Hagen. Kinder noch vor den Sommerferien gegen Corona impfen oder nicht? Was ein Mediziner rät und warum manche Jugendliche selbst entscheiden können.
Das Thema bewegt derzeit, wie kaum ein anderes: mögliche Impfungen von Kindern und Jugendlichen gegen das Coronavirus. „Ich habe viele Anfragen“, berichtet Dr. Burkhard Lawrenz, der seine Praxis in Arnsberg im Sauerland hat, stellvertretend für viele Kollegen: „Die meisten wollen erstmal nur meine Einschätzung, wie sinnvoll das ist. Andere würden ihre Kinder lieber heute als morgen schon impfen lassen, um komplikationsfrei in den Urlaub fahren zu können.“ Schließlich könnten bis zu den Sommerferien viele Eltern geimpft sein und sich ohne Tests auf die Reise oder in Restaurants begeben, Kinder aber nicht.
Ist das Kinderimpfen sinnvoll? Was sagen Mediziner und was die Eltern zur derzeitigen Sachlage?
Corona-Impfung: Langzeitwirkung noch ungewiss
Bei Angela Gehrmann aus Hagen überwiegt die Skepsis – vorsichtig formuliert. „Seit fast 15 Monaten ist die Welt unserer Kinder und Jugendlichen eine völlig andere. Ganz grundlegende Bedürfnisse liegen seit Monaten auf Eis. Und nun sollen diese Kinder und Jugendlichen zur Belohnung auch noch geimpft werden?“, fragt die 48 Jahre alte Immobilienmaklerin ironisch. Ihr Sohn ist 16, die Tochter 14.
Dr. Lawrenz, der stellvertretender Landesverbandsvorsitzender der Kinder- und Jugendärzte in Westfalen-Lippe ist, kann die Bedenken verstehen. „Auch wenn es vielleicht bald Impfstoffe mit Zulassung für Kinder und Jugendliche gibt, rate ich zur Zurückhaltung gerade bei unter Zwölfjährigen. Denn die haben ein sehr geringes Risiko, schwer zu erkranken und sind – das zeigen zahlreiche Studien – nur etwa halb so ansteckend wie Erwachsene.“ Zudem sei noch völlig unklar, wie die Langzeitwirkungen für einen noch im Wachstum befindlichen und damit empfindlicheren Organismus sind. Er gehe davon aus, „dass die Ständige Impfkommission keine allgemeine Impfempfehlung aussprechen wird“.
Kritik an Bildungsministerin Anja Karliczek
Längst ist ein Streit darum entbrannt, der emotional geführt wird. Angela Gehrmann bezeichnet sich selbst nicht als Impfgegnerin. „Mein Mann ist Feuerwehrmann. Wir sind beide geimpft.“ Den Vorstoß von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU), die einen Impfplan für Schüler, als Voraussetzung für einen weitgehend normalen Schulbetrieb nach den Sommerferien fordert, empfindet sie als Erpressung. „Nur damit der Schulbetrieb laufen kann? Ich bin entsetzt!“
Im Sommer will Familie Gehrmann nach Lanzarote fliegen. „Zwei Wochen haben wir geplant. In einer Ferienwohnung.“ Sie nehme es in Kauf, dass die Kinder sich gegebenenfalls mehrmals testen lassen müssen.
Kinder vor, während und nach dem Urlaub testen?
„Ich weiß nicht, wie diese Dinge im politischen Raum diskutiert werden“, sagt Dr. Burkhard Lawrenz: „Wenn geimpfte Eltern mit ihren ungeimpften Kindern verreisen, wäre es medizinisch sinnvoll, sie vor und nach dem Urlaub testen zu lassen, je nach Urlaubsdauer auch noch einmal mittendrin.“
Zurückhaltend beim Thema Kinderimpfen ist auch Lars Twork (50) aus Schwelm. Seine Kinder sind 7, 11 und 13 Jahre alt, er und seine Frau sind geimpft, der Urlaub im Sommer geplant. „Wenn es gesicherte Erkenntnisse gibt, werden wir sie impfen lassen. Zurzeit allerdings nicht“, sagt der Zahnarzt.
Angela Gehrmann macht doch noch eine kleine Einschränkung: Ihr Sohn werde im Sommer 17. Ihm räumt sie ein Mitspracherecht ein. „Aber meine Tochter bekommt den Pieks auf keinen Fall.“
Jugendliche ab 14 können womöglich selbst über Impfung entscheiden
Mit Biontech gibt es derzeit genau einen Impfstoff, der Jugendlichen ab 16 verabreicht werden darf. Vor allem bei chronisch kranken Jugendlichen sei das sinnvoll, sagt Dr. Lawrenz. Er vermutet aber, dass viele in diesem Alter „sich impfen lassen wollen, um ihr Leben zurückzuerhalten, um Partys feiern und entsprechende Urlaube buchen zu können“. Das Einverständnis der Eltern sei nicht zwingend notwendig, wenn der Patient den Eindruck vermittelt, die Tragweite seiner Entscheidung absehen zu können. „Regelhaft ist das ab 16 der Fall, in manchen Fällen aber auch schon ab 14.“
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Würdet ihr eure Kinder impfen lassen?
„Ja! Wenn es einen verlässlichen Impfstoff für Kinder gibt. Kein Mensch hinterfragt die Impfungen gegen Pocken heutzutage. Hätten unsere Großeltern damals auch so diskutiert, wären wir wahrscheinlich schon ausgestorben!“Ute Dreisbach, Hagen.
„Mein Sohn ist 16 Jahre und will sich impfen lassen. Er entscheidet das selbst.“
Manuela Schmidt, Olpe
„Nein, man hat ja bei Astrazeneca gesehen, was alles erst im Nachhinein rausgekommen ist. Das Risiko möchte ich bei meinen Kindern nicht eingehen.“
Katharina Land, Siegen
„Jein, wir werden mit den Kindern über die Impfung und mögliche Nebenwirkung reden, dann dürfen sie selber entscheiden, ob sie die Impfung haben wollen.“
Anisha Karthaus, Menden