Hagen. Noch scheint die Corona-Lage auf den Intensivstationen in der Region beherrschbar. Zahlen zeigen aber, warum sich das schnell ändern kann.

Der Blick auf die Grafik könnte im ersten Moment beruhigen: Der Anteil der Covid-Patienten auf den Intensivstationen in der Region scheint noch nicht beunruhigend – jedenfalls kein Vergleich zu den Zuständen in Sachsen oder Bayern, wo mehr als die Hälfte der Intensivbetten schon mit Covid-Patienten belegt sind.

Doch es gibt zwei andere Faktoren, die zeigen, wie zerbrechlich die Lage ist. Zum einen ist der Blick auf die noch freien Intensivbetten wichtig. Der Anteil liegt in Hagen, dem Märkischen Kreis oder im Kreis Siegen-Wittgenstein schon länger unter 15 Prozent. Ein Alarmzeichen. Die Experten des DIVI-Intensivregisters, auf dem unsere Grafik beruht, schreiben: „Problematisch wird ein freier Bettenanteil von unter 15 Prozent oder sogar unter 10 Prozent.“ Insbesondere, wenn dieser über längere Zeit und in mehreren Regionen auftrete. Dann sei der Puffer schnell aufgebraucht.

Das führt zum zweiten Faktor: Professor Ulf Dittmer, Chef-Virologe der Uniklinik Essen, gehörte bislang eher zu den Optimisten seines Fachs. Seine Annahme war mit Blick auf die Erfahrungen in Großbritannien: Die Inzidenz werde sich bei maximal 400 einpendeln. Doch in seinem jüngsten Video-Interview mit der Funke-Mediengruppe sagte er auf die Frage, ob die Neuinfektionslage in NRW außer Kontrolle geraten werde: „Zumindest fängt es an, außer Kontrolle zu geraten. Was mich überrascht, ist der drastische Sprung, den wir in NRW gesehen haben.“

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Mit einem deutlichen Verzug werde diese Entwicklung in den Krankenhäusern ankommen. Wenn man es nun noch schaffe, die Inzidenzen nicht mehr so stark steigen oder gar stagnieren zu lassen, dann könne man die Belastung in den Krankenhäusern noch eine Zeit lang kompensieren, so Dittmer: „Wenn die Inzidenzen weiter steigen in den nächsten zwei Wochen, dann wird die Situation in den Krankenhäusern nicht mehr kompensierbar sein.“

Im Jung-Stilling-Krankenhaus in Siegen werden derzeit „nur“ zwei Corona-Patienten auf der Intensivstation und einige weitere auf Normalstationen behandelt. Professor Dr. Christian Tanislav, Ärztlicher Direktor des Diakonie Klinikums, sagt aber: „Unabhängig von Corona sind unsere Intensivkapazitäten aktuell aufgrund eines hohen Patientenaufkommens bereits vollständig erschöpft.“ Planbare Operationen werde man daher weiter, wenn eben möglich, verschieben.

Im Klinikum Hochsauerland in Arnsberg ist der Anteil der Intensivbetten mit knappen 20 Prozent derzeit noch relativ hoch. 13 Covid-Patienten befinden sich aktuell in stationärer Behandlung, davon vier auf der Intensivstation. Und es gibt auch Anfragen, ob man im Hochsauerland auch Covid-Intensivpatienten aus anderen Regionen versorgen kann. Das Klinikum, so Sprecher Robert Bornkeßel, stelle sich auch generell auf eine höhere Belastung ein: „Eine weitere Station am Standort Marienhospital ist vorbereitet.“