Hagen. Mit Angst blicken die Gastronomen in die für das Geschäft wichtige Adventszeit: Steigende Infektionszahlen sowie Absagen von Weihnachtsfeiern.

Die Pandemie ist auch für Physiotherapeuten keine einfache Zeit. Sie stellen sich selbst die bange Frage, wie es mit diesem hartnäckigen Virus weitergeht. Und dienen häufig als Kummerkasten für ihre Patienten, die auf der Behandlungsliege gerne ihre ganz persönlichen, teils sehr bedrückenden Corona-Geschichten erzählen.

Da ist es nachvollziehbar, dass eine Physiotherapie-Praxis am Ende eines schwierigen Jahres wenigstens bei einer Weihnachtsfeier Zerstreuung sucht. „Ich habe meinem 17-köpfigen Team die Entscheidung überlassen, ob wir in diesem Jahr eine solche Feier abhalten“, schildert David Lopez, Besitzer des Therapiezentrums pro-physio in Hagen. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben aus Überzeugung dafür gestimmt.

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Per Facebook hat Lopez nachgefragt, wo man eine „x-mal-Feier outdoor“ machen könne – Wintergrillen oder ähnliches. „Wir sind zwar komplett durchgeimpft, dennoch wollen wir bei unserem Treffen Innenräume meiden.“

Lopez’ Betrieb ist kein Einzelfall. Gastronom Frank Fischer vom Hagener Café Halle kann davon ein Lied singen. „Man merkt, dass die Leute Angst haben und Aufenthalten in Innenräumen gegenüber immer reservierter werden.“

Stornierungen über Stornierungen

Wenn er sich die Stimmung verhageln will, muss er in sein Reservierungsbuch schauen: „Es war für November und Dezember prall gefüllt. Mit Weihnachtsfeiern, Gänse- und Grünkohlessen. Mindestens die Hälfte der Termine ist storniert.“

Vereinzelt werde nach Möglichkeiten an der frischen Luft gefragt. In diesen Fällen erzeugt Fischer mit Hilfe von Feuerschalen, Glühwein und Grillwurst ein wenig Lagerfeuer-Romantik. „Aber das ersetzt kein Gänseessen mit einem Glas Rotwein und schöner Innen-Wärme.“

Wenn man Fischer bittet, mit einem Wort die Situation der Gastronomen in der für sie so wichtigen (Vor-)weihnachtszeit zu beschreiben, muss er nicht lange nachdenken: „katastrophal!“ Die Krise zeige sich vielfältig: Unternehmen verbieten Weihnachtsfeiern, Geburtstagsfeiern finden – wenn überhaupt – mit deutlich weniger Teilnehmern als geplant statt, das Catering für Firmenessen ist zu 90 Prozent eingebrochen und selbst am Café-Sonntag bleiben Gäste aus. „Insbesondere bei den Älteren ist die Verunsicherung groß.“

Gastronomen befürchten „Genickbruch“

Auch in anderen Bundesländern gibt es viele Absagen von Firmen-Weihnachtsfeiern. Nach Einschätzung des dortigen Hotel- und Gaststättenverbands (Dehoga) Niedersachsen könnten die absehbaren Geschäftseinbußen die ohnehin schwierige Situation für die Gastronomie verschärfen. Etwa jede dritte vorgesehene Weihnachtsfeier sei bereits ins Wasser gefallen, viele Gastronomen befürchteten einen „Genickbruch“, hieß es im NDR.

Keiner weiß zur Stunde, wie das Jahresendgeschäft ausfallen wird. „Wir hatten einen sehr guten Sommer und wollen nicht noch einmal wie Ende 2020 Löcher stopfen“, klagt Fischer. „Wenn die Kasse im November und Dezember klingelt, geht man viel entspannter ins neue Jahr.“ Zumal da auch die Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern sei, denen man eine Perspektive bieten möchte und die man angesichts des sich in der Pandemie verschärfenden Personalmangels nicht verlieren möchte.

Es herrscht nackte Angst im Gastgewerbe. „Ja, wir schauen besorgt auf die steigenden Infektionszahlen“, sagt Ingo Schneider vom gleichnamigen Landgasthof in Schmallenberg-Westfeld. Die Gastronomie habe sich nicht als Pandemietreiber entpuppt, sagt er, „und doch ist eine gewisse Verunsicherung in den Köpfen der Menschen verankert.“ Für seinen Betrieb seien insbesondere die Weihnachtsfeiertage ein wichtiges Geschäft. „Auch hier haben wir bereits Absagen bekommen. Wenn Angehörige ihre Familien wegen der Coronalage nicht besuchen, gehen sie natürlich auch nicht ins Restaurant.“

80 Prozent der Betriebe betroffen

Ähnliches nimmt auch der Branchenverband Dehoga NRW wahr. Aus einer Umfrage gehe hervor, dass bereits ein Drittel der Feste in Gastronomiebetrieben in NRW abgesagt wurden, sagt Sprecher Thorsten Hellwig. „Das war letzte Woche. Wir gehen davon aus, dass die Tendenz aufgrund der neuen Entwicklung steigt und sich beschleunigt.“

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Etwa 80 Prozent der Betriebe seien bereits betroffen. Der Verband gibt keine Empfehlungen ab, wie mit den Absagen umzugehen ist. Letztendlich gehe es um den 1:1-Austausch zwischen Gastgeber und Wirt. „Wir appellieren daran, sich vor der Stornierung mit dem Gastronom in Verbindung zu setzen, um eine gemeinsame Lösung zu finden“, so Thorsten Hellwig. Outdoor-Events sind dabei nur eine der möglichen Ideen, eine Feiern doch noch stattfinden zu lassen.

Und wenn es winterlich kalt ist? „Dann kleidet man sich entsprechend“, sagt der Hagener Physiotherapeut David Lopez, „und es gibt ja auch Möglichkeiten, sich von innen zu wärmen.“