Hagen. Michael Schele aus Hagen organisiert die erste Großdemonstration der Querdenker in NRW in Düsseldorf. Wie es dazu kam.
Da ist noch die Sache mit dem Datenblatt. Die Kellnerin hat es auf den Tisch gelegt mit dem Hinweis, es doch bitte auszufüllen. „Sie wissen schon, wegen Corona.“ Der Mann am Tisch nimmt das Blatt und beginnt zu schreiben: Eckehard Monsa, Tutorialstraße 19b, 46341 Neuss.
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Die Postleitzahl gehört zu Indiana in den USA, die Tutorialstraße gibt es in ganz Deutschland nicht und Eckehard Monsa heißt eigentlich Michael Schele. Der Mann wohnt schon immer in Hagen. „Ich lasse mir spontan immer wieder andere Namen einfallen“, sagt Schele und die Freude über seinen Widerstand ist unübersehbar. Seine Daten sind ihm wichtig, die soll nicht jeder haben. „Wer weiß, was die damit anstellen? Wer weiß, was die im Schilde führen?“ Die sind: die da oben, die einfach machen. An die Gefahren durch Corona glaubt er nicht. Und Merkel und Spahn und die anderen? Gehörten, so meint er, in den Knast „wegen Körperverletzung, Totschlags, Meineids.“
Wie ein Personenschützer
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Schele ist 52 Jahre alt, derzeit auftragsloser Hochzeits-DJ und Organisator der ersten Querdenken-Großdemonstration in Nordrhein-Westfalen am kommenden Sonntag in Düsseldorf . Ein Ableger der Veranstaltungen, die es schon in Stuttgart und Berlin gegeben hat, bei denen Kritiker der Corona-Schutzmaßnahmen, Corona-Leugner, Verschwörungstheoretiker, Esoteriker, Links- und Rechtsextreme auf die Straße gehen. Schele ist in NRW jetzt sozusagen ihr Frontmann, er trägt einen schwarzen Anzug und ein schwarzes T-Shirt, „Querdenken“ steht darauf.
Der Hagener kommt gerade von einem Organisationstreffen in Düsseldorf. Der nächste Anruf geht ein. Schele steht vor dem alten Rathaus in Hagen auf einem belebten Platz in der Innenstadt. Seine Worte spricht er gut vernehmbar in das Handy, das er nicht ans Ohr, sondern wie ein Funkgerät vor den Mund hält. Er wirkt wie ein Personenschützer im Einsatz. Und ein bisschen fühlt er sich so ja auch.
Bill Gates und das Geld für die WHO
„Wir müssen diese faschistoide Lüge im Ansatz ersticken“, sagt Schele, nachdem er aufgelegt hat. Dieses Virus, mindestens aber seine Gefahr für die Menschen sei frei erfunden von weltumspannenden Konzernen, die sich an den Folgen bereicherten. Bill Gates sei ein Geldgeber der WHO und die habe 2017 den Stufenplan zum Ausruf einer Pandemie von sechs auf vier Stufen verkürzt. „Warum nur“, fragt er, legt den Kopf schief und das Gesicht wissend in Falten. Die Frau von Markus Söder produziere Gesichtsmasken und verdiene daran. Der Mann von Jens Spahn sei Chef-Lobbyist für Hubert Burda Media. So hätten die Politiker auch die Medien auf ihrer Seite.
„Seit März“, sagt Schele, „lasse ich dieses Gift nicht mehr in mein Wohnzimmer.“ Die Berichterstattung der öffentlich-rechtlichen Medien meint er, die die Wahrheit ebenso verschweigen würden wie es viele andere Medien auch täten.
„Ich bin arbeitslos gemacht worden“
Im März ist Michael Schele der Mitte der Gesellschaft verloren gegangen, zumindest wenn die Mitte dort ist, wo zumindest weitgehend Einigkeit über die Welt herrscht. Schele fragt, wo denn die ganzen Kranken seien. Er kenne keinen. Und dafür der Aufriss? „Ich bin arbeitslos gemacht worden“, sagt er.
Als die Türen zu den Restaurants und Gaststätten geschlossen wurden, brachen ihm die Einnahmen weg. 95 Prozent seines Geschäfts seien bis heute tot. Vielleicht muss er bald seine Eigentumswohnung verkaufen, die seine Altersvorsorge sein sollte.
„Als alles verboten wurde, habe ich mich gefragt: Was passiert hier gerade? Bei einer Vollbremsung kann man auch durch die Scheibe fliegen, wenn man nicht angeschnallt ist.“ Schele und viele andere waren nicht angeschnallt. „Ich wurde aggressiv, weil ich zu Hause nicht rauskam.“
2. Mai, Stuttgart. Die Demo für Grundrechte der Querdenken-Bewegung interessiert ihn. Er fuhr hin, hörte den Rednern auf der Bühne zu. Jemand sagte, dass noch Ordner gesucht würden. „Irgendwas in mir ist aufgesprungen und hat ,hier‘ gerufen. Ich wollte mich einbringen, wollte die Welt retten“, sagt er und lacht ein bisschen über sich und den Impuls, mit dem alles begann.
Scherben als Andenken an den 9. Mai
Eine Woche später, wieder Demo in Stuttgart. Ken Jebsen, ein früherer Fernseh- und Radiomoderator, der aus Sicht der Mitte zweifelhafte Theorien verbreitet, trat auf – bewacht vom Ordner Schele. Sein Handy fiel ihm damals herunter, das Display zerbarst. Wenn er heute mit dem Finger über das zersprungene Glas wischt, denkt er an den 9. Mai. „Ich könnte es reparieren lassen, aber das war so ein geiler Tag damals.“
Auch die orangefarbene Ordner-Weste habe er noch. Sie bleibe ungewaschen, „Ordner-Veteran“ habe er auf die Weste drucken lassen. Veteranen sind altgediente Soldaten.
Ist das also seine Mission? Eine Art heiliger Krieg?
Schele sorgt sich um die Zukunft, um die Kinder. Er mag Kinder. Selbst hat er keine. Von seiner Frau lebt er in Trennung, sie teilen sich das Sorgerecht für die beiden Hunde, zwei Boxer. Bevor Corona kam, hat er gern Star-Wars-Kostüme gebastelt, in denen er in Krankenhäusern und auf Rummelplätzen aufgetaucht ist, um Kinder zu erfreuen. Geht jetzt auch nicht mehr.
Eine überparteiliche Friedensbewegung
Eine überparteiliche Friedensbewegung sei die Querdenken-Gruppe, das ist ihm wichtig. Gewalt lehne er ab. Er sagt Sachen wie: „Mir ist egal, was die Leute denken, Hauptsache sie denken.“ Wenige Sätze später dann spricht er von einem „zermürbenden Grabenkampf“, der vielleicht viele Jahre dauern werde. Er wirkt nicht wie ein schlechter Mensch, er redet viel und gern und lacht dabei. Aber tief in ihm drin, da rumort es.
Schele fühlt sich ungehört, wie so viele andere. „Wir haben Angst, dass Dinge passieren, auf die wir mit friedlichen Mitteln keinen Einfluss mehr haben.“ Dass Immunitätsausweise eingeführt werden, dass die Maskenpflicht bleibe, dass ein Impfstoff verabreicht werden solle, der nicht ausreichend getestet sei. „Uns fehlt die Diskussion. In den Talkshows sitzt immer ein Lauterbach, aber nie vielleicht mal ein Politiker aus Schweden, nie einer, der unsere Meinungen vertritt.“ Pause. „Noch sind die Leute besorgt. Aber nach fest kommt ab.“ Es klingt wie eine Drohung, aber so meint er das vermutlich nicht.
Die Suche nach Wahrheit
Die Plandemie, wie er sie nennt, habe die Gesellschaft gespalten. „Ich habe in der Zeit gelernt, dass Bildung und Intelligenz nicht dasselbe sind“, sagt er. Er habe ja nur die Mittlere Reife. „Aber ich glaube, dass ich die Dinge eher durchschaue als so mancher aus der Bildungselite, der weniger Existenzängste hat und sich weniger Sorgen machen muss.“
Vielleicht hat er wirklich zu viel über alles nachgedacht. Ein bisschen hält er das sogar selbst für denkbar. „Ich nehme für mich nicht die Wahrheit in Anspruch“, sagt er und dass es ganz wunderbar wäre, wenn er sich mit seinen Sorgen um seine Grundrechte und die Zukunft irren würde. Sehr wahrscheinlich sei das aber nicht.
Pharma-Faschismus sei das alles. Parallelen zu 1933 sieht er. Das Schweigen der Vielen sei das Problem. „Damals war es nur ein Stern, jetzt ist es nur eine Maske“, sagt er. Von der Maskenpflicht hat er sich durch ein ärztliches Attest befreien lassen. Manchmal wird er trotzdem aus Geschäften verwiesen. Manche Freunde und Bekannte hätten sich von ihm abgewendet, weil sie ihn für einen Rechtsradikalen hielten, nur weil er auf Demos gehe, auf denen auch Menschen auftauchen, die Reichs- und Reichskriegsfahnen schwenken. „Wie soll man das verhindern“, fragt er.
Zwölf Stunden am Tag im Einsatz
Das ist eine Frage, die auch am Wochenende wieder wichtig sein wird. Man wolle „in der Fahnensache weniger Angriffsfläche bieten“, sagt er. 48.550 Personen hat Schele für Sonntag als Teilnehmer angemeldet. Wieso diese Zahl? „Damit die Leute nachfragen. Marketing“, sagt er. Früher, erzählt er nicht ohne Stolz, habe er die Zeitungsanzeigen für seine Dienste immer auf dem Kopf herum drucken lassen. Auffallen wollte er damit.
Scheles Tage sind kurz vor der Demo gut gefüllt. Zehn, zwölf Stunden am Tag, sagt er, widme er derzeit dem Engagement für Querdenken. Viel mehr hat er derzeit ohnehin nicht zu tun. „Ich habe für mich was gefunden“, sagt er, „was mir Kraft und Hoffnung gibt.“