Saarbrücken/Hagen. Ein 56 Jahre alter Sauerländer, Hauptverdächtiger der womöglich größten Online-Betrugsserie in Europa, ist tot in seiner Zelle gefunden worden.
Er lebte zeitweise an der Côte d’Azur und in einem Luxus-Hotel in Österreich, drehte mit einem Bentley seine Runden und sponserte einen Fußball-Bundesligisten. Für seine Festnahme im Januar 2019 in Neustift im Stubaital wurde extra das Einsatzkommando Cobra, eine österreichische Spezialeinheit, geordert.
Seitdem galt der Sauerländer Uwe L. als Drahtzieher von fingierten Anlagegeschäften im Internet, als Hauptverdächtiger der möglicherweise größten Online-Betrugsserie aller Zeiten in Europa. In Medienberichten wurde der in Altena aufgewachsene Geschäftsmann (wir berichteten) als „mutmaßlicher Pate der Cybermafia und Millionenbetrüger“ bezeichnet.
Mit Online-Glücksspielen reich geworden
Das schillernde Leben des Sauerländers, der zuvor mit Glücksspiel-Portalen im Internet Reichtum erlangt hatte, endete jetzt im Alter von 56 Jahren in Untersuchungshaft in einer kargen Zelle der Justizvollzugsanstalt Saarbrücken, wie die Staatsanwaltschaft in der saarländischen Landeshauptstadt dieser Zeitung bestätigte.
Nach Angaben von Mario Krah, Sprecher der Staatsanwaltschaft Saarbrücken, sind die Todesermittlungen noch nicht abgeschlossen: „Auf der Basis einer Obduktion war die Todesursache morphologisch nicht sicher fassbar.“ Hinweise auf ein Fremdverschulden hätten sich bisher nicht ergeben. Alles deutet offenbar auf einen natürlichen Tod hin.
Finanzabenteuer im Internet
Uwe L., so Krah weiter, war des gewerbsmäßigen Bandenbetruges „im Zusammenhang mit dem Betrieb verschiedener Online-Trading-Plattformen (Geldanlage-Portale im Internet, d. Red.) zum angeblichen Handel mit sogenannten binären Optionen dringend verdächtig.“ Börsenexperten warnen häufig von dem „Finanzabenteuer“ eines Handels mit binären Optionen. Dabei wird auf Ereignisse in der Börsen- und Finanzwelt „gewettet“ – entweder es werden große Gewinne eingefahren oder der Einsatz ist dahin. Wetten um angebliche Kryptowährungen sollen sich auch als Luftschlösser entpuppt haben.
Insbesondere Kleinanleger sollen den Versprechungen nach einem todsicheren Anlage-Tipp auf Trading-Portalen wie „Option888“, „TradeInvest90“ „XMarkets.com“, „Zoom Trader“ und „TradoVest“ erlegen sein und haben offenbar in vielen Fällen ihr gesamtes Erspartes verloren. Dabei sollen die mutmaßlichen Betrüger erfundene Anlage-Erfolge von Prominenten als Köder genutzt haben. Geschultes Callcenter-Personal versprach den womöglich häufig blauäugigen und zum Teil auch offenbar geldgierigen Interessenten ebenfalls das Blaue vom Himmel.
Anzahl der Geschädigten noch unbekannt
Die Anzahl der Geschädigten und die Höhe des Schadens lassen sich bislang nicht abschließend feststellen, sagt Mario Krah von der ermittelnden Saarbrücker Staatsanwaltschaft. Bislang habe aber bereits „auf drei der Plattformen 271 Geschädigten ein Schaden in Höhe von insgesamt 15,8 Millionen Euro zugeordnet“ werden können.
Man wisse aber, dass auf drei der Plattformen allein etwa 124.000 deutsche Nutzer registriert waren. Der Mindestbetrag bei einer Einzahlung soll sich auf 250 Euro belaufen haben.
Ermittlungen dauern noch an
Staatsanwalt Krah spricht von „sehr umfangreichen Ermittlungen“, die noch andauerten – und untertreibt damit womöglich maßlos. Die bisher auf konkrete Geschädigte zugeordneten Fällen sind offenbar nur die Spitze des Eisbergs.
Nach dem Tod des Hauptverdächtigen aus dem Sauerland gehen die Ermittlungen unverändert weiter. Staatsanwalt Krah zufolge verbleiben 13 Beschuldigte. Einer von ihnen befinde sich in Albanien in Auslieferungshaft. Der Rest sei auf freiem Fuß.
Prozess vor dem Wiener Landesgericht
Der zweite mutmaßliche Drahtzieher der Betrugsserie, der Bulgare Gal B., steht seit knapp zwei Wochen vor dem Wiener Landesgericht. Die Staatsanwaltschaft hat Medienberichten zufolge 1330 Geschädigte beispielhaft aufgeführt. Auch hier soll es sich nur um die Spitze des Eisbergs handeln.