Hagen/Sauerland/Essen. Steigende Infektionszahlen in vielen Städten und viele Schulklassen in Quarantäne: Vor allem Reiserückkehrer sind in der Region der Grund dafür.
Herne, Hagen und Bochum belegen seit Tagen bundesweite Spitzenplätze in Sachen Corona-Dynamik, etliche Schulklassen müssen kurz nach Schulbeginn in Quarantäne. In Sachen Corona ist derzeit viel los in der Region. Prof. Ulf Dittmer, Virologe aus Essen, ordnet das ein.
Mit der so genannten Sieben-Tages-Inzidenz - der Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen – kann in ganz Deutschland die Dynamik des Virus verglichen werden. Auf Platz 1 liegt bundesweit aktuell (Stand 17. August) der Landkreis Dingolfing-Landau in Bayern mit 107. Hier ist der Infektionsherd klar. In einer Konservenfabrik haben sich Beschäftigte angesteckt.
Danach folgt Herne (32,0). Hagen belegt aktuell mit 24,9 einen der vorderen Plätze, gefolgt von Bochum mit 24,7. Und hier gibt es nicht den einen großen Herd.
Auch interessant
Zwei Drittel der Neu-Infizierten sind Reiserückkehrer
Laut Dr. Anjali Schoten, der Leiterin des Hagener Gesundheitsamtes, sind zwei Drittel der Neuinfektionen auf Reiserückkehrer zurückführen. Weil sie selbst infiziert seien oder Familienmitglieder angesteckt hätten. Der Krisenstab der Stadt hat sich schon darauf vorbereitet, Maßnahmen, die über die NRW-Coronaschutz-Verordnung hinausgehen zu erlassen, wenn die Sieben-Tages-Inzidenz weiter steigen sollte.
Auch in anderen Teilen des Regierungsbezirks Arnsberg sind die Werte in den vergangenen Tagen und Wochen gestiegen. Und auch im Sauerland sind aktuell vor allem Reiserückkehrer der Grund dafür.
Auch interessant
Prof. Ulf Dittmer, der Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Essen, weckt im Gespräch mit unserer Zeitung die leise Hoffnung, dass der Effekt auch recht schnell wieder zurückgehen kann: „Wenn man die Reiserückkehrer gut isoliert, sollten die Infektionszahlen nach zwei Wochen wieder runtergehen.“ Doch dazu muss die Quarantäne auch tatsächlich eingehalten werden: „Wahrscheinlich werden sich auch infizierte Reiserückkehrer nicht immer an die Regeln halten“, so der Virologe.
Neue Einschränkungen genau regional anpassen
Auch interessant
Grenzwerte zu beachten und zu handeln hält Prof. Ulf Dittmer zwar für sehr richtig. „Wichtig ist dann aber, die Handlungen von der lokalen epidemiologischen Lage abzuleiten. Es muss genau beobachtet werden, in welchen Bevölkerungsgruppen es Probleme gibt und Maßnahmen sollten darauf zugeschnitten sein. Je genauer eine Maßnahme ein regionales Problem angeht, desto erfolgreicher wird sie sein.“
Aber es seien nicht nur die Reiserückkehrer, die derzeit für ein höheres Infektionsgeschehen sorgten, so Prof. Dittmer: „Vor allem jüngere Menschen zwischen 20 und 40 sind derzeit häufiger infiziert. Ihnen fällt es sehr schwer sozialen Kontakt mit Gleichaltrigen zu vermeiden. Das ging nur eine gewisse Zeit. Biologisch ist in diesem Alter nun mal genau das Gegenteil vorgesehen.“
Virologe: Nicht ganze Schulen schließen
Auch interessant
Wenige Tage nach dem Start ins Schuljahr sind in NRW nach Coronafällen offenbar bereits Dutzende Schulklassen in Quarantäne geschickt worden, mehrere Schulen wurden geschlossen. Im Regierungsbezirk Arnsberg wurden nach Recherchen dieser Zeitung bis Freitag 23 Infizierte an Schulen gezählt und 14 Klassen nach Hause geschickt. 358 Menschen mit Schulbezug sind dort in Quarantäne.
Auch interessant
Schulen wurden in Essen, Hamminkeln, Köln und Minden vorübergehend stillgelegt. Klassenschließungen gab es zum Beispiel in Wenden, Olpe, Halver, Arnsberg, Siegen, Kreuztal, Witten und Hattingen. Besonders hart betroffen ist Soest. Dort gibt es gleich an vier Schulen Infizierte.
Dass nun in vielen Schulen Klassen in Quarantäne geschickt werden müssen, überrascht den Essener Virologen Prof. Ulf Dittmer nicht: „Es war von vornherein klar, dass es nach den Ferien einzelne Infektionen in Schulen geben wird.“ Das sei auch in anderen Ländern so gewesen. „Wichtig ist es Infektionsketten zu unterbinden. Die Schulen sollten so organisiert sein, dass lange Infektionsketten ausgeschlossen sind. Dann braucht man nicht ganze Schulen zu schließen.“