Hagen. Der Buchhandel will das Weihnachtsgeschäft vorziehen. Die Branche befürchtet Engpässe. Wie konnte es dazu kommen?

Die Wochen vor dem Heiligen Abend sind für den Buchhandel die wichtigsten im Kalender. 15 bis 20 Prozent des Jahresumsatzes erwirtschaftet die Branche im Advent. Nach dem Lockdown setzen die Buchhändler große Hoffnungen in die Vorweihnachtszeit. Doch die Angst vor Lieferengpässen wächst auch in der Buchwirtschaft. „Wir empfehlen unseren Kundinnen und Kunden, das Weihnachtsgeschäft nach vorne zu ziehen, also jetzt schon Weihnachtstitel zu verkaufen“, so der Hagener Zwischenbuchhändler Stefan Könemann, Geschäftsführer des Barsortiments Könemann, „weil es passieren kann, dass es auf den letzten Metern noch Engpässe geben wird.“

Stefan Könemann / Geschäftsführer des Barsortiments Könemann mit Sitz in Hagen
Stefan Könemann / Geschäftsführer des Barsortiments Könemann mit Sitz in Hagen © Foto: Privat

Die Unterbrechung vieler Lieferketten und die extreme Verteuerung der Energie- und Transportkosten sind nur zwei Faktoren, die auch für den Buchhandel zu Herausforderungen werden können. „Viele grafische Papiersorten sind knapp geworden, weil die Hersteller in der Pandemie auf die Produktion von Kartonagen umgestiegen sind“, analysiert Könemann. „Holz ist extrem knapp, die Holzpreise schießen durch die Decke. Alle Lieferketten in sämtlichen Branchen sind gestört, das schlägt auf die Buchbranche durch. Beim Kinderbuch und beim Taschenbuch könnte schon mal was fehlen.“

Gut durch die Coronakrise

Im Vergleich zum anderen Einzelhandel ist der Buchhandel einigermaßen gut durch die Coronakrise gekommen. „Das Buch hat sich sehr bewährt in der Pandemie. Immer, wenn Krisen auftauchen, erlebt das Buch eine Renaissance“, konstatiert Könemann, der als exzellenter Branchenkenner gilt und soeben erneut in den Ausschuss Zwischenbuchhandel des Börsenvereins gewählt wurde.

Verluste bei den Filialisten

Die Filialisten allerdings mussten Verluste hinnehmen. „Die Filialisten haben eine andere Struktur von Geschäften, die Läden liegen in den Fußgängerzonen in 1A-Lagen mit teuren Mieten und sind auf Laufkundschaft angewiesen. In der Pandemie gab es keine Laufkundschaft.“ Im Unterschied dazu lebt der unabhängige Buchhandel von seiner Stammkundschaft. „Das sind Selbstständige, die selbst und ständig arbeiten. Eine Kundin sagte, sie haben geschuftet wie die Grubenponys. Sie haben Bestellungen aufgenommen über Whatsapp, Mail, Anrufbeantworter, Zettel, die unter der Ladentür durchgeschoben wurden. Sie haben diese Bücher bei uns im Großhandel bestellt, die Rechnung darauf geklebt und sie auf einen Tisch auf dem Bürgersteig gelegt, damit der Kunde die Ware kontaktfrei abholen konnte.“

Wie die Buchhändler in der Coronazeit ihre Kunden erreicht und beliefert haben, gehört schon jetzt zu den kulturellen Heldengeschichten. Denn die Buchhändler haben die Flagge des Einzelhandels in den verwaisten Innenstädten hochgehalten und sie haben gezeigt, wie wichtig das persönliche Engagement ist. „Der inhabergeführte Buchhandel hat von seinem Service stark profitiert. Die Läden konnten ihre Umsätze halten und steigern.“

Starke Digitalisierung

Der stationäre Buchhandel ist stärker digitalisiert als andere Sektoren des Einzelhandels, das war ein großer Vorteil in der Pandemie. Könemann. „Wir Großhändler stellen unseren Einzelhändlern Onlineshops zur Verfügung, darin haben sich die Umsätze vervielfältigt. Jetzt hat sich gezeigt, dass alle Buchhändler, die sich beizeiten den Onlineshop geholt haben, besser aufgestellt waren, als jene, die das für überflüssig gehalten haben.“

E-Book schwächelt in Deutschland

Die Digitalisierung verändert das Buchgeschäft, jedoch anders als zunächst befürchtet. Sie greift vor allem bei den Vertriebswegen. Das physische Buch im Onlineshop des stationären Buchladens vor Ort zu bestellen, wird mehr und mehr zum Standard. Das elektronische Buch selbst kann seine Marktanteile in Deutschland demgegenüber nur langsam ausbauen. Woran liegt das? Könemann. „E-Books haben eine Steigerung erfahren, aber von Umsatz und Absatz ist der Markt nicht proportional mitgewachsen, weil die Menschen ihre E-Books gerne über die Bibliotheken beziehen. Es werden also immer mehr E-Books gelesen, aber es werden nicht mehr E-Books verkauft. Bei der Onleihe sind faire Vergütungsregeln gegenüber den Verlagen ein kritisches Thema.“

Tolino-Allianz

Als Zwischenbuchhändler ist Könemann Mitglied der Tolino-Allianz, jenes Zusammenschlusses von Buchhändlern, die mit dem Tolino ein Lesegerät entwickelt haben, das Amazons Kindle die Stirn bieten kann. Doch kommen die vielen Millionen, die in die Entwicklung geflossen sind, wieder rein? „Nein“, sagt Könemann. „Weil die Margen nicht ausreichend sind. Der Reader ist ein Stück Hardware. E-Reader halte ich für keine zukunftsträchtige Technologie. Das hat sich über kurz oder lang erledigt, weil die Leute auf dem Mobiltelefon oder auf dem Tablet lesen.“

Dass das E-Book in Deutschland schwächelt und die Wertschöpfung weiter über Papierbücher läuft, hat für Stefan Könemann einen nachvollziehbaren Grund. „Physische Bücher sind in Deutschland von besserer Qualität als in den meisten anderen Ländern. Bei schön gemachten Büchern hat der Kunde weniger Drang zum E-Book.“