Brilon. Zoe Tilly (20) ist die amtierende Briloner Waldfee. Sie erklärt, warum der Natur-Ort für uns so wichtig ist und wie er zu retten sein könnte

Es wäre eine fabelhafte Vorstellung­: Man hat einen Wunsch frei, und die gute Waldfee sorgt mit ihren höheren Kräften dafür, dass der kranke Wald wieder gesund wird. Und plötzlich steht Zoe Tilly vor einem und hält ihren funkelnden Feen-Stab in der Hand.

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Die 20-Jährige mit dem Vornamen, der auf Griechisch „Leben“ bedeutet, ist die amtierende Briloner Waldfee. Die sympathische Hochsauerländerin­ lebt ihr Amt, ist bekennende Wald-Liebhaberin, der es in der Seele weh tut, wenn sie den Kampf der Bäume ums Überleben mitverfolgen muss.

Brilon hat den größten Kommunalwald in der ganzen Republik

Der Ort der Begegnung ist der Ratmerstein, ein kleines, idyllisches Naturschutzgebiet an einer Erhebung in Brilon, dessen Stadtwald nicht nur Heimat der Waldfee ist, sondern der größte Kommunalwald in der ganzen Republik ist.

Steht man vor der Sitzbank vor dem Bildstock, sieht man in der Ferne die Schneisen der Verwüstung, die Dürrejahre, Stürme und der Borkenkäfer angerichtet haben: lichte Schonungen, umgekippte Stämme und ausgedörrte Bäume, aus denen morsche Äste in die Höhe ragen. „Es gibt nichts zu beschönigen“, sagt die 20-Jährige, „die kahlen Stellen in der Natur werden immer sichtbarer. Einfach nur traurig.“

Fast-Food-Verpackungen weggeworfen

Zoe Tilly hatte sich für das Amt bei „BWT – Brilon Wirtschaft und Tourismus“ beworben.
Zoe Tilly hatte sich für das Amt bei „BWT – Brilon Wirtschaft und Tourismus“ beworben. © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Vor der Sitzbank am Ratmerstein hat Zoe Tilly arglos weggeworfene Fast-Food-Verpackungen entdeckt. „Das muss doch wirklich nicht sein“, sagt die junge Frau aus Brilon, die nur noch mit dem Kopf schütteln kann, wenn Menschen sogar ihre Einbauküche im Wald entsorgen.

Aber vielleicht gehört ja die Vorstellung vom Wald als Müllkippe der Vergangenheit an: „In der Pandemie waren viel mehr Menschen im Wald als vorher“, sagt Zoe Tilly über den neuen Zufluchtsort, „ich bin mir sicher, dass die Verantwortung für den Wald gewachsen ist. Wir müssen wieder lernen, ihn zu schätzen.“

Mit offenen Augen durch den Wald

Zoe Tilly musste in den vergangenen eineinhalb Corona-Jahren nicht den Wald (neu-)entdecken. Sie ist von klein auf mit offenen Augen durch den Wald gegangen, hat darin gespielt und ist auf Bäume geklettert. Sie hat den Wald als Entspannungs- und Sehnsuchtsort, Energieträger und Lebensraum für Tiere und Pflanzen wahrgenommen: „Der Wald ist als grüne Lunge enorm wichtig für uns.“

Und sie hat verinnerlicht, dass im Wald beim Gezwitscher der Vögel und beim Rauschen der Blätter die innere Ruhe einkehrt: „Die beste Meditation.“

Ausbildung in einem holzverarbeitenden Unternehmen

Die junge Brilonerin scheint eine Idealbesetzung für das Amt der Waldfee zu sein, für das sie sich bei der „BWT – Brilon Wirtschaft und Tourismus“ beworben hatte. Derzeit macht sie eine Ausbildung zur Kauffrau für Marketingkommunikation bei einem holzverarbeitenden Unternehmen in Brilon. „Mehr Wald geht nicht“, sagt die überzeugte Sauerländerin, die ein Loblied auf ihre Heimat singt.

Wenn sie in der Berufsschule in Dortmund ist, so erzählt sie, fragen Mitschüler aus dem Ballungsraum Ruhrgebiet, wo sie denn im Urlaub war. Dann hatte sie in einem sozialen Netzwerk ein Bild aus dem Raum Brilon mit viel Natur gepostet.

2004 nahm die erste Waldfee in Brilon ihre Tätigkeit auf

„Wir leben sehr privilegiert“, sagt sie, „wir haben den Wald vor der Haustür.“ Sie zitiert dann gerne ihren Vater: „Er sagt immer: ,Wir leben dort, wo der liebe Gott seine Ferienwohnung hat‘.“ Ein weiser Mensch.

Seit dem Jahr 2004 ist die Waldfee offizielle Repräsentantin der anerkannten Stadt des Waldes. „Die Waldfee ist ein kleines Wesen, das den Menschen den Wald näherbringt“, sagt die 1,60 Meter große Brilonerin. Wenn man so will: den Zauber des Waldes näherbringt.

Schon als Kind träumte Zoe Tilly davon, irgendwann einmal in ein grünes, handgeschneidertes Feen-Kleid zu schlüpfen und einen langen Feen-Hut aufzusetzen. „Ich mache diese Aufgabe total gerne“, sagt sie, auch wenn in ihrer – wegen der Pandemie verlängerten – Amtszeit die Zahl der Termine überschaubar war und ist.

Leuchtende Augen im Kindergarten

Gerne erinnert sie sich an den Besuch in einem Kindergarten. Die Waldfee wurde mit leuchtenden Augen empfangen und gefragt, warum der Wald so krank ist und ob sie die Zahnfee kenne.

„Wenn ich mir etwas wünschen dürfte“, sagt Zoe Tilly am Briloner Ratmerstein, „wäre das eine Zukunft mit einem stabilen Wald aus einer neuen Baumgeneration, der dem Klimawandel trotzt. Und ich würde jedes Kindergarten- und Grundschulkind einen Baum pflanzen lassen.“ Solche Wünsche müsste doch eine zauberhafte Waldfee erfüllen können.