Hagen. Wer in diesen Regentagen gerne mal raus will, überlegt sich das wohl zweimal. Dabei hat das Nass auch reichlich gute Seiten.
Der Himmel ist grau, die dicken Wolken erscheinen schwer, seit Tagen fällt der Regen ergiebig. Wer derzeit mal raus will – auch, weil ihm die Corona-Decke auf den Kopf fällt – überlegt sich das wahrscheinlich zweimal.
Dabei kann der Regen ja auch gut sein. Von manchen wird er sogar dringend erwartet. Fünf Sichtweisen auf das störende, prächtige, überlebenswichtige Nass, das längst noch nicht in ausreichendem Maße gefallen ist. So ist die Lage...
…für den Boden
„Es gibt da ein Problem“, sagt Michael Blaschke, Pressesprecher bei Wald und Holz NRW. Ausgerechnet jetzt nütze der Regen nicht allzu viel: „Denn es herrscht Winterruhe.“ Die Pflanzen benötigten im Moment nur wenig Wasser. Dass die oberen Bodenschichten aktuell gut damit versorgt seien, bringe deshalb nur bedingt etwas. Weniger für tiefwurzelnde Bäume, durchaus aber etwas für Felder und Äcker. Doch nur, wenn der kräftige Regen in den nächsten Wochen anhalte, könnte sich die Situation des Waldes insgesamt verbessern. Der Niederschlag sei zwar wunderbar, sagt Blaschke. Er müsse aber vor allem die Reserven in den tiefen Bodenschichten wieder auffüllen. Die seien wegen der anhaltend trockenen Sommer nämlich noch immer angeschlagen. Das zeigt auch der Dürremonitor des Zentrums für Umweltforschung: Die Böden in der Region sind demnach nicht nur trocken, es herrscht gebietsweise sogar extreme bis außergewöhnliche Dürre. Das hänge auch an den lokalen Gegebenheiten, weiß Blaschke: Durch Sandboden sinke das Wasser zum Beispiel schneller als durch dicken Lehmboden.
…für den Ackerbau
Schön sanft sei der Regen. Nicht zu kräftig, sodass er oberflächlich gar wieder ablaufen würde. „Nein, die Feldflur genießt es, den Regen jetzt aufsaugen zu können“, sagt Jürgen Henkelmann. Der Landwirt sei froh über jeden Tropfen, den seine Böden abbekommen. Er betreibt Ackerbau im Kreis Soest, die Flächen reichen vom Haarstrang bis zur Soester Börde. Dort baut er unter anderem Gerste, Weizen, Mais und Zuckerrüben an. Noch seien die Pflanzen nicht so groß, die Wurzeln nicht so tief. „Sie freuen sich jetzt sehr über den Regen“, weiß Henkelmann. Doch schon bald reiche die oberflächliche Nässe nicht mehr aus: „Wenn das Getreide höher gewachsen ist, braucht es viel Feuchtigkeit. Und Zuckerrüben sind zum Beispiel Tiefwurzler – sie brauchen Reserven aus der Tiefe, um die Trockenphasen im Sommer zu überstehen.“ Doch dort sei es noch immer viel zu trocken. „Wir haben durch die vergangenen Jahre ein riesiges Defizit, das ist nicht in zwei Wochen aufgefüllt“, sagt der Landwirt.
…im Hochwassergebiet
Der Wettervorhersage lauscht Ulrike Betzel in diesen Tagen besonders aufmerksam: „Und bei ,ergiebigen Regenfällen‘ werde ich dann auch mal unruhig“, sagt sie. Aus gutem Grund: Ulrike Betzel lebt in Altena, betreibt ein Juweliergeschäft direkt am Lenneufer, das nach längeren Regenphasen immer mal wieder von Hochwasser betroffen ist. Wenn der Pegel der Lenne steigt, ist schnell der gesamte angrenzende Straßenbereich überflutet. „Das sind jetzt die kritischen Monate“, sagt Betzel. Doch nicht nur den Himmel betrachte sie deshalb aufmerksam: „Wenn das Wasser der Lenne nicht mehr grün, sondern braun aussieht, wird es eng. Dann weiß ich: Sie rauscht schnell, bringt viel Erde mit, da passiert was.“ Aber nein, Sorgen mache sie sich nicht: „Bei einem Pegel von 2,5 Metern wird die Straße gesperrt, bei 3 Metern hole ich vorsorglich die Platten raus und nagle die Bretter ans Fenster.“ Dass Wasser auch tatsächlich ins Haus gelangt, sei aber schon seit Jahren nicht mehr vorgekommen.
…im Wald
Bis Mai dürfte es ruhig so weiterregnen, sagt Ferdinand Funke. „Das sehen die meisten Leute wahrscheinlich anders, wenn es darum geht, mal raus zu kommen.“ Doch der Waldbauer aus Finnentrop verbindet mit dem Regen eine Menge Hoffnung: Hoffnung, dass seine Bäume dieses Jahr vielleicht für einen erneut trockenen Sommer gewappnet sein könnten. Und der Borkenkäfer bis dahin gar nicht erst überleben wird: jedenfalls ein großer Teil seiner Population. „Das wäre wirklich gut“, findet er. Das nasse, wechselhafte Wetter könnte dabei helfen: „Dadurch bildet sich ein Pilz im Boden, der dem Borkenkäfer den Garaus macht. Auch die Lebensfunktion der Larven wird dadurch zerstört“, sagt Funke. Große Flächen seines Waldes mussten wegen des Käferbefalls bereits abgeholzt werden. Laubholz und andere Baumarten pflanzt er dort nun wieder an – „auch dafür ist der Regen gut“. Von dem brauche es aber noch reichlich, weiß der Waldbauer. „Ansonsten ist die Gefahr groß, dass der Boden wieder austrocknet – wenn von unten nicht genug nachkommt.“
…die Talsperren
An so manchem Uferrand ist es deutlich zu erkennen: In vielen Talsperren ist noch reichlich Platz. „Es fehlt noch eine ganze Menge, um den Rückstand der letzten Jahre auszugleichen“, erklärt Markus Rüdel, Pressesprecher des Ruhrverbandes. Überdurchschnittlich viel müsse es dafür in den nächsten Wochen regnen. Doch die Lage in der Region sei differenziert: Die südlichen Talsperren wie die Bigge-, Verse- und Ennepetalsperre stünden recht gut da. Dagegen seien es besonders die nördliche Möhne-, Henne und Sorpetalsperre, die noch eine Menge Wasser vertragen könnten. Teilweise seien die nur zu rund 60 bis 70 Prozent gefüllt, die südlichen Talsperren dagegen zu 70 bis 90 Prozent. „Das liegt auch an der Gebirgsstruktur“, sagt Rüdel. Dadurch regne es im Süden häufiger. Vor allem aber würden die nördlichen Talsperren hinsichtlich der Wasserentnahme mehr beansprucht als die südlichen. „Es gibt bereits Planungen, das in Zukunft zu ändern, um die nördlichen Talsperren mehr zu schonen.“ Auf die Wasserversorgung habe all das aber bislang keine Auswirkungen, die sei nach wie vor sichergestellt.
Warnung vor matschigen Talsperrenufern
Spaziergänger sollten Uferbereiche der Talsperren meiden, warnt der Ruhrverband. Weil in den Talsperren teilweise sehr wenig Wasser ist, liegen seit längerer Zeit größere Außenbereiche trocken, teilweise sind sie mehrere Meter breit. Die Gefahr: Durch Regen und Schnee sei der Untergrund extrem aufgeweicht und nicht mehr so tragfähig. Dadurch bestehe die Gefahr, dass Spaziergänger im Matsch einsinken und steckenbleiben. Eine Befreiung aus eigener Kraft sei dann oft nicht mehr möglich.