Lüdenscheid/Siegen/Hagen. Die Kapazitätsgrenzen bei Corona-Tests sind erreicht: Das RKI meldet Rückstau und Lieferengpässe. Ein Labor-Chef aus Lüdenscheid berichtet.
Die Meldung überrascht nicht, beunruhigt aber: Das Robert-Koch-Institut (RKI) teilte am Donnerstag mit, dass viele Labore in Deutschland mit der Auswertung der Corona-Tests überlastet seien. Für die vergangene Woche habe der Rückstau laut RKI bei rund 100.000 gelegen. Zwei Wochen zuvor betrug die Zahl nur ein Fünftel dessen. Wie die Lage in den Laboren ist, wie die Krankenhäuser vorbereitet sind und welche Notfallpläne bereit liegen:
Die Labore
„Wir haben schon jetzt unsere Leistungsgrenze überschritten und nur durch den bewundernswerten Einsatz unserer Mitarbeiter kann der Betrieb überhaupt noch aufrecht erhalten werden“, berichtet Dr. Hans Günther Wahl, Leiter des Labors Wahl in Lüdenscheid mit einer Außenstelle in Hagen. Die Auslastung in Lüdenscheid? „Über 100 Prozent“, sagt er, etwas weniger in Hagen. Gearbeitet wird in Lüdenscheid im Schichtsystem von 7 bis 24 Uhr, „in Notfällen auch länger“, sagt Wahl.
Nur so sei die zeitnahe Bearbeitung der Fälle überhaupt möglich. „Wir arbeiten bis auf ganz wenige Ausnahmen immer noch alle Proben innerhalb von 24 Stunden ab“, sagt der Laborleiter. Im Schnitt sei man aber drei Stunden langsamer als im Frühjahr – und das obwohl das Personal aufgestockt und in teure Maschinen (rund 100.000 Euro) zur Automatisierung der Vorgänge investiert wurde.
Das größte Problem in dem gesamten Prozess sei aber „die Übermittlung der fertigen Ergebnisse an die Patienten. Die Digitalisierung ist in Deutschland immer noch nicht so weit, wie man es sich in dieser Situation wünschen würde“, sagt Wahl. Die Positiv-Quote habe sich von neun Prozent im Frühjahr, über ein Prozent im Sommer zu nun rund zehn Prozent entwickelt.
Auch die Nachrüstung falle derzeit schwer. „Es gibt Lieferschwierigkeiten bei allem: Reagenzien, Geräte, Verbrauchsmaterialien. Es fehlt einfach an allem“, sagt Wahl. Es erfordere gute, umsichtige Organisation, viele Telefonate und gute Geschäftsbeziehungen, um dennoch Materialien zu bekommen.
Der Notfallplan
Nicht nur in den Laboren sind Kapazitäten begrenzt, sondern auch in Krankenhäusern. Aus Sorge vor nicht ausreichenden Betten-Kapazitäten wird in Dortmund darüber nachgedacht, in den Westfalenhallen ein Behelfskrankenhaus für Corona-Infizierte in Betrieb zu nehmen. Durch das derzeitige Veranstaltungsverbot ist das Gelände der Westfalenhallen ungenutzt.
Der Leiter des Gesundheitsamtes, Frank Renken, befürchtet allerdings Schwierigkeiten, genügend Personal für eine solche Einrichtung zu finden. Der Markt für Ärzte und Pflegekräfte sei wie leer gefegt, so der Amtschef. Renken brachte daher öffentlich Ruheständler und Mitarbeiter von Wohlfahrtsorganisationen als Personal in Behelfskrankenhäusern ins Spiel.
Aber auch andernorts in Nordrhein-Westfalen haben die weiter steigenden Infektionszahlen Auswirkungen auf den Klinikbetrieb. So nimmt das St.-Marien-Hospital in Lünen (Kreis Unna) keine Corona-Patienten mehr auf. Der Grund: Die personellen Kapazitäten seien ausgereizt, hieß es von Seiten des Krankenhauses. Notfälle würden fortan auf Kliniken im Umkreis verteilt.
Die Universitätsklinik in Düsseldorf verschiebt derzeit planbare Operationen und nimmt zunächst bis Sonntag nur noch Notfallpatienten stationär auf. Die Lage sei derzeit keinesfalls besorgniserregend, betonte ein Sprecher, man wolle mit der Maßnahme lediglich Spielraum bei den Betten-Kapazitäten schaffen.
Die Krankenhäuser der Region
In Südwestfalen ist die Lage dagegen (noch) entspannter. Beispiel: Kreisklinikum Siegen. Dorthin werden alle behandlungsbedürftigen Corona-Infizierten aus dem Kreis Siegen-Wittgenstein eingeliefert. 17 Covid-19-Patienten befinden sich derzeit in Behandlung, vier davon liegen auf der Intensivstation, von denen wiederum zwei beatmet werden müssen. Alter der Patienten: 46 bis 65 Jahre.
„Wir verfügen noch über ausreichend Kapazitäten auf der Intensivstation. Wir haben insgesamt 20 Intensivbetten. Prognostisch können wir 22 weitere Intensivbetten im Bedarfsfall umgehend aufbauen“, heißt es von der Klinik. Von den derzeit 20 Intensivbetten seien 16 mit einem Beatmungsgerät ausgestattet. 14 weitere Betten mit einem Beatmungsgerät könnten geschaffen werden.
Einschränkungen auf den Regelbetrieb gebe es aktuell keine. „Der Krankenhausbetrieb läuft bei uns derzeit regulär. Auch planbare Operationen werden nicht verschoben, da wir genügend Kapazitäten haben“, meldet die Klinik. „Sollte der Fall eintreten, dass die Zahl an infizierten Personen in unserer Region weiter ansteigt, sind wir jederzeit in der Lage unseren Krankenhausbetrieb darauf einzustellen. So könnten im Bedarfsfall wieder planbare Eingriffe verschoben werden und Abteilungen geschlossen werden, um das verfügbare Personal dann auf Corona-Stationen und im intensivmedizinischen Bereich einzusetzen.“
Ähnlich ist die Lage im Allgemeinen Krankenhaus in Hagen, wo man „in den vergangenen Wochen eine Zunahme der an Covid-19 erkrankten Patientinnen und Patienten“ zu verzeichnen hat. Allerdings sei die Zunahme moderat, „sodass wir noch auf Kapazitäten zurückgreifen können“, wie es von der Klinik heißt. Auch dort ist derzeit nicht daran gedacht, Operationen zu verschieben – zumindest nicht von Seiten des Krankenhauses. „Wir beobachten erste Absagen beziehungsweise Verschiebungen von Operationsterminen seitens der Patientinnen und Patienten, obwohl die aktuelle Situation kein Grund dafür ist, notwendige Behandlungen oder Operationen zu verschieben“, teilt Sprecherin Maren Esser mit.