Hagen/Netphen. Ein Erziehungswissenschaftler der Uni Siegen kann sich normalen Unterricht mit Maske nicht vorstellen. Die Konzentration der Schüler leide.
Ein Test auf das Coronavirus sollte auch allen Schülerinnen und Schülern aus Nordrhein-Westfalen zugänglich gemacht werden – wenn sie dies wollen. Dafür spricht sich Robert Balzer aus Hagen, Vorstand der Landesschülervertretung NRW, aus. Die Vertretung repräsentiert etwa 2,5 Millionen Schulkinder, für die am kommenden Mittwoch die Schule wieder startet. Die Tests sollten dann am besten kostenlos sein.
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Bislang bietet das Schulministerium den rund 200.000 Lehrern diese Möglichkeit an: Alle 14 Tage können sie sich auf das Virus testen lassen. Die Kosten übernimmt das Land. Etwa 240.000 Testungen pro Woche sind in NRW derzeit möglich, wie es vom Schulministerium heißt. Bei Infektionsfällen könnte dann ein Klassenverbund, aber auch die gesamte Schule getestet und – wenn nötig – sogar geschlossen werden.
Maskenpflicht in Schulen: Landesschülervertreter aus Hagen nennt sie notwendiges Übel
Zunächst gilt von Montag an aber wieder der Regelbetrieb in den Schulen. Der Infektionsschutz der Schüler soll dann durch die Maskenpflicht gewährleistet werden. „Ein notwendiges Übel“, nennt Landesschülervertreter Robert Balzer die Mund-Nasen-Bedeckung. Sinnvoll jedoch, um die Zahl der Neuinfektionen in Grenzen zu halten. Doch kann man es den Schulkindern zumuten, bei der aktuellen Hitze eine Maske mehr als sechs Stunden im Unterricht zu tragen?
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Das ist nämlich in weiterführenden Schulen verpflichtend, in der Grundschule gilt der Maskenzwang nur auf den Fluren und dem Schulgelände. „Das stelle ich mir für die Schulkinder anstrengend vor“, betont Balzer. Von anderen Schülern habe er gehört, dass sich in vielen alten Gebäuden die Fenster nicht richtig öffnen lassen würden und die Belüftung schlecht sei.
Erziehungswissenschaftler der Uni Siegen kritisiert Maskenpflicht im Unterricht
Kritik an der Vorgabe der Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) äußert auch Dr. Jörg Siewert, Erziehungswissenschaftler an der Uni Siegen: „Ich habe große Bedenken, wenn Schülerinnen und Schüler langfristig auch im Unterricht Masken tragen sollen“, sagt er im Gespräch mit der Westfalenpost.
Er sei kein Virologe und könne den gesundheitlichen Effekt einer Maske nicht bewerten, aber nach einigen Stunden ließe die Konzentration der Kinder stark nach. Das habe er bereits bei Studierenden in den Prüfungen an der Uni bemerkt. Normalen Unterricht an den Schulen könne er sich daher nicht vorstellen.
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Den geplanten Regelbetrieb würde Siewert ebenfalls ändern. Präsenzphasen seien wichtig, um auch Schüler aufzufangen, die in der Corona-Pandemie abgehängt wurden: „Der Lockdown, wie es ihn vor und nach den Osterferien gab, war hochproblematisch.“ Dass jeder Schüler tatsächlich immer anwesend ist, sei jedoch auch nicht notwendig, so Siewert weiter.
Er schlägt ein Hybridmodell vor, bei dem sich Lernphasen vor Ort und im digitalen Raum abwechseln. Dafür müsse genau entschieden werden, welche Schüler Präsenzphasen benötigten. „Die Lehrer wissen genau, welche Schüler sie erreichen, dafür brauchen sie keine Tests“, sagt der Erziehungswissenschaftler.
Digitaler Unterricht an Schulen: Nicht jeder hat ein geeignetes Endgerät
Landesschulvertreter Robert Balzer wird dies selbst nicht mehr mitmachen müssen. Der 21-Jährige hat vor ein paar Wochen seinen Schulabschluss an der Gesamtschule Hagen-Haspe absolviert, ist aber noch so lange in der Landesschülervertretung aktiv bis neue Vertreter gewählt werden. An Präsenzunterricht war in den vergangenen Monaten nicht zu denken.
Gegenüber dem digitalen Lernen sei das jedoch die bessere Form, da nicht jeder ein geeignetes digitales Endgerät oder die nötigen Kenntnisse für den digitalen Unterricht habe: „Diese Schüler haben viel schlechtere Möglichkeiten, als die, die in einem Haushalt leben, wo jeder ein Laptop besitzt.“
Gymnasium Netphen: Schulleiter kann sich auch Freiluft-Unterricht vorstellen
Dass die Klassenverbände jedoch wieder fächerübergreifend durchmischt werden, verwundere ihn. In den Klassenräumen müssten die Lehrer auch keinen Mund-Nasen-Schutz tragen, nur wenn sie die anderthalb Meter Mindestabstand nicht einhalten können. „Da weicht das Hygienekonzept auf.“
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Und was sagt nun ein Lehrer zur Maskenpflicht für Schüler im Unterricht? Eckhard Göbel, Schulleiter des Gymnasiums Netphen, spricht er sich für eine Maskenpflicht aus. „Das wird anstrengend und nicht schön, aber wenn sich die Infektionen ausbreiten, wird das auch nicht schön.“ Die Schulen stünden derzeit vor zwei Aufgaben. „Die eine ist der Bildungsauftrag von Mensch zu Mensch, die andere der Infektionsschutz. Das zu verbinden ist schwierig.“
Am Gymnasium Netphen könne er sich auch Unterricht im Freien vorstellen. „Wir liegen am Berg und haben auch Außenklassenzimmer. Das wollen wir nutzen.“ Diesen Vorteil hat aber nicht jede Schule in der Region. Präsenzunterricht ist für Eckhard Göbel trotzdem wichtig, damit verbindet er soziale Nähe und das Miteinander: „Das macht Schule aus.“