Winterberg. Für die Ski-Saison im Sauerland gibt es jetzt ein Konzept. Was das für Skischulen, -verleiher, Après-Ski-Bars und Liftbetreiber heißt.
Blechern fallen die Türen des weißen Lieferwagens ins Schloss. Das Geräusch unterbricht die Stille auf der Postwiese nur kurz. Die Handwerker sind fertig mit der Arbeit. Drinnen in dem kleinen Holzhäuschen, in dem im Winter die Anmeldungen für die Skischule entgegengenommen werden, haben sie die Theke vermessen. Trennwände aus Plexiglas sollen aufgestellt werden. Zumindest das ist schon mal auf den Weg gebracht.
1000 Fragen im Sauerland vor dem Corona-Winter
„Beim Blick auf den Winter haben wir aber noch 1000 Fragen“, sagt Martina Flasche und atmet den Qualm ihrer Zigarette in den kühlen Wind. Sie steht mit ihrem Mann Ulrich und ihrem Sohn Fabian vor der Tür der gemeinsamen Skischule, einen Skiverleih ein paar Meter weiter haben sie auch. Und damit: viele Ungewissheiten.
Die Postwiese ist ein Hang in Neuastenberg, einem der kleineren der 29 Skigebiete in der Wintersportarena Sauerland rund um Winterberg und Willingen. Alle dort eint die Frage, wie dieser Winter werden wird. Die Wintersportarena hat ein Konzept entwickelt (siehe unten), das den Betrieb in diesem Coronavirus-Winter sichern soll. Aber die, die das alles umsetzen sollen, haben viel zu tun.
Zutritt in die Skischule immer nur für einen
Der Spuckschutz in Flasches Skischule ist ja nur das eine. Denn der Innenraum ist klein. Dort tummeln sich sonst mehr als ein Dutzend Skilehrer, und Eltern, die ihre Kinder anmelden wollen, und Kinder, die auf der Heizung sitzen, weil ihnen draußen zu kalt geworden ist. „Wir bauen vielleicht einen kleinen Pavillon vor der Tür auf“, sagt Martina Flasche und malt die Ausmaße mit den Händen in die Luft. Drei mal drei Meter. „Zutritt ins Haus ist nur einzeln gestattet“, sagt sie. In der Stunde, bevor die Lifte starten, sei es an tollen Skitagen richtig voll. „Wir müssen zusehen, dass der Tumult nicht aufkommt.“
Das alles will organisiert sein. „Selbst Familien, die an mehreren Tagen hintereinander zu uns kommen, müssen jeden Tags aufs Neue unterschreiben, dass sie keine Krankheitssymptome haben“, sagt Martina Flasche. Ihr Sohn arbeitet als Skilehrer im Betrieb, mehr als acht Kinder pro Gruppe sind nicht gestattet. „Aber was mache ich, wenn eines der Kinder mal Pipi muss?“ Fragende Blicke gehen zwischen den Familien-Mitgliedern hin und her. „Vielleicht ist es gut, wenn die Eltern in der Nähe bleiben“, sagt der Papa. Und: „Ich weiß ja auch noch gar nicht, ob alle Skilehrer bereit sind, unter den Umständen zu arbeiten.“
Der Mitarbeiter-Pool müsse ohnehin erweitert werden. „Jeder, der morgens mit einer Schnupfennase aufwacht, wird dann zu Hause bleiben“, sagt Martina Flasche: „Da fehlen einem morgens vielleicht direkt zwei, drei Skilehrer. Das wird eine wahnsinnige Herausforderung.“
Gemütlich statt Rambazamba
Ein paar Meter weiter mitten auf der Piste steht eine kleine Almhütte: die „Schirmbar“, ein Rondell aus Holz, Glas und Spaß. Après-Ski gibt’s da. „Wir sind kein klassischer Gastro-Betrieb, das ist ein Problem“, sagt Betreiber Timo Brune. In der Mitte der Lokalität mit zehn Metern Durchmesser ist eine große Theke, rundherum stehen die Leute für gewöhnlich dicht an dicht und feiern. 60 bis 70 Leute passen sonst hinein. „Dann ist Rambazamba“, sagt Brune. Den Charakter seines Lokals muss er nun verändern. „Wir müssen uns ganz neu erfinden.“
Vor ein paar Tagen war das Gesundheitsamt schon da. Das Konzept, das Brune sich vorstellt, ist erstmal als tragfähig abgenommen worden: Kleine Sitzbuchten mit Tischen für vier, maximal fünf Personen wird er einrichten, abgetrennt jeweils durch Plexiglas. Felle als Deko sollen es gemütlich machen.
Für den einen oder anderen geht es „ans Eingemachte“
Brune ist selbstständig in der Event-Branche. Das Jahr war schlecht. Was der Winter bringt? „Es geht ans Eingemachte“, sagt er. Etwa die Hälfte der Gäste wird er bewirten dürfen. „Ich muss mit ganz anderen Umsätzen planen, während die Kosten für das Personal vermutlich noch ansteigen.“ An den Tischen muss bedient, Registrierungen vorgenommen und die Ordnung im Auge behalten werden.
Drüben in Winterberg wird am Sessellift Rauher Busch gearbeitet. Hammerschläge dringen aus der Halle nach draußen. „Mundschutzverweigerer werden wir nicht transportieren“, sagt der Betreiber des Lifts, Christoph Klante. Er wird Personal einstellen, um die Einhaltung der Regeln zu überwachen. In den Anstellbereichen vor dem Lift wird der Mund-Nasen-Schutz vorgeschrieben sein. Mit flexiblen Zäunen werden die Wege geführt und Wartebereiche besser organisiert, „damit nicht diese Trauben von Menschen entstehen“, so Klante. Auch frühere Liftzeiten und zusätzliche Flutlichtangebote wären in diesem Sinne. Das sei aber bislang nur angedacht. Luftentkeimungsanlagen sollen Mitarbeiter in den Arbeitsräumen besser schützen.
Im Sessel-Lift sicherer als Bussen oder Bahnen
„Vieles, was hier passiert, passiert draußen. Ich denke, dass im Lift, in dem alle einen Mundschutz tragen, eine geringere Ansteckungsgefahr herrscht als in Bussen oder Bahnen. Und ich denke, dass die Akzeptanz des Mund- und Nasenschutzes bei den Wintersportlern sehr hoch sein wird“, sagt Klante. Das Textil trage sich bei null Grad besser als bei 20 im Sommer. Radio-Musik untermalt die Hammerschläge aus der Halle. „I bin a bayrisches Cowgirl“ von Nicki. Ein Lied aus seiner Zeit, in der Winter noch Winter waren.
Alle, die an Schnee und Ski Geld verdienen, haben gerade einen der miserabelsten, weil mildesten Winter hinter sich. Am Fuße der Remmeswiese reihen sich die Skiverleiher aneinander: Klante, Brinkmann, Schneider, Wahle. Letzterer heißt Klaus-Dieter mit Vornamen und ist seit 35 Jahren dabei.
Hoffen auf einen guten Winter
„Wir müssen versuchen, den Winter durchzukriegen“, sagt er. Dass es nicht leicht wird, weiß er. Auch, dass jedem Gast laut Verordnung sieben Quadratmeter zur persönlichen Sicherheit bei ihm zustehen. Er wird Personal bezahlen müssen, das den Eingang überwacht. „Wir können es nicht ändern, das ist eben so“, sagt er: „Lieber mehr Ausgaben, als wenn sich nichts drehen würde.“
So sehen es alle. Es eint sie auch ein wenig die Hoffnung, dass sie für die Mühen belohnt werden. Dass es endlich mal wieder ein schneereicher Winter wird. Und dass dann die Gäste kommen, zahlreicher als sonst, weil nach Ischgl niemand will und Tirol Risikogebiet ist. „Wir denken“, sagt Martina Flasche, „dass die Zahl der deutschen Gäste in diesem Jahr deutlich zunimmt.“
<<< Die wichtigsten Regeln für den Corona-Winter in Sauerländer Skigebieten >>>
- In Skiliften müssen keine Abstände eingehalten werden. Es besteht aber Maskenpflicht sowohl im Lift als auch in den Wartebereichen.
- Gästen wird empfohlen online Tickets zu buchen, um Wartezeiten zu verringern. Die Wintersportarena wird das Online-Buchungssystem entsprechend ausbauen.
- Die Öffnungszeiten der Skigebiete werden ausgeweitet, um Besucherströme zu entzerren.
- Mitarbeiter, die engeren Kontakt zu Gästen haben, wie z.B. Skilehrer oder Angestellte im Skiverleih und an den Hütten, sollen die Möglichkeit erhalten, sich auf das Coronavirus zu testen, damit Infektionscluster verhindert werden.
- Dort, wo ein regelmäßiger und direkter Kontakt besteht, wie z.B. in Ski-Schulen, werden zwecks Rückverfolgung die personenbezogenen Daten aufgenommen.
- An besucherstarken Tagen wird zusätzliches Sicherheitspersonal eingestellt, das die Einhaltung von Maskenpflicht und Abstandsregeln überwacht.
- Après-Ski wird es in der gewohnten Form nicht geben. In den Gaststätten gelten die Corona-Regeln.
- Desinfektionsmittel wird an verschiedenen Orten verfügbar sein.