielten. Und überhaupt: „Als in den ersten Monaten 2021 Lockdown in Deutschland war, sind die Bundesbürger auch an niederländische Strände gefahren.“

In ein paar Stunden in eine andere Welt

Für den Hotelier liegt es in der „Natur des Menschen“, dass dieser ab und an „raus wolle“, in ein paar Stunden „in einer anderen Welt sein möchte“. Sieht man sich das Winter(berg)wunderland­ rund um den Kahlen Asten an, kann man ihn verstehen.

Zum Beispiel Paul Fay (43) und Arjen Boer (53) aus Rotterdam. Bevor sie im kommenden Monat heiraten, wollen sie noch gemeinsame Winterwanderungen im Sauerland unternehmen. „Hier mit 2G ist es auf jeden Fall besser als bei uns in den Niederlanden“, sagt Boer­ und Fay nickt. Beide fänden es besser, wenn die hiesigen Corona-Regelungen auch für ihr Land gelten würden.

Paul Fay (43) und Arjen Boer (53) aus Rotterdam wollen Winterwanderungen rund um Winterberg machen.
Paul Fay (43) und Arjen Boer (53) aus Rotterdam wollen Winterwanderungen rund um Winterberg machen. © Benedikt Schülter

Seit drei Tagen sind die Zwillingsschwestern Lieke und Sara (16) aus Nordholland gemeinsam mit ihrer Mutter Jeanine Plomp (46) im Winterberg-Urlaub. Eigentlich wollten sie zum Skifahren nach Österreich.

Da sie aber noch nicht geboostert sind, aber geimpft, haben sie sich für Deutschland entschieden. Vor dem Coronavirus haben sie keine Angst, wie sie sagen, und fühlen sich auch in den Gastronomiebetrieben in der Stadt sicher.

Sorgen bei den Winterbergern

Das gilt nicht unbedingt für jeden Einwohner von Winterberg. „Dass trotz des Lockdowns in ihrem Land derzeit sehr viele Niederländer bei uns sind“, sagt Bürgermeister Michael Beckmann, „hat zu Sorgen bei Bürgern geführt.“

Daher habe man die Kräfte des Ordnungsamtes verstärkt: „Damit nachhaltig kontrolliert werden kann, ob Corona-Regeln eingehalten werden und deutsche wie niederländische Gäste geimpft oder genesen sind.“

Der Wintersport-Arena Sauerland zufolge werden bis zum Sonntag 20 bis 25 Zentimeter Neuschnee erwartet. Michael Beckman erinnert sich noch an die Bilder von vor einem Jahr, als im deutschen Lockdown große Menschenmassen in Winterberg einfielen.

„Eine solch massive Krise“, so der Bürgermeister, werde es an diesem Wochenende nicht geben. Derzeit sei im Gegensatz zu 2021 „das ganze Sauerland in der Fläche weiß und nicht nur bei uns“. Es verteile sich also besser – auch weil die Infrastruktur diesmal geöffnet habe. „Und wir sind besser vorbereitet.“