Hamm. Das Oberlandesgericht Hamm vertagt die Entscheidung im Streit um die frei lebenden Wisente auf Juli. Aber es gibt eine Tendenz.
Als die Verhandlung endete, war auch die Geduld von Hubertus Dohle aufgebraucht. Noch im großen Verhandlungssaal des Oberlandesgerichts Hamm fauchte er die Gegenseite an: "Und der Mensch? Über den wird gar nicht gesprochen." Tatsächlich ging es vornehmlich um Tiere, um die Wisente, jene eindrucksvollen Kreaturen, die im Rothaargebirge auf der Grenze zwischen Siegen-Wittgenstein und dem Hochsauerland schon frei leben und gänzlich ausgewildert werden sollen. Ein international beachtetes Artenschutzprojekt, das seit 2013 läuft. Und seit 2014 die Gerichte beschäftigt.
Entscheidung des Oberlandesgerichts am 15. Juli
Nächstes Kapitel am gestrigen Donnerstag in Hamm, nachdem der Bundesgerichtshof den Fall wieder zurückgespielt hatte mit der zentralen Frage, ob Privatwaldbesitzer wie der Kläger Hubertus Dohle oder sein Leidensgenosse Georg Feldmann-Schütte die Schälschäden der Tiere, die an ihren Bäumen entstehen, aus Naturschutzgründen dulden müssen. Eine Entscheidung darüber - und damit in weiten Teilen auch über die Fortführung oder das Aus für das Projekt - ist vertagt: Nach mündlicher Verhandlung wurde ein Verkündungstermin für den 15. Juli in Aussicht gestellt. Ausgang? Offen. Doch der Vorsitzende Hermann Greving deutete an, dass der Faktor Zeit gegen das Projekt sprechen könnte.
Das Projekt wurde auf Wittgensteiner Seite forciert und umgesetzt, doch die Tiere kümmern die für sie ersonnenen Grenzen nicht. Sie wandern herüber ins Sauerland, nagen dort die Buchen an. Rund 60.000 Euro Schaden habe er schon erlitten, sagt Georg Feldmann-Schütte. Die bisherigen Kompensationszahlungen hätten bei 30.000 Euro gelegen. Muss er das dulden?
Vorwurf: Kein Fortschritt beim Projekt zu erkennen
Das OLG Hamm tendierte nach erneuter Begutachtung am Donnerstag dazu, mit nein zu antworten. Grund sei, der unveränderte Zustand und mangelnde Fortschritt des Projektes. Vorwurf kurzum: Zeitspiel. Schon 2014, spätestens aber 2016 sei die Freisetzungsphase der Tiere - mit intensiver technischer Überwachung und veterinärmedizinischer Begleitung - abgeschlossen gewesen.
Für den Eintritt in die nächste Phase der Herrenlosigkeit müsste ein neuer Vertrag aufgesetzt werden, als der, der seit 2013 gilt. Dies sei aber in keiner Weise absehbar und das Einverständnis aller Beteiligten zudem keineswegs sicher. "Wäre der öffentlich-rechtliche Vertrag nur noch eine Hülle, die nicht mehr gelebt wird, dann müsste auch eine Duldungspflicht seitens der Kläger abgelehnt werden", formulierte der Sitzungsvorsitzende.
Waldbauer wütend: "Irgendwann muss auch mal Schluss sein"
Hubertus Dohle hatte sich auch einige Zeit nach der Verhandlung kaum beruhigt. "Die kommen immer wieder mit neuen Paragraphen und ziehen alles in die Länge", sagt er im Hinblick auf die Gegenseite und verweist auf die Tiere, die andere Tiere auf dem Gewissen hätten, die Menschen angriffen und auch schon einen Verkehrsunfall auslösten. "Wenn ein Projekt offenkundig Mängel hat, dann kann man versuchen, diese zu beseitigen. Aber wenn man merkt, dass nichts hilft, dann muss irgendwann mal Schluss sein." Ob ihn die Einlassungen des OLG Hamm nicht optimistisch stimmen? "Wir hatten schon so oft Hoffnung. Aber ich habe die Hoffnung verloren. Punkt."
Zuletzt hatte das Umweltministerium des Landes NRW eine Einzäunung des Gebietes erwogen, um das Projekt in eine Übergangsphase zu überführen. Dabei würden aus einst 4000 Hektar Fläche nur noch 500 Hektar Wisent-Gebiet werden. Da es sich um ein besonders schützenswertes Stückchen Natur handelt, wären Naturschutzbedenken aber hoch. Ganz zu schweigen von den Kosten, die aber das Land tragen würde. Ein Gutachten steht kurz vor der Veröffentlichung, das Aufschluss geben soll, welche Richtung das Projekt nehmen könnte.
"National und international beachtetes Projekt"
Den Vorwurf, auf Zeit zu spielen, mag sich der Trägerverein nicht gefallen lassen. "Die Duldungspflicht wegen reinen Zeitablaufs aufzuheben, hielte ich für falsch", sagt Johannes Röhl, 3. Vorsitzender des Trägervereins, nach der Verhandlung. Seine Partei argumentierte, dass eine Bewertung der Tierbeobachtungen Zeit brauche, dass manche Verzögerung zudem nicht der Verein verursacht habe. Er habe Verständnis für die Kritik der Kläger. "Aber von einem Problem-Projekt zu sprechen, wird der Sache nicht gerecht." National und international sei das ein mit Spannung verfolgtes Projekt. Nur die Nachbarn, die streiten unerbittlich.