Wolfsburg/Detroit. Der wegen des Abgasskandals in den USA inhaftierte ehemalige Volkswagen-Manager Oliver Schmidt soll nach Deutschland ausgewiesen werden.
„Die Vereinigten Staaten von Amerika gegen Schmidt“ – das steht für den kommenden Donnerstag, 16. Juli, im Terminkalender des Bezirksgerichts von Detroit/Michigan. Beginn der Verhandlung: 14.30 Uhr Ortszeit. Den Vorsitz führt Richterin Elizabeth A. Stafford, Expertin für Betrugs- und Bestechungsverfahren. Auf der Anklagebank: Oliver Schmidt. Der ehemalige Manager von Volkswagen in den USA sitzt seit 2017 in Michigan im Gefängnis von Milan, 70 Kilometer südwestlich von Detroit. Registrierungsnummer 09786-104. Ein Bundesgericht in Detroit verurteilte den heute 51-jährigen VW-Ingenieur am 6. Dezember 2017 wegen Verschwörung zum Betrug und Verstoßes gegen Umweltgesetze zu einer siebenjährigen Gefängnisstrafe und zu einer Geldstrafe in Höhe von 400.000 Dollar. Volkswagen entließ ihn noch im selben Monat.
Schmidt selbst sieht sich als Bauernopfer
Schmidt personifiziert wie kaum ein anderer die globalen Auswirkungen des VW-Abgasskandals. Niemand wurde in diesem Fall so hart bestraft wie der Maschinenbauer. Schmidt selbst sieht sich als Bauernopfer. In den USA war der gebürtige Stadthagener von 2012 bis 2015 in leitender Funktion für Volkswagen tätig. Sein Aufgabenbereich: Umweltfragen und die Zertifizierung von Fahrzeugen durch die US-Umweltbehörden. Schmidt berichtete der „New York Times“ zufolge an den damaligen Leiter der Motorenentwicklung bei VW, Heinz-Jakob Neußer. Dieser soll demnach die Informationen über die Abgasmanipulation an den Volkswagen-Vorstand weitergegeben haben.
Im Jahr 2015 kehrte Schmidt in die VW-Zentrale nach Wolfsburg zurück. Obwohl die Behörden und die Gerichte in den USA nach Bekanntwerden des Skandals klar erkennen ließen, dass der Abgasbetrug für sie kein Kavaliersdelikt darstellte, fühlte sich der Deutsche offenbar sicher: Er wurde im Januar 2017 nach einem zweiwöchigen Florida-Urlaub am Flughafen von Miami festgenommen. Zunächst bestritt er vor Gericht seine Mittäterschaft, bekannte sich aber nach einem Deal mit der Staatsanwaltschaft schuldig. Deshalb wurde das mögliche Strafmaß deutlich reduziert. Schmidt gab immer wieder an, auf Anweisung gehandelt zu haben.
Schmidt gilt als einer der prominentesten Insassen
Jetzt steht die Rückkehr des 51-Jährigen in sein Heimatland bevor. „Es handelt sich bei dem Termin um eine formale Anhörung, ob Herr Schmidt einer Auslieferung nach Deutschland zustimmt“, bestätigte sein Anwalt Alexander Sättele auf Anfrage der WESTFALENPOST. Diese Einwilligung steht fest, denn seine Auslieferung hat Schmidt bereits vor zwei Jahren beantragt. Ob sein Mandant nach der Rückkehr seine Haftstrafe bis zum Jahr 2023 absitzen müsse, müsse dann ein Gericht in Deutschland entscheiden, teilte der Anwalt mit. Das werde nach deutschem Recht entschieden.
„Es geht ihm den Umständen entsprechend gut“, sagte Alexander Sättele. Er habe zumindest kein Corona. Und das ist in den USA, wo das Virus derzeit täglich mehr als 60.000 neue Infektionen hervorruft und in den Haftanstalten besonders stark grassiert, schon viel wert. In Milan sitzen derzeit etwa 1500 Männer ein, unter ihnen sind nur wenige Schwerverbrecher, etwa Vicente Zambada-Niebla, der Boss eines internationalen Drogenkartells. Schmidt gilt als einer der prominentesten Insassen.
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Rechtsanwalt Sättele selbst wird nicht persönlich an der Anhörung am Donnerstag teilnehmen, auch wegen Corona. Sie wird allerdings in einer Video-Konferenz übertragen. Wegen der Pandemie könnte sich Schmidts mögliche Ausweisung verzögern. Üblicherweise vergehen in den USA nach einer Anhörung etwa drei Monate bis zum Auslieferungstermin.
VW kommentiert Auslieferungsverfahren nicht
Während Schmidt sich langsam auf seinen Flug nach Deutschland vorbereiten kann, droht einem anderen Manager des VW-Konzerns die unfreiwillige Reise in die entgegengesetzte Richtung: Der ehemalige Audi-Manager Axel Eiser wurde im vergangenen Monat in Kroatien festgenommen. Seine Auslieferung in die USA gilt als wahrscheinlich. Auch er soll sich dort für den Abgasskandal verantworten.
Dass der Fall Oliver Schmidt nun wieder in das Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit gerät, dürfte Volkswagen ganz und gar nicht behagen. Der Konzern wollte sich am Sonntag zum Auslieferungsverfahren nicht äußern. Die arbeitsrechtliche Auseinandersetzung mit Schmidt sei wegen Corona ins Stocken geraten, sagte ein Sprecher auf Anfrage der WESTFALENPOST. Ein Verhandlungstermin sei noch nicht angesetzt. Die Rückkehr des ehemaligen Mitarbeiters dürfte das Verfahren beschleunigen.