Hagen/Herdecke/Iserlohn. In verrückten Zeiten beginnen junge Menschen ihre Ausbildung. Von einer schwierigen Jobsuche, geplatzten Reiseplänen und stoischem Optimismus.
Aus der Schule in die Lehre – und das in einer total verrückten Zeit. In der Corona-Pandemie beginnt für viele Auszubildende am 1. August ein neuer Lebensabschnitt. Doch wie klappt der Übergang in diesen ungewissen Zeiten? Drei junge Menschen aus der Region erzählen von ihrem Berufsstart: Von einer schwierigen Jobsuche, geplatzten Reiseplänen und einem unerschütterlichen Optimismus.
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Es war ein mulmiges Gefühl, sagt Julian Schmidt (20), als im Frühjahr seine Suche nach einem Ausbildungsplatz wegen der Corona-Pandemie plötzlich gestoppt wurde. Anfang März hatte ihn noch ein Fitnessstudio in Herdecke zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen. Dann kam der Lockdown, das Studio musste zeitweise schließen. Das vereinbarte Treffen wurde verschoben. Julians Zukunft? Ungewiss.
Corona: Schwierige Suche nach einem Ausbildungsplatz
Er habe sich wenig Sorgen gemacht, sagt der 20-Jährige heute selbstbewusst. „Ich hätte es schon geschafft, eine Ausbildungsstelle zu finden.“ Nach seinem Fachabitur 2018 und einem einjährigen Praktikum in einem Familienzentrum der Caritas wollte Julian in den kaufmännischen Bereich.
Er schrieb weiter Bewerbungen und auch die Beratungsstelle „Passgenaue Besetzung“ der Südwestfälischen Industrie- und Handelskammer (SIHK) Hagen, bei der er sich angemeldet hatte, vermittelte ihm weitere Kontakte. „In 80 Prozent der Fälle habe ich von den Unternehmen keine Rückmeldung bekommen“, sagt er. Von einigen Betrieben aus der Region erhielt er sogar Absagen.
„Passgenauer Besetzung“ der SIHK in Hagen hilft
Bis ihn vor etwa anderthalb Monaten der Geschäftsführer des Fitnessstudios anrief. Ob er noch interessiert sei, sie wollten ihn jetzt endlich kennenlernen. Kurzfristig bekam er die Zusage. „Ich mache mein Leben lang Sport. Erst Tennis, Fußball und jetzt eben Kraftsport“, zeigt sich Julian glücklich über die Ausbildungsstelle zum Sport- und Fitnesskaufmann.
Ins kalte Wasser springt Julian Schmidt nicht: In den Studios in Herdecke und Gevelsberg absolviert er seit ein paar Wochen ein Praktikum, bevor seine Ausbildung am 1. August offiziell beginnt.
Nach dem Abitur: Reisepläne wegen Corona abgesagt
Die Zeit nach seinem Abitur hatte sich Anestis Eleftheriadis eigentlich anders vorgestellt. Der 20-Jährige plante ein Jahr Pause, wollte verreisen. Die Auszeit wollte er nutzen, „um herausfinden, was mich wirklich interessiert“, sagt er. Doch wegen der Corona-Pandemie sucht er jetzt in der heimischen Region um Iserlohn nach Ausbildungsmöglichkeiten. Jedoch erst für das kommende Jahr. „Ich habe jetzt Zeit, aber natürlich darf ich die Suche nicht vernachlässigen.“
Untätig ist er nicht: In seiner Schulzeit an der Gesamtschule Iserlohn hat er bereits ein Praktikum bei einer Versicherung gemacht. „Das hat mit gut gefallen, aber ich saß auch viel im Büro.“ Also lieber einen handwerklichen Beruf? Doch auch ein Job als Elektrotechniker sei nichts für ihn, wie er vor ein paar Wochen bei einem Besuch der Summer School der SIHK in Hagen bemerkte. Und auch ein Studium reizt Anestis Eleftheriadis nicht: „Das ständige Lernen ist nichts mehr für mich.“
Er könne sich vorstellen später als Automobil- oder Bankkaufmann zu arbeiten, für die kommenden freien Monate sucht er in dieser Branche eine Praktikumsstelle. Bis dahin arbeitet er im Familienrestaurant, das wegen der Corona-Pandemie zeitweise geschlossen und in Existenzsorgen geraten war, erzählt er.
Duales Studium in der Pandemie möglich
Karla Hecker ist optimistisch, obwohl sie noch keine genaue Vorstellung hat, wie ihr Duales Studium bei der Finanzverwaltung NRW in der Corona-Pandemie ablaufen wird.
Vor etwa einem Jahr hat die 19 Jahre alte Abiturientin aus Hagen sich für die Ausbildung zur Diplom-Finanzwirtin beworben. Die Zuversicht, die Stelle auch wirklich anzutreten, wankte in den vergangenen Krisenmonaten nicht. Die regelmäßigen Briefe der Finanzverwaltung NRW zur Ausbildung beruhigten sie. „Im schlimmsten Fall“, so dachte sie „habe ich Online-Vorlesungen.“
Studium mit Abstand: Hochschule für Finanzen bietet Präsenzunterricht an
Mit Präsenzunterricht beginnt ihr Duales Studium planmäßig am 1. September an der Hochschule für Finanzen Nordkirchen, wo sie einen großen Teil der dreijährigen Ausbildung verbringt. Derzeit denkt sie darüber nach, wie sich die Hygienemaßnahmen – wie anderthalb Meter Abstand und Maskenpflicht – auf den ersten Kontakt mit ihren neuen Kommilitonen auswirkt: „Ich bin ein offener Mensch und freue mich darauf, neue Leute kennenzulernen“, sagt die 19-Jährige, „doch unter der Maske kann ich die Mimik nicht komplett nachfühlen.“
Für den Small-Talk auf dem Campus eigne sich Corona als super Gesprächsstoff: „Es ist bestimmt nicht das Lieblingsthema, aber darüber kann ich auch mit einem Fremden sprechen.“
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So auch über die „aufregende Zeit“, wie die Abiturientin aus Hagen die vergangenen Monate beschreibt, geprägt vom Schulabschluss ohne richtige Feier und der Ungewissheit in der Pandemie. „Ich kann nicht beeinflussen, ob es einen zweiten Lockdown geben wird und wie sich das dann auf das Studium auswirkt“, sagt sie. Kein schönes Gefühl, verrät sie.
Doch Karla Hecker freut sich auf ihren neuen Lebensabschnitt, ihr Optimismus bleibt unerschütterlich. Ihr Geheimnis? „Lachen mit Freunden und der Familie tut gut.“