Detroit/Wolfsburg. Jetzt ist es wohl nur noch eine Formalität: Der in den USA inhaftierte ehemalige VW-Manager Oliver Schmidt wird ausgeliefert.

Oliver Schmidt sitzt an einem braunen Holztisch in einem winzigen Besprechungsraum im Gefängnis der Kleinstadt Milan im US-Bundesstaat Michigan. Er trägt ein grünes Oberhemd mit kurzen Ärmeln. Vor sich hat der 51-Jährige ein paar Papiere ausgebreitet. Er schaut in die Kamera und sagt auf Englisch: „Ja, Euer Ehren, das habe ich verstanden.“ Und nach kaum zehn Minuten ist die Video-Anhörung vor dem Bezirksgericht in Detroit vorbei. Jetzt steht so gut wie fest: Der in den USA inhaftierte ehemalige VW-Manager wird nach Deutschland ausgeliefert.

„Dann werde ich jetzt die Papiere unterschreiben“, sagt Richterin Elizabeth A. Stafford. Oder habe noch jemand Einwände? Das hat niemand. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft nicht, Schmidts Detroiter Anwalt nicht – und Schmidt selbst schon gar nicht. Er will zurück in seine Heimat.

Sieben Jahre Haft und 400.000 Dollar Geldbuße

Im Dezember 2017 wurde der Ingenieur wegen seiner Verwicklung in den VW-Abgasskandal in Detroit zu einer siebenjährigen Haftstrafe und 400.000 Dollar Geldbuße verurteilt. Die Staatsanwaltschaft bezeichnete ihn als Drahtzieher, weil er von Februar 2012 bis März 2015 in leitender Funktion bei Volkswagen mit Umweltfragen in den USA betraut gewesen sein soll. Er soll die Justizbehörden bei ihren Ermittlungen getäuscht haben. Anfang 2017 verbrachte Schmidt seinen Urlaub in Florida; dort verhaftete ihn das FBI auf dem Flughafen von Miami unmittelbar vor seiner Rückreise.

Oliver Schmidt nach seiner Verhaftung im Jahr 2017.
Oliver Schmidt nach seiner Verhaftung im Jahr 2017. © AP | AP Content

Ursprünglich drohten ihm sogar 169 Jahre Knast. Weil er sich aber mit der Staatsanwaltschaft auf einen Deal einließ und seine Schuld eingestand, wurde das Strafmaß drastisch reduziert. Schmidt sieht sich als Bauernopfer, bei der Urteilsverkündung weinte er. Volkswagen entließ ihn unmittelbar nach dem Urteil. Jetzt verklagen sich beide gegenseitig.

Schmidt hat bereits vor gut zwei Jahren einen Antrag auf Auslieferung gestellt. Nach Angaben aus dem Bundesjustizministerium unterstützen die USA dieses Ersuchen. Sie möchten den Deutschen wohl gern loswerden. Endgültige Klarheit herrscht Schmidts Anwälten zufolge aber noch nicht. Man bemühe sich, das Verfahren weiter voranzutreiben. Auf Anfrage dieser Zeitung lehnte das US-Justizministerium einen Kommentar ab.

Aussetzung der Haftstrafe wahrscheinlich

Wann genau die mögliche Überführung über die Bühne gehen wird, steht noch nicht fest. Das müssen nun die Justizbehörden beider Länder organisieren.

Ob Schmidt die Reststrafe anschließend in einem deutschen Gefängnis verbringen muss, ist fraglich – bis unwahrscheinlich. Denn Schmidt ist ein sogenannter Erstverbüßer. Er sitzt also seine erste Haftstrafe ab. In einem solchen Fall sei davon auszugehen, dass der Gefängnisaufenthalt beim Delinquenten Eindruck gemacht hat, sagt Richter Steffen Kumme vom Landgericht Hildesheim, und das dürfte für einen deutschen Staatsbürger in einem US-Knast ganz besonders zutreffend sein.

Kumme möchte sich nicht zu Einzelverfahren äußern, sagt aber, dass in vergleichbaren Fällen eine Aussetzung der Haft nach zwei Dritteln der angesetzten Zeit in Betracht komme. Der Fall liegt in Hildesheim, weil Schmidt dort vor seinem verhängnisvollen Florida-Urlaub gewohnt hat.

Im US-Knast hat Schmidt sich gut geführt

Schon im Januar hat das Landgericht Hildesheim das in den USA gefällte Urteil für in Deutschland vollstreckbar erklärt. Die Zeit, die Schmidt in den USA abgesessen hat, wird angerechnet. Das gilt auch für die 108 Tage, die dem Deutschen in der Haftanstalt wegen guter Führung gutgeschrieben wurden.

Konkret heißt das: Schmidt wurde im Dezember 2017 zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt; zuvor verbrachte er zehn Monate in Untersuchungshaft. Bis er von deutschen Verbindungsbeamten in Detroit abgeholt wird, dürften auch Corona-bedingt noch ein paar Monate vergehen, so dass er möglicherweise am Ende keinen einzigen Tag mehr in einer deutschen Zelle verbringen muss.

Schmidts Anwälte in Detroit und Berlin reagierten auf eine Anfrage dieser Zeitung bisher nicht.