Siegen. Ibrahim Gürbüz und seine Familie sind als gläubige Muslime immer wieder Ressentiments ausgesetzt. Wie das kommt, wer hilft und wie er reagiert.

Ibrahim Gürbüz (26), KfZ-Meister aus Siegen:

„Wir – meine Frau und ich – kennen das schon: Es dauert immer ein bisschen länger, bis die Menschen ihre Vorsicht abgelegt haben. Unsere Nachbarschaft zum Beispiel ist richtig super, überall Deutsche, vorne, hinten, rechts, links. Dort als Kai Müller einzuziehen, ist glaube ich trotzdem leichter als wenn das Ibrahim Gürbüz tut, dessen Frau Kopftuch trägt. Die Nachbarn haben erstmal geschaut: Aha, ok, wie sind die drauf, was ­haben die für ein Umfeld, für einen Freundeskreis? Heute vergeht kaum ein Tag, an dem wir Klaus und die anderen nicht sehen und ­sprechen.

Der Vater kam 1987 aus der Türkei nach Siegen

Mein Vater ist mit 21 Jahren aus der Türkei nach Deutschland gekommen, 1987 war das. Er arbeitet heute im Einzelhandel, meine Mutter war drei, als sie herkam. Sie hat Sozialpädagogik studiert und unterrichtet als Lehrbeauftragte an der Uni. Ich bin in Siegen geboren und groß geworden, habe Fachabi gemacht und die KfZ-Meisterprüfung abgelegt. Meine Frau, geboren in Gummersbach, ebenfalls mit türkischen Wurzeln, hat Wirtschaftsrecht studiert. Wir haben einen kleinen Sohn, 15 Monate alt.

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Gerade für ihn würde ich mir wünschen, dass Muslime in Deutschland in Zukunft weniger als Fremde betrachtet würden. Nicht falsch verstehen: Es hat sich viel getan in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten. Gerade die Generation derjenigen, die heute 40 sind oder jünger, die kennen es kaum anders als dass alle Kulturen zu diesem gemeinsamen Leben hier dazugehören. Bei allen, die älter sind, macht man auch schonmal andere Erfahrungen. Auch zu mir hat man schon gesagt, dass ich dahin gehen soll, wo ich hergekommen bin. Ich war der Person nicht böse, weil ich das Gefühl hatte, dass sie wenig mit anderen Kulturen zu tun hatte.

Einladung, Fragen zu stellen über den Islam

Aber das ist es ja: Oft ist es die Unwissenheit, die der Verständigung im Wege steht. Viel zu selten spricht man mal wirklich miteinander. Wir haben von der Gemeinde aus einmal Rosen in der Stadt verteilt und sind so auf die Menschen zugegangen, haben sozusagen eine Einladung ausgesprochen, Fragen zu stellen über den Islam. Denn der wird mittlerweile leider oft in Verbindung gebracht mit Islamismus, mit den terroristischen Anschlägen, die es in der Vergangenheit gegeben hat. Der Islam wird mit etwas Schlimmem verbunden. Dabei ist er – wie jede andere Religion – dafür da, Frieden zu finden, mit sich, mit anderen.

Wir sind gläubige Muslime, wir trinken keinen Alkohol, fasten im Monat Ramadan, meine Frau trägt Kopftuch. Was für Christen der Sonntag ist, ist für Muslime der Freitag. Ich habe meinen Chef in der Werkstatt gefragt, ob ich an dem Tag immer meine Mittagspause nach hinten verlegen kann, damit ich für das Freitagsgebet in die Moschee kann. Er stimmte zu, was ich als wunderbares Zeichen des Entgegenkommens empfinde.

Kopftuchverbot für Beamtinnen? „Halte ich für falsch“

Überhaupt sind die Jungs in der Werkstatt cool, Kollegen sind Freunde geworden. Aber auch dort musste ich mich erstmal beweisen, musste zeigen, dass ich was kann und dass ich in Ordnung bin. Ibo sagen sie zu mir. Jedes Mal fragen sie zu Ramadan: Und du isst jetzt wirklich nichts? Trinken tust du auch echt nichts? Jedes Jahr die gleichen Fragen, seit vielen Jahren. Wir lachen zusammen darüber.

Unsere Generation ist deutlich aufgeklärter bei interkulturellen Fragen. Das macht es leichter. Aber es gibt auch die anderen Momente. Wenn wir als Familie auf dem Spielplatz sind, dann sehen wir die Blicke von denen, die glauben, wir würden ihre Blicke nicht sehen. Vielleicht liegt es am Kopftuch meiner Frau. Wenn wir uns dann auf Deutsch unterhalten, dann scheinen manche überrascht zu sein. Als wenn das Kopftuch ein Zeichen mangelnder Bildung wäre. Gutes Stichwort übrigens: Das von der Regierung verabschiedete Kopftuchverbot für Beamtinnen halte ich für falsch. Lehrerinnen dürfen es nicht tragen, aber wenn die Putzfrau um die Ecke biegt, ist Kopftuch ok, oder wie?

„Vorurteile gibt es nicht nur auf einer Seite“

Die Angst vor Fremdem ist ­immer noch vorhanden. ­Meine Frau und ich gehen auf alle ­Menschen zu, wir versuchen, ein ganz normaler Teil der Gesellschaft zu sein, wir versuchen uns zu integrieren, wir Muslime müssen uns ­integrieren. Aber: Die andere Seite muss es auch zulassen. Mir kann ­jeder jede Frage stellen, um ­Missverständnisse und Vorurteile auszuräumen.

Aber auch Vorurteile gibt es nicht nur auf einer Seite: Als wir damals mit den Rosen in der Innenstadt unterwegs waren, kam ein relativ junger Typ auf mich zu: muskulös, breitbeinig, Glatze. Ich dachte: oh, oh. Vor mir machte er Halt und sagte: „Ich weiß, was du denkst, aber so ist es nicht. Ich habe viele muslimische Freunde. Coole Aktion!!“ (aufgezeichnet von Daniel Berg)