Hagen. Corona bringt die Bürger wieder zum Lesen. Wie die Bibliotheken in der Region mit pfiffigen Ideen neue Kunden gewinnen.

Die kommunalen Bibliotheken sichern während der Corona-Krise die Grundversorgung mit Büchern, Spielen, Filmen und Musik. In der öffentlichen Wahrnehmung sind Büchereien nicht so präsent wie andere Kultureinrichtungen. Dennoch haben sie während des Shutdowns viele neue Leser gewonnen. Eine Zwischenbilanz.

„Die Zahl der Kunden, welche die Onleihe nutzen, ist signifikant gestiegen“, analysiert Ute Hachmann, die Leiterin der Stadtbibliothek Brilon. „Wir sind durch Corona noch digitaler geworden und haben neue digitale Formate aufgelegt.“ Die Stadtbibliothek Brilon und die Stadtbücherei Olsberg sind jetzt in das Programm „Vor Ort für alle“ der Bundesregierung aufgenommen worden. „Gerade kam der Bewilligungsbescheid über 18.000 Euro, um uns noch digitaler zu machen. Das ist ein großartiges Signal an die kleinen Bibliotheken im ländlichen Raum.“ Während der Schließungszeit hat das Briloner Team viele Beratungen geleistet, vor allem rund um die Onleihe.

Digitalisierungsschub

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Ute Hachmann: „Corona hat einen Digitalisierungsschub bei älteren Menschen bewirkt. Der Shutdown hat aber auch neue Kunden gebracht, besonders Familien, die im Sommer nicht wegfahren und die uns als Ort entdeckt haben.“ Das Virus zwingt zum Umdenken. „Das ist eine hochspannende Zeit. Vor zwei Wochen haben wir unser erstes Experiment draußen gestartet und das Bilderbuchkino in den Park verlegt, mit Hula Hoop-Reifen als Abstandshalter.“

In Bad Berleburg hat Corona die Digitalisierung ebenfalls beschleunigt. „Jetzt kann man die Jahresgebühr bei uns auch online bezahlen“, so Kulturamtsleiterin Rikarde Riedesel. Zu den neuen Hygienemaßnahmen gehört eine Quarantäne für zurückgegebene Bücher. „Wir sind eine große Solidaritäts- und Flexibilitätsgemeinschaft. Das klappt ganz gut.“ Durch die erzwungene Freizeit haben viele Berleburger erst gemerkt, was sie an ihrer Bücherei haben. „Die Leute freuten sich, dass wir wieder auf waren und haben die Bücherei förmlich gestürmt. Derzeit gibt es einen Run auf die Ausleihe, weil viele nicht wegfahren.“

Onleihe legt zu

In der Stadtbücherei Hagen beobachtet Leiterin Andrea Steffes, dass die Onleihe um ein Drittel zugelegt hat. „Wir haben einen digitalen Schnupperausweis eingeführt für Leute, die uns noch nicht kannten. Auf diesem Weg haben wir 200 neue Kunden gewonnen.“ Im Veranstaltungsbereich wandert Hagen ins Digitale aus, so werden beim Sommerleseclub der Manga-Workshop und der Schreibworkshop virtuell angeboten. In der Ausleihe registriert das Team viele Daheimbleiber. „Mit dem Beginn der Ferien laufen die Deutschlandreiseführer ganz gut und Unterhaltungsliteratur. Kinder- und Jugendbücher laufen sowieso immer gut.“

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Eva Renner, Leiterin der Stadtbücherei Ennepetal, hat während der Schließungszeit auf zusätzliche Angebote gesetzt. „Wir haben ganz früh einen Abholservice eingerichtet, Bücherei to go. Gevelsberg hatte damit angefangen, und wir haben nachgezogen. Entweder haben die Leser gesagt: Dieses Buch hätte ich gerne, oder wir haben eine Wundertüte gepackt. Die Wundertüten sind sehr gut angekommen.“ Auch in Ennepetal sind die Onleihezahlen gestiegen, „knapp 200 Ausleihen mehr pro Monat“. Ennepetal kann die Workshops des Sommerleseclubs als Präsenzveranstaltungen anbieten, begrenzt auf zehn Kinder. „Ich bin extrem froh, dass ich das machen darf, weil gerade Kinder und Jugendliche eine hochwertige Freizeitgestaltung brauchen.“

Ferienlektüre für Daheimbleiber

Seit der Wiederöffnung registriert Eva Renner einen signifikanten Frequenz-Anstieg. „Das ist ein Phänomen. Einige Erwachsene kommen derzeit zwei bis dreimal pro Monat, um sich neue Bücher zu holen, weil sie mehr Zeit zum Lesen haben und die nutzen.“ Eva Renner ist Bibliothekarin mit Herz und Seele. „Mein ganzes Berufsleben lang merke ich, dass Bibliotheken unterschätzt werden. Wir sind die meistbesuchte Kultureinrichtung überhaupt. Wir sind sozialer Ort und Lernort, die Leute brauchen uns.“