Hagen. Nirgendwo in NRW ist die Arbeitslosigkeit so stark gesunken wie in Südwestfalen. Woran das liegt und wo es besonders viele offene Stellen gibt.
Erholung gibt es auf dem gesamten Arbeitsmarkt in NRW, aber nirgends fällt die Belebung so eindeutig aus wie in Südwestfalen. Hier lag die Zahl der Arbeitslosen im September um stolze 18 Prozent niedriger als noch ein Jahr zuvor (siehe Grafik). Zwar gab es auch da schon die Corona-Pandemie mit den negativen Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Allerdings herrschte im September 2020 vor der erneuten langen Lockdown-Phase noch Optimismus nach einem relativ ruhigen Sommer mit weniger Einschränkungen.
Woher kommt der Arbeitsmarkt-Boom in Südwestfalen?
Es liegt vor allem an dem verarbeitenden Gewerbe, sprich der Industrie. Der kräftige Rückgang bei der Arbeitslosigkeit erkläre sich durch den ebenso kräftig gestiegenen Bedarf an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, so Christoph Löhr, Sprecher der Arbeitsagentur-Regionaldirektion NRW. „Gerade auch in Branchen, die von den Auswirkungen der Pandemie unmittelbar betroffen waren.“ Dazu gehört aufgrund der Schwierigkeiten bei den Liefer- und Absatzketten in der Pandemie die Industrie. Und Südwestfalen (gemeint sind damit die Kreise Soest, Hochsauerlandkreis, Siegen-Wittgenstein, Olpe und der Märkischen Kreis ) ist stark industriell geprägt.
Wer profitiert von der guten Entwicklung? Nur Fachkräfte oder auch geringer Qualifizierte?
Tatsächlich beide. Aktuell sind im September im verarbeitenden Gewerbe 9265 Stellen für Fachkräfte ausgeschrieben, dem stehen 11.824 arbeitslose Bewerberinnen und Bewerber gegenüber, rechnet die Bundesagentur auf Anfrage unserer Zeitung vor. „Das Verhältnis Stellen zu Personen liegt demnach bei 1,0 zu 1,3“, so Sprecher Christoph Löhr. „Landesweit dagegen bei 1,0 zu 2,3.“ Also ein ganze Stück schlechter. Die industrielle Prägung in Südwestfalen hilft aber auch Menschen ohne ausreichende Ausbildung – in der Statistik „Helfer“ genannt. Hier gibt es 5.320 Stellenangebote auf 21.849 arbeitslose Bewerber. Ein Verhältnis von 1,0 zu 4,1. Landesweit in NRW liegt es bei 1,0 zu 9,6. Der Arbeitsmarkt für Helfer in industriellen Regionen ist besser.
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In welchen Branchen gibt es den größten Arbeitskräftebedarf in Südwestfalen?
Landesweit sind das vor allem das verarbeitende Gewerbe, der Handel und das Gastgewerbe. In Südwestfalen kommt laut Arbeitsagentur auch noch die Logistikbranche hinzu. Um den aktuell großen Bedarf zu verdeutlichen, ein Blick auf den Bestand der offenen Stellen.
Verarbeitendes Gewerbe: 1972 offene Stellen (+ 884 oder + 81,3 Prozent im Vergleich zum Vorjahr)
(Einzel-)Handel: 1443 offene Stellen (+491/ +51,6 Prozent)
Gastgewerbe: 839 offene (sozialversicherungspflichtige) Stellen, +432 / 106,1 Prozent
Verkehr und Lagerei: 534 offene Stellen (+270/+102,3 Prozent)
Welche Rolle spielt die Kurzarbeit bei der positiven Entwicklung?
Bei Firmen, bei denen auch nur eine einzelne Abteilung in Kurzarbeit ist, sind Neueinstellungen nur im Ausnahmefall möglich. Die Kurzarbeit hat sich insbesondere in der Pandemie also als gutes Mittel gegen die Arbeitslosigkeit bewährt – sie hemmt aber auch die Dynamik auf dem Gesamt-Arbeitsmarkt. Doch die Kurzarbeit ist stark rückläufig. Im Juni – so die aktuelle Hochrechnung – rechneten 44.817 Unternehmen in NRW mit den Arbeitsagenturen Kurzarbeit ab. Das waren 18.843 weniger als im Vormonat Mai. Im Juni arbeiteten 274.024 Beschäftigte in Kurzarbeit, 211.454 Menschen weniger als im Mai. „Das bedeute, dass viele Unternehmen jetzt auch wieder eine bessere Auftragslage haben und Menschen einstellen können“, so Agentur-Sprecher Christoph Löhr.
Wie sieht generell die Lage in NRW aus?
Die Zahl der arbeitslos gemeldeter Menschen ist im September unter die Grenze von 700.000 gefallen – erstmals seit Beginn der Pandemie. Landesweit sank die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vormonat um 29.750 Personen auf 688.652 Arbeitslose. Damit waren 85.116 Menschen weniger arbeitslos als vor einem Jahr. Die Arbeitslosenquote sank um 0,3 Punkte auf 7,0 Prozent. Neben Südwestfalen ist der Rückgang der Arbeitslosigkeit besonders in den Regionen Münsterland (- 16,9 %) und Ostwestfalen-Lippe (- 15,4 Prozent) groß. Das Bergische Land liegt im Mittelfeld bei dem Rückgang (- 12,6 %). Die Region Ruhrgebiet, zu der Hagen, Dortmund und der Ennepe-Ruhr-Kreis gehören (- 9,2 %), sowie das Rheinland (- 8,9 %) schneiden viel schwächer ab.