Paderborn/Hagen. Jugendliche werden in der Corona-Zeit auf ihre Rolle als Schüler reduziert. Sie werden nicht gehört. So lautet das Ergebnis der 2. JuCo-Studie.


„Was viele Jugendliche abfuckt ist, dass man überhaupt nicht gehört wird. Die Tagesschau spricht über Schüler, jedoch werden nur die Meinungen von Erwachsenen gezeigt, aber nicht von denjenigen, die es überhaupt betrifft.“

Wenn er solche Aussagen liest, dann schrillen bei Jan Hilkenbach alle Alarmglocken. Der Briloner ist Vorsitzender des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Erzbistum Paderborn und beobachtet, dass die Politik in der Coronakrise Kinder und Jugendliche darauf reduziert, dass sie beschult und betreut werden müssen. „Es wird viel über Kinder und Jugendliche gesprochen, aber meistens nur im Kontext von Schule und Betreuung“, sagt er. „Wir haben nicht den Eindruck, dass junge Menschen mit ihren Wünschen, Sorgen und Bedürfnissen in der Corona-Krise gehört werden.“

Ohnmachtsgefühle

Mehrere Studien untersuchen die Situation von Kindern und Jugendlichen unter Coronabedingungen, eine

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davon, die bundesweite JuCo-Studie, lässt aufhorchen. Denn der Forschungsverbund „Kindheit - Jugend - Familie in der Corona-Zeit“ hat bereits die zweite Befragung gestartet. Das Ergebnis lautet: Kinder und junge Erwachsene blicken mit Sorgen in die Zukunft, vor allem jene, die derzeit an einer Lebenswende wie Schulabschluss oder Examen stehen. Sie sind einsam, denn sie haben alle Bezugsgruppen und außerschulischen Räume verloren. Und sie fühlen sich von den Entscheidern nicht gehört. Ihre Beteiligung an Entscheidungsprozessen ist nicht vorgesehen.

„Kinder und Jugendliche sind meistens vielfältig unterwegs: Familie, Freunde, Jugendverbände, Vereine, Jugendzentren und Schule – Corona schränkt alle Lebensbereiche gleichzeitig ein und das hat Folgen“, konstatiert Jan Hilkenbach. Die widersprüchlichen Entscheidungen der Politik, zum Beispiel zum Präsenzunterricht in den Schulen, führen zu Ohnmachtsgefühlen.

Man spricht über junge Menschen und nicht mit ihnen

Jan Hilkenbach aus Brilon, Vorsitzender BDKJ-Diözesanverband Paderborn
Jan Hilkenbach aus Brilon, Vorsitzender BDKJ-Diözesanverband Paderborn © Nadine Eckmann | Nadine Eckmann/BDKJ-Diözesanverband Paderborn

Hilkenbach kritisiert: „In der Pandemie, aber auch schon davor wird häufig über junge Menschen gesprochen, aber viel zu selten mit ihnen. Das ist absurd, denn sie sind die echten Experten für ihre Lebenswelt.“ Ein weiteres Problem ist aus seiner Sicht die mangelhafte Digitalisierung an den Schulen. Ohne die privaten Smartphones und Tablets könnte der Online-Unterricht kaum realisiert werden. „Die Kinder, die diese Geräte nicht haben, werden noch weiter abgehängt. Das macht uns große Sorgen, denn um die Chancengerechtigkeit war es im Bildungssystem schon vor Corona schlecht bestellt. Die Bemühungen der Politik kommen zu spät.“

Besonders betroffen sind junge Menschen, die in den Familien kaum Rückhalt erfahren oder im Lockdown sogar einer deutlich größeren Gefahr von häuslicher Gewalt ausgesetzt sind.

Gesellschaft gestalten

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Die junge Generation will sich engagieren und die Gesellschaft mitgestalten, das erlebt Hilkenbach in der Jugendverbandsarbeit deutlich. Das zeigt seiner Meinung nach beispielhaft der Einsatz von jungen Menschen gegen die fast schon wieder in Vergessenheit geratene Klimakrise. „Nachhaltigkeit und Klimaschutz wurden noch vor wenigen Jahren nicht unbedingt mit jungen Menschen verbunden. Ohne die Einwirkung von Älteren hat sich aber etwas verändert. Entstanden ist eine Bewegung, die von jungen Menschen initiiert, getragen und organisiert wird.“ In der Klimadiskussion haben Jugendliche erfahren, dass sie sich in der Demokratie durchaus Gehör verschaffen können. Sie haben die Klimakrise wieder auf die Tagesordnung gesetzt. „Und dann kommt der Tiefschlag in der Coronazeit, wo sie ihre Freiheiten nicht mehr leben können und neue Erfahrungen ausbleiben.“

Der BDKJ fordert neue Formate, wo Kinder und Jugendliche mit ihren Anliegen und Sorgen angesichts von Corona gehört werden. „Junge Menschen haben derzeit viele Sorgen. Sie haben Angst, dass sich Angehörige und besonders die Großeltern anstecken können, dass den Eltern der Verlust des Arbeitsplatzes droht. Und sie haben Angst um ihre Wünsche und die eigene berufliche Zukunft. Die Kanäle, wo ich das alles verarbeiten kann, zum Beispiel die Begegnungen im Jugendverband oder im Jugendzentrum, die fallen zusätzlich weg.“

Eine Krise ist wie ein Brennglas

Hilkenbach stellt fest: „Eine Krise ist ja immer wie ein Brennglas. Was wir jetzt sehen, beobachten wir Jugendverbände seit vielen Jahren: Jugendliche kommen in der Debatte vor, wenn es um Bildungs- oder Familienpolitik geht, aber dann ist auch Schluss.“

Auch die 2. JuCo-Studie kommt zu einem vernichtenden Urteil, was die Teilhabe betrifft: „Es kann nicht sein, dass Jugendliche darauf warten müssen, einen sozialwissenschaftlichen Fragebogen zu erhalten. Möglichkeiten einer breiten Jugendbeteiligung müssen darum gerade jetzt auf den unterschiedlichen Ebenen gestärkt werden.“