Arnsberg/Berlin. Friedrich Merz: Warum die Sozialpolitik für die CDU wichtiger ist als Klimapolitik. Und wie er mit Illoyalität in der CDU-Zentrale umgehen will.
Mit einem breit aufgestellten Team und einer Fokussierung auf die Sozialpolitik will Friedrich Merz (66) im dritten Anlauf CDU-Vorsitzender werden. Die Sozialsysteme auch für die junge Generation bezahlbar zu halten, sei die entscheidende Zukunftsaufgabe. Der Arnsberger will dazu den Berliner Mario Czaja, ehemals Sozial-Senator in der Bundeshauptstadt, zum Generalsekretär machen. Die 34- Jährige Bundestagsabgeordnete Christina Stumpp aus Baden-Württemberg soll Vize-Generalsekretärin werden.
Deutliche Worte gibt es im Interview in Richtung seiner Kritiker in der Parteizentrale, dem Konrad-Adenauer-Haus. Wer ihm gegenüber nicht loyal sei, dem solle – sollte er die Wahl gewinnen – „der Weg in einer andere Beschäftigungsmöglichkeit“ geebnet werden.
Heute haben Sie Ihre Mannschaft präsentiert, mit der Sie die Spitze der CDU neu aufstellen wollen. Wofür steht Ihr Team?
Dieses Team steht für Führung, für Aufbruch, für Zukunft und für die ganze Breite der Partei.
Geht es etwas genauer?
Mir ist wichtig, dass wir in der Führung der Partei jetzt die Arbeit auf viele Schultern verteilen. Ich mache deshalb den Vorschlag, die Satzung zu ändern und das Amt eines stellvertretenden Generalsekretärs einzuführen. Damit wird es einen Vorsitzenden, einen Generalsekretär, eine stellvertretende Generalsekretärin und fünf stellvertretende Vorsitzende geben. Dieses engere Führungsteam der CDU muss auch jeweils individuell Aufgaben übernehmen. Ich möchte, dass wir in der Öffentlichkeit sichtbar werden mit Themen und mit Meinungen, und das ist keine Aufgabe für den Vorsitzenden allein.
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Steht das Team denn für den angestrebten Generationenwechsel?
Ja, schon wenn Sie es vom reinen Alter her sehen. Wir decken die komplette Bandbreite einer Volkspartei ab: Frau Stumpp ist 34, Mario Czaja 46, ich bin 66. Wir sind auch altersmäßig so aufgestellt, dass wir sagen können: Das ist ein Teil des Erneuerungsprozesses. Ich freue mich ganz besonders, dass ich mit Mario Czaja einen Generalsekretär als Kandidaten gewonnen habe, der aus der Sozialpolitik kommt, der Mitglied der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft ist und der als Sozialsenator in Berlin gezeigt hat, dass er Sozialpolitik kann.
Wollen Sie auch Fraktionsvorsitzender werden?
Es geht jetzt zunächst darum, die Partei neu aufzustellen. Da ich wieder Mitglied des Deutschen Bundestags geworden bin, habe ich auch jederzeit das Recht und die Möglichkeit, dort zu sprechen. Daran wird es also nicht scheitern.
Aber grundsätzlich gehören beide Ämter schon in eine Hand, oder?
Darüber kann man nachdenken, das war auch immer meine Meinung. Das gilt übrigens nicht nur für die Opposition, sondern auch für die Regierung. Dort gehören Parteivorsitz und Kanzleramt zusammen. Wir als CDU haben aber in dieser Phase so viel zu tun, dass genug Arbeit für alle da ist.
Das heißt, Sie schließen bei einer Wahl eine erneute Kanzlerkandidatur nicht aus?
Diese Frage stellt sich heute überhaupt nicht. Wir wählen jetzt nicht den Kanzlerkandidaten, sondern den Parteivorsitzenden, der mit seinem Team diese Partei aufstellen, aufrichten, aufbauen und politisch wieder mehrheitsfähig machen muss. Das ist genug Arbeit. Über andere Themen sprechen wir nicht.
Wären Sie auch mit einem knappen Mitgliedervotum zufrieden?
Mehrheit ist Mehrheit. Aber ich habe natürlich die Hoffnung, dass wir das im ersten Wahlgang entscheiden. Wenn nicht, dann muss es eine Stichwahl geben. Wünschenswert wäre eine hohe Wahlbeteiligung: Möglichst viele Mitglieder sollten von diesem Angebot, in einer ganz wesentlichen Personalfrage unserer Partei mitbestimmen zu können, Gebrauch machen. Die endgültige Entscheidung fällt dann auf dem Parteitag am 21. und 22. Januar in Hannover. Dort möchte ich, dass derjenige, der die Mehrheit bei den Mitgliedern bekommen hat, auch von einer wirklich breiten Mehrheit der Delegierten gewählt und getragen wird.
Eine Niederlage ist ja nicht ausgeschlossen. Das wäre dann Ihre dritte. Mit welchen Folgen?
Verlieren ist heute keine Option für mich.
Was bedeutet eigentlich Erneuerung für Sie: Sich Themen wie Klimawandel und Digitalisierung stärker zu widmen oder auf Konservatives zurückzubesinnen?
Beides. Ich möchte, dass die CDU eine politische Heimat wird für alle, die sich im weitesten Sinne des Wortes Christdemokraten nennen und als solche fühlen. Bei uns sollen die Wirtschaftsliberalen genau wie die sozial engagierten Bürger eine politische Heimat haben, und das gilt selbstverständlich auch für die Wertkonservativen. Wichtig ist, dass wir mit den Themen zukunftsfähig sind. Und dazu zählt vor allem folgende Frage: Wie können wir in einer sich so dramatisch ändernden Arbeitswelt die sozialen Sicherungssysteme für die junge Generation zukunftsfähig machen? Für die ältere Generation sind sie sicher, für die jüngere sind sie es nicht. Wenn Sie mich nach einer Motivation fragen, warum ich in meinem Alter noch einmal zurück in die Politik gehe, dann ist es genau dieses Thema: ein generationengerechtes soziales Sicherungssystem in Deutschland mithelfen zu entwickeln, und da muss die CDU sprechfähig sein. Wir sind es zurzeit nicht. Das Thema soziale Gerechtigkeit ist aber seit Jahrzehnten das wichtigste Thema in unserer Bevölkerung.
Viele Jüngere halten den Kampf gegen den Klimawandel für drängender.
Das ist er auch. Ich relativiere mit dieser Aussage in keiner Weise die Bedeutung des Themas Klimawandel, aber da sehe ich zunächst die Regierung in der Verantwortung. Für die CDU als Partei ist die größte Baustelle die Sozialpolitik. Dort haben wir auch in der zu Ende gehenden Wahlperiode mit der SPD zusammen keine tragfähigen Antworten entwickelt.
Im Konrad-Adenauer-Haus werden Sie nicht alle mit offenen Armen empfangen. Einige sitzen dort mit der Faust in der Tasche, heißt es.
Ich gehe davon aus, dass alle, mit denen ich zusammenarbeite, loyal mit der neuen Führung arbeiten. Wenn sie dazu nicht bereit und in der Lage sind, dann werde ich ihnen einen fairen Weg in eine andere Beschäftigungsmöglichkeit ebnen. Beim ganz großen Teil der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die ich zum Teil schon gut kenne und über die ich mich nicht beklagen kann, mache ich mir da aber keine Sorgen.
Sie sehen sich also auch nicht auf Kollisionskurs mit dem Merkel-Lager?
Diejenigen, die mit Angela Merkel zusammen in der Partei und in der Regierung Verantwortung getragen haben, gehören selbstverständlich bei der Aufstellung der Partei dazu. Aber die CDU bricht jetzt auf in eine neue Zeit, in dieser neuen Zeit gibt es neue Themen und neue Antworten. Alle, die sich bereit erklären, an der Entwicklung der neuen Antworten teilzunehmen, sind herzlich willkommen, ganz gleich, was sie vorher gemacht haben.
Neue Themen und Merz, das passt nicht zusammen, sagen Ihre Kritiker.
Da werden sich einige meiner sogenannten Gegner nicht nur heute, sondern auch in Zukunft manchmal wundern und ihre Vorurteile hinter sich lassen.