Hagen. In Soest und Lippstadt öffnet die Außengastronomie. Andere Modellprojekte könnten von weiter rückläufigen Inzidenzen überrollt werden.

Winterbergs Bürgermeister Michael Beckmann hat am Wochenende aufmerksam die Bilder von der Nordseeinsel Sylt und von der Lübecker Bucht verfolgt. „Ich war schon überrascht, wie es dort zuging“, sagt der Hochsauerländer mit Blick auf die Menschenmassen an den Stränden der Tourismus-Modellregionen im Norden.

Dort können Gäste unter strengen Corona-Schutzauflagen wieder ihren Urlaub verbringen. Michael Beckmann hat schon ein wenig neidisch nach Westerland und Timmendorfer Strand geschaut: „Natürlich malt man sich aus, wie es insbesondere am vergangenen Sonntag bei schönstem Wetter bei uns hätte sein können.“

Modellprojekt im Bereich Tourismus und Outdoor-Aktivitäten

Doch für die Tourismus-Hochburg Winterberg ist ein Öffnungs-Szenario derzeit noch Zukunftsmusik. Vor mehr als einem Monat wurde die Stadt rund um den Kahlen Asten zwar zusammen mit den HSK-Kommunen Schmallenberg, Hallenberg, Eslohe und Medebach vom Land zur Modellregion ernannt

Am 26. April sollte das digitale Modellprojekt im Bereich Tourismus und Outdoor-Aktivitäten starten. Weil die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner bislang nicht wie vorgeschrieben die magische Zahl 100 unterschritten hat, steht der Start in den Sternen.

Die 100 rückt immer näher

Jetzt geht die Inzidenz aber tatsächlich merklich zurück. Lag sie am Montag im Hochsauerlandkreis bei 133,2, meldete das Robert-Koch-Institut am Dienstag einen Wert von 115,5. Die 100 rückt immer näher.

Und doch: Werden Modellprojekte im Land womöglich von einem weiteren Inzidenz-Erfolg überrollt? Werden zum Beispiel die Winterberger Pläne beerdigt, bevor sie überhaupt getauft werden?

Weiter in Gesprächen mit dem Land

„Wir führen nach wie vor Gespräche mit den anderen Bürgermeistern, den Tourismus-Verantwortlichen und dem Land und feilen an dem Konzept“, sagt Michael Beckmann. „Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren“, heißt es aus dem NRW-Wirtschaftsministerium, das das Programm „Digitale Modellprojekte“ im vergangenen Monat mit großem Brimborium ausgerufen hatte.

Doch der öffentliche Druck nach Lockerungen könnte die ambitionierten Modellvorhaben in Kommunen mit einem Inzidenzwert von unter 100 überholen, bevor diese Fahrt aufnehmen. Zumal Kreise und kreisfreie Städte mit einem nachhaltigen Wert von unter 50 ohnehin im Einvernehmen mit dem NRW-Gesundheitsministerium Lockerungen der Schutzmaßnahmen beschließen können. Im Landkreis Siegen-Wittgenstein lag die Inzidenz am Dienstag bereits bei 83.

Außengastronomie öffnet wieder

Beispiel Soest und Lippstadt: In den beiden Modellkommunen im Kreis Soest darf ab Mittwoch, 12. Mai, wieder die Außengastronomie öffnen. Unter strengen Auflagen: Gäste müssen vorher einen Platz im Biergarten oder im Außenbereich eines Restaurants und Cafés reservieren und einen negativen Corona-Schnelltest vorlegen, der nicht älter als 24 Stunden ist. Kurz vor dem Start hat NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) wissen lassen, dass er zu Pfingsten – also eineinhalb Wochen später - die Öffnung der Außengastronomie im ganzen Land in Kommunen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von unter 100 befürwortet.

Blick nach Bayern

Beispiel Winterberg: In der Pandemie wurde manche Maßnahme, die ihren Ursprung in Bayern hatte, im zeitlichen Abstand auf andere Bundesländer übertragen. In bayerischen Orten mit einer Inzidenz von unter 100 dürfen Pfingsten wieder Hotels und Ferienwohnungen öffnen. „Das gibt uns Hoffnung in Richtung Sommer“, sagt Winterbergs Bürgermeister Beckmann, „wir brauchen jetzt entsprechende Signale vom Land NRW.“ Was ist, wenn das Land bei einer erfreulichen Entwicklung der Infektionslage in kürze nachzieht und Hotelöffnungen erlaubt? Dann hätte sich ein Modellprojekt im HSK überlebt.

Modellprojekt in Siegen ruht

Beispiel Ahaus und Siegen: Die Stadt Ahaus im Münsterland hat soeben ihr Modellprojekt für Corona-Lockerungen abgesagt. Die komplette Innenstadt mit Einzelhandel und Gastronomie sollte als umgrenzte Zone ausgeflaggt werden. Eine App sollte die Besucher mit einem negativen Testergebnis überwachen. Die Stadt zog sich auch aus dem Projekt zurück, „weil die angedachten Freiheiten vom Land mit dem Hinweis auf die Einhaltung infektiologischer Gesichtspunkte weitestgehend eingestampft wurden“. Und auch die Universitätsstadt Siegen, die Bäder im Modellprojekt #digitalvscorona kontrolliert öffnen wollte, ist ausgestiegen. Maßgeblich für diese Entscheidung, so das NRW-Wirtschaftsministerium, „waren insbesondere verschiedene Standpunkte bezüglich des Einsatzes der digitalen Komponenten.“

Digitale Eintrittskarte in Elspe

Dem Wirtschaftsministerium zufolge wird dagegen das Modellprojekt „Elspe Festival“ der Stadt Lennestadt weiterverfolgt. Die Karl-May-Festspiele sollen pandemiesicher durchgeführt werden und wichtige Hinweise für mögliche künftige Großveranstaltungen im Land geben. Ein Transponder mit einem Computerchip, der die persönlichen Daten aus der Buchung enthält, dient als digitale Eintrittskarte. Doch wann er zum Einsatz kommen kann, ist derzeit völlig offen. Am Dienstag lag die Inzidenz im Kreis Olpe bei einem satten Wert von 185,9.

In der bislang verhinderten Modellkommune Winterberg hat man nicht unerheblich in die Digital- und Teststrategie nicht investiert. „Sollte unser Modellprojekt am Ende doch nicht starten, waren die Planungen aber nicht umsonst“, sagt Bürgermeister Beckmann. „„Wir haben beispielsweise die Testkapazitäten ausgebaut: Gibt es irgendwann grünes Licht für den Re-Start des Tourismus, können wir sofort von der derzeit benötigten einen Teststraße auf drei wechseln.“