Hagen/Werdohl. Das Unwetter hat an den Gleisen große Schäden angerichtet. Zwischen Hagen und Siegen fahren Busse. Die Chronik einer quälend langen Fahrt.

Von Hagen nach Werdohl fahren. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln. So lautet meine Aufgabe. Klingt leicht, wäre es auch – wenn da nicht der Schienenersatzverkehr (SEV) wäre. Das Jahrhundertunwetter hat auch an den Gleisen großen Schaden angerichtet und so werden auf der Strecke zwischen Hagen und Siegen auf unbestimmte Zeit Busse eingesetzt. Wir haben den Selbsttest gemacht: Wie läuft es mit dem Ersatzverkehr auf der vielbefahrenen Ruhr-Sieg-Strecke? Was sagen die Menschen unterwegs? Läuft die Fahrt reibungslos? Die Chronik einer Busfahrt.

Hagen Hauptbahnhof

Die Verwirrung beginnt schon vor der Abfahrt. Wann kommt der Bus? Welchen Bus muss ich überhaupt nehmen? Wann muss ich welchen Bus an welcher Haltestelle nehmen? Fragen über Fragen am Hagener Hauptbahnhof. „Ist der SEV schon weg?“, fragt eine Frau – sichtlich gestresst und vollbepackt mit großem Koffer und Rucksack. Die Maske rutscht immer wieder von der Nase. Abfahrt ist planmäßig um 12.17 Uhr, von Bussteig 4. Hier halten alle Ersatzbusse.

Region Zugstrecke Hagen - Siegen Störungen
Region Zugstrecke Hagen - Siegen Störungen © Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW | Manuela Nossutta/Funkegrafik NRW

Neben mir steht eine ältere Frau. Sie wartet auf den Ersatzbus in Richtung Lüdenscheid. Auch die Bahnstrecke Hagen-Lüdenscheid ist beschädigt worden. „Ich dachte, diese Verbindung wäre wichtig. Aber der Bus kommt einfach nicht. Ich wollte doch nur pünktlich auf einer Beerdigung sein“, erzählt die Hagenerin. Nach fünf weiteren Minuten vergeblichen Wartens fasst die Frau einen Entschluss: „Ich nehme jetzt ein Taxi.“

Reibungslos scheint es mit dem Ersatzverkehr nicht zu laufen. Mein Bus kommt aber glücklicherweise – auch wenn etwas später. Um 12.28 Uhr fahren wir los – mit knapp zehn Minuten Verspätung.

12.50 Uhr: Hohenlimburg

Voll ist der Bus nicht, 15 Leute fahren mit. Jeder hat angenehm viel Platz in dem geräumigen Gefährt. . Viele Koffer stehen im Gang, Pendler scheinen nicht unterwegs zu sein, was sicher auch an der Mittagszeit liegt. Simone Elsmar hat ihre Familie in Bielefeld besucht und ist nun auf dem Heimweg nach Siegen. „Ich bin froh, dass der Ersatzverkehr fährt“, sagt sie. „Und dass er halbwegs pünktlich gekommen ist.“ Ein Hagener Ehepaar macht einen Ausflug. „Wir wollen die Atta-Höhle in Attendorn besuchen“, sagen sie.

Vorbei an riesigen Sperrmüll-Haufen erreichen wir nach circa 20 Minuten den Bahnhof Hohenlimburg.

13.03 Uhr: Letmathe

Klassenfahrt-Gefühl. So lässt sich die Fahrt bislang wohl am besten beschreiben. Habe ich vorher mit gestressten und genervten Menschen gerechnet, ist die Stimmung jetzt fast tiefenentspannt. Gelöst könnte man sagen.

Neben mir werden Snacks ausgepackt. Maiswaffeln. Einige Plätze weiter vorne spielt das Hagener Ehepaar Karten und macht Fotos. Man fühlt sich wie auf einem Schulausflug. „Schienenersatzverkehr ist doch gar nicht so schlimm“, denke ich.

13.20 Uhr: Altena

Doch dann kommt Altena. Und damit zahlreiche Baustellen auf den durch das Unwetter geschädigten Straßen. Einige Meter fahren. Stop. Fahren. Stop. Fahren. Stop.

Störungen bei der Bahn

Wie groß die Schäden an den Bahnstrecken in und um Hagen sind, konnte die Deutsche Bahn noch nicht genau sagen.

„Wir rechnen mit massiven Schäden an Oberbau und Durchlässen im Bereich Hagen und Hohenlimburg sowie Beschädigungen an Kabeln und Weichen“, teilte die Deutsche Bahn auf Nachfrage dieser Zeitung mit.

Busfahrer Anastasios Karvouniris sagt: „Die Ampeln an den Baustellen sind teilweise schlecht geschaltet. Da kommen gerade mal drei Fahrzeuge rüber.“ Ob er aufgrund der langen Fahrt oft den Ärger seiner Fahrgäste abbekomme? „Klar ärgern sich einige, dass die Fahrt so lange dauert“, sagt der Busfahrer, der diesen Job seit knapp 30 Jahren macht. „Insgesamt ist es aber in Ordnung. Keiner kann ja was dafür, dass die Situation nun so ist.“

Auch wenn Anastasios Karvouniris recht hat – keiner kann etwas dafür. Trotzdem erwische ich mich dabei, wie ich jemanden verantwortlich machen will für diese quälend lange Fahrt. Innerlich werde ich ungeduldig, weiß aber nicht, gegen wen sich mein Ärger richten soll. Doch natürlich ist mein Ärger nichts verglichen mit dem, was die Flutopfer in Altena erlebt haben und noch immer erleben. An den Stellen, wo ich mit dem Bus vorbeifahre, haben viele von ihnen alles verloren. Das ist wohl deutlich schlimmer als eine lange Busfahrt.

13.48 Uhr: Ankunft in Werdohl

Nach einer Stunde und 20 Minuten kommen wir endlich in Werdohl an. Mit dem Zug dauert es nur halb so lange. Für Berufspendler ist der Schienenersatzverkehr keine Option. Viel zu viel Zeit geht dafür drauf. Und Geduld. Für mich geht es auf den Rückweg: wieder mit dem Schienenersatzverkehr zurück Richtung Hagen. Diese Fahrt dauert knapp zwei Stunden.