Hagen/Meschede. Die Skepsis der Bürger gegen den Impfstoff Astrazeneca ist auch in Südwestfalen weit verbreitet. Viele Impfdosen werden nicht abgerufen.
Natürlich habe sie sich Gedanken gemacht. Man hört ja so viel in den Medien, sagt Maria Schöttler (28). Es geht um die derzeit verfügbaren Impfstoffe und die Frage, welcher der beste ist. Oder wenigstens nicht der schlechteste. „Aber für mich stand fest, dass ich es mache, egal welcher Impfstoff für mich bereit liegt“, sagt die Mitarbeiterin einer Hausarzt-Praxis in Meschede. Vor einigen Tagen entschied sie sich wie ihre Kolleginnen, das Angebot zur Verabreichung von Astrazeneca anzunehmen. Nebenwirkungen? Unterschiedlich stark.
Das Image des britisch-schwedischen Vakzins, das nach Biontech das zweite auf dem Markt war, hat in den zurückliegenden Tagen stark gelitten. Die Impfreaktionen seien angeblich stark und der Schutz weniger gut ausgeprägt. Das führt auch in Südwestfalen mancherorts zu erhöhter Skepsis.
Astrazeneca: Hälfte der möglichen Impfdosen vom Kreis Olpe nicht abgerufen
Die Impfungen mit Astrazeneca starteten am 11. Februar. Der Kreis Olpe hat seitdem 1940 Impfdosen vom Land NRW zugeteilt bekommen, etwa die Hälfte davon hat er bedarfsgerecht abgerufen. 36 Prozent der gebuchten Termine seien „nicht wahrgenommen worden“, teilt der Kreis auf Nachfrage der Redaktion mit. Die Gründe dafür seien „nicht bekannt“. Die Impfquote bei Biontech liege bei 100 Prozent.
Ähnliches Bild im Ennepe-Ruhr-Kreis. 2700 Dosen hätten bislang zur Verfügung gestanden, 1760 sind erst verimpft worden. Allein beim Blick auf zwei Tage der vergangenen Woche werde die Skepsis der Bürger sichtbar: Von den insgesamt 239 zur Impfung angemeldeten Personen stornierten 17 bereits im Vorfeld ihren Termin, weitere 32 erschienen nicht. Ein Fünftel.
„Verkürzte Debatten“ haben Einfluss auf Akzeptanz im EN-Kreis
„Wir bedauern dies ausdrücklich. Aber leider gehen die doch häufig verkürzten Debatten über Wirksamkeit und Nebenwirkungen nicht spurlos an der Akzeptanz vorbei“, sagt Dr. Christian Füllers, ärztlicher Leiter des Impfzentrums des Ennepe-Ruhr-Kreises: „Hier wäre es ratsam, wenn sich alle, die jetzt für sich vom Schutz durch Astrazeneca profitieren könnten, umfassend informieren würden.“
Im Klartext: Es liegt in der Region Impfstoff bereit, der zumindest noch nicht an den Mann oder die Frau zu bringen ist. Menschen, die sich lieber heute als morgen egal womit impfen lassen würden, aber noch nicht an der Reihe sind, empfinden diese Vorstellung vermutlich als schwer erträglich.
Für übrig bleibende Impfdosen führt der Kreis Olpe, wie alle anderen Städte und Kreise auch, Nachrückerlisten, die sich in der Reihenfolge an der Impfverordnung des Bundes orientieren. Die dort geführten Personen werden angerufen und müssen innerhalb von 30 Minuten im Impfzentrum erscheinen. „Nach diesem System musste bisher keine Impfdose verworfen werden“, heißt es vom Kreis Olpe. Im Kreis Siegen-Wittgenstein sind 1600 der 2000 möglichen Dosen abgerufen worden.
Hagen und Kreis Soest: Mehr Impfwünsche als Impfdosen
Völlig anders ist die Lage zum Beispiel in der Großstadt Hagen. Täglich stehen 200 Impfdosen Astrazeneca zur Verfügung. Diese seien in den zurückliegenden beiden Wochen vollständig aufgebraucht worden und dies werde auch in dieser Woche vermutlich wieder so sein. Es gäbe derzeit „mehr Anmeldungen für den Astrazeneca-Impfstoff als verfügbare Impfdosen, daher gibt es eine Warteliste, die nach Datum der Anfragen abgearbeitet wird“. Auch der Kreis Soest meldet: „Im Moment gibt es mehr Impfwünsche als Impfdosen.“ Im Hochsauerlandkreis und im Märkischen Kreis wird Astrazeneca ohne Auffälligkeiten angenommen.
Maria Schöttler, die Mitarbeiterin der Hausarztpraxis in Meschede, hat die Impfung keine Sekunde bereut. Die Praxis von Dr. Gisbert Breuckmann ist seit Beginn der Pandemie Corona-Schwerpunktpraxis. Zuletzt impfte Breuckmann einen mobilen Pflegedienst in einer eigens aufgebauten Impfstraße. Zusammen mit seinen Mitarbeitern waren das 80 Personen, zwei nur, sagt er, wären am nächsten Tag wegen Schüttelfrost oder Unwohlsein dienstunfähig gewesen. Der Impfstoff sei viel besser als sein Ruf, sagt Breuckmann. „Es ist absolut sinnvoll, ihn anzuwenden. Mit Astrazeneca sind schwere Verläufe so gut wie ausgeschlossen“, sagt er: „Es ist erstaunlich, dass wir uns den Luxus leisten, zu sagen, den oder den Impfstoff will ich nicht.“
Maria Schöttler erschien am Tag nach der Impfung zur Arbeit. „Bis auf das Gefühl eines leichten Muskelkaters“, sagt sie, „habe ich nichts gespürt.“