Eric Steinberg (20) aus Schmallenberg ist kein Freund der Klima-Bewegung „Fridays for Future“. Wegen seiner Ansichten muss er sich rechtfertigen.
Eric Steinberg (20) aus Schmallenberg, Student:
„Grün zu denken, nachhaltig zu leben und die von Greta Thunberg ins Leben gerufene Bewegung Fridays for Future gut zu finden – das ist Mainstream geworden. Gerade für Menschen in meinem Alter. Ich merke, dass ich für meine Ansichten leicht verurteilt werde und mich dann rechtfertigen muss. Als wäre ich so eine Art Nestbeschmutzer meiner Generation.
Greta Thunberg: Die Jugend gestohlen? Das ist doch Unsinn!
Ich habe die Bewegung von Beginn an mitverfolgt – und war schon sehr früh sehr kritisch. Viele von denen, die mit auf die Straße gegangen sind, schwimmen meiner Meinung nach einfach nur mit. Und sie propagieren einfache Lösungen für komplexe Probleme. Dass Greta Thunberg sagt, man habe ihr die Jugend gestohlen, und dass andere Jugendliche das nachplappern, halte ich für absoluten Unsinn. Unserer Generation geht es dank des exorbitanten Wohlstands so gut wie kaum einer zuvor. Zudem stört mich, dass einige aus dieser Bewegung das Gefühl haben, die Wahrheit gepachtet zu haben und im Sinne einer großen Sache zu handeln, der alles sofort unterzuordnen ist. Dadurch wird gesellschaftlicher Austausch verhindert.
Nicht falsch verstehen: Die Bewegung hat auch Argumente. Den menschengemachten Klimawandel kann man nicht wegdiskutieren. Wer das anders sieht, der begibt sich auf das Niveau der Klimawandelleugner und von denen bin ich meilenweit entfernt. Wir Menschen müssen handeln, müssen auf die Umwelt achtgeben, müssen unser Leben verändern. Aber das geht nur Hand in Hand mit einer klugen Wirtschaftspolitik, mit einer Technologieoffenheit. Stoppen, verbieten, reglementieren allein sind keine Lösungsansätze.
Erzählungen von der Apokalypse als Basis für eine radikale Politik
Das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ hat auf seinem Titelbild schon vor 35 Jahren den Kölner Dom unter Wasser abgebildet. Diese Erzählungen von der Apokalypse sind nicht ganz neu – und nun werden diese Szenarien als Drohkulisse für eine radikale Politik aufgebaut. Viele sagen mir: Du musst aber doch an deine Zukunft denken. Jetzt ist die letzte Chance! Aber ich denke ja an meine Zukunft, nur in anderen Lösungen.
Ich studiere im vierten Semester in Gelsenkirchen Journalismus und PR – und ich lebe auf dem Land bei Schmallenberg im Sauerland. Das sind bei dem Thema zwei unterschiedliche Welten. Mein Studiengang ist stark links-grün geprägt, da bin ich der mit den abseitigen Ansichten. Hier im Sauerland bekomme ich viel Zuspruch. Ich würde mich als konservativ liberal beschreiben. Das heißt für mich, die Bestandteile unserer Gesellschaft erhalten zu wollen, die sich über Generationen bewährt haben. Dazu gehört auch, Verfechter unserer sozialen Marktwirtschaft zu sein. Ich glaube, dass Deutschland ein Land ist, das Technologien entwickeln kann, die dem Klimawandel entgegenwirken. Die Wirtschaft braucht mehr Vertrauen.
Abschied von einer Lebensweise, wie wir sie kennen
Die Region, in der ich lebe, und meine Familie haben mich natürlich stark geprägt. Ich bin sehr heimatverbunden, obwohl ich nicht weiß, ob ich immer hierbleiben werde. Dieser Unterschied zwischen Stadt und Land bei der Frage nach einer ökologischeren Politik rührt auch daher, dass den Menschen auf dem Land meist bewusster ist, was eine radikal veränderte Politik konkret bedeuten würde: Den Abschied von der Lebensweise, wie wir sie kennen. Viele von denen, die in der Stadt wohnen und aus gutbürgerlichen Verhältnisse kommen, sind oft die, die bei den Friday for Future-Demonstrationen mitlaufen und sich das alles leisten können.
Ich bin niemand, der mal ein dickes Auto fahren will. Ich würde aber auch niemanden verurteilen, der einen SUV hat oder einen Diesel – oder gar beides. Das liegt daran, dass ich ein Problem damit habe, den Leuten vorschreiben zu wollen, wie sie ihr Leben zu leben haben. Wenn einer für ein Party-Wochenende nach Mallorca fliegt – bitte, warum denn nicht? Wenn einer minimalistisch lebt und auf Nachhaltigkeit achtet – auch in Ordnung. Leben und leben lassen. Darum geht es doch.
Demokratie lebt vom Konsens, aber im Moment habe ich den Eindruck, dass sich die Fronten zwischen den politischen Lagern immer weiter verhärten. Einander zuzuhören ist eine Form des Respekts, die ich mehr und mehr vermisse.“ (aufgeschrieben von Daniel Berg)
<<< SERIE: MEIN LEBEN >>>
-> Die Serie „Mein Leben“ befasst sich in mehreren Serienteilen mit Menschen, die sich rechtfertigen müssen, weil sie sich für einen bestimmten Lebensentwurf entschieden haben, der nicht der Norm entspricht, weil sie Meinungen vertreten, an denen sich andere reiben, weil sie in ein Leben hineingeboren wurden, das ihnen Vorurteile und Diskriminierungen beschert.
-> Die Serie soll die Vielfalt in der Region beleuchten und die Frage aufwerfen, wie tolerant und offen der Umgang miteinander eigentlich ist? Wie respektvoll der Austausch erfolgt? Wie Hindernisse ausgeräumt werden können?
-> In den ersten Folgen berichteten uns eine homosexuelle Frau, ein Autist und ein Klimaaktivist aus ihrem Leben.