Gütersloh. Schlachtriese Tönnies hat nur unvollständige Mitarbeiter-Listen an die Behörden geliefert. Clemens Tönnies nimmt nicht am Schalke-Spiel teil.

Noch wirkt der Haarstrang wie eine Grenze: Vom Sauerland aus gesehen beginnt nördlich des Höhenzugs, der sich durch die Kreise Unna und Soest zieht, die Gefahrenzone. Denn je näher man von dort dem Kreis Gütersloh kommt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit auf Mitarbeiter der zu treffen, in der sich mindestens 800 von ihnen mit dem Coronavirus infiziert haben. Vor allem in den Massenunterkünften, die es für Billiglohn-Kräfte gibt, die Tönnies in großer Zahl einsetzt.

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Doch die Aufmerksamkeit ist auch im Regierungspräsidium in Arnsberg groß. Hamm, der Kreis Soest und der Kreis Unna gehören zum Regierungsbezirk. Und dort wohnen viele Tönnies-Mitarbeiter, in Hamm sind auch schon die Infektionszahlen gestiegen, vier Schulen wurden vorsorglich geschlossen. „Wir haben Mitarbeiter-Listen von den Kollegen der zuständigen Bezirksregierung Detmold bekommen“, so Christoph Söbbeler, Sprecher des Regierungspräsidiums Arnsberg, das mit Detmold und Münster einen Koordinierungskreis eingerichtet hat. „Die haben wir jetzt an die Gesundheitsämter der Kreise weitergeben.“

Keine Adresse zu Namen der Mitarbeiter geliefert

Doch gerade um diese Mitarbeiterlisten hat der für dene Kreis Gütersloh durchaus gekämpft. Kreissprecher Jan Focken bestätigte gestern Informationen unserer Zeitung, dass die Firma Tönnies keine kompletten Mitarbeiter-Listen zur Verfügung gestellt hatte. Vor allen Dingen fehlten Adressen zu den Namen – ein wichtige Voraussetzung, um Infizierte und Kontaktpersonen schnell in Quarantäne zu schicken und eine weitere Ausbreitung zu verhindern: „Die Listen waren nicht vollständig, wir mussten umständliche Abgleiche machen und wir haben immer noch nicht alle Listen, etwa von Subunternehmen“, sagt Jan Focken auf Nachfrage.

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Das wird nun Folgen haben: „Es gibt Sanktionsmöglichkeiten“, so Kreissprecher Jan Focken. „Der Krisenstab hat diesbezüglich die Geduld verloren und neue Schritte beschlossen.“ Am Freitagabend wurde klar, worum es dabei geht: Sämtliche Tönnies-Mitarbeiter am Standort Rheda-Wiedenbrück kommen in Quarantäne. Das betrifft auch die Verwaltung, das Management und die Konzernspitze, teilte der Kreis Gütersloh am Freitagabend mit. Ebenso seien die Familien der Beschäftigten unter Quarantäne.

Clemens Tönnies kommt in „Arbeitsquarantäne“

Einige Mitarbeiter können den Angaben nach in sogenannte Arbeitsquarantäne. Das heißt, dass sie sich nur zwischen Arbeits- und Wohnort bewegen dürfen. Das gilt auch für Clemens Tönnies, Gesellschafter von Tönnies, wie ein Konzernsprecher der Deutschen-Presse Agentur sagte. Somit darf der 64-Jährige am vorletzten Spieltag der Fußball-Bundesliga nicht ins Stadion auf Schalke. Die Gelsenkirchener spielen am Samstag gegen den VfL Wolfsburg.

Weitere Fragen unserer Zeitung hat das Unternehmen noch nicht beantwortet. Die wohl unvollständig ausgehändigten Listen könnten zur Folge haben, dass einige der Billiglohn-Kräfte inzwischen schon wieder abgereist sind. „Wir haben dazu keine offiziellen Erkenntnisse, aber dies ist ganz offensichtlich so, das wird aus verschiedenen Orten von Bürgerinnen und Bürgern berichtet“, so Focken.

Kreis Soest zog Freitag Konsequenzen und stellte Tönnies-Mitarbeiter unter Quarantäne

Der Kreis Soest hatte schon am Freitagmorgen Konsequenzen aus dem Verhalten von Tönnies gezogen. Alle Mitarbeiter des Unternehmens, die im Bereich Zerlegung am Stammsitz des Unternehmens in Rheda-Wiedenbrück arbeiten und im Kreis Soest wohnen, müssen sich in Quarantäne begeben. Zudem empfiehlt der Kreis Soest in einer „Allgemeinverfügung“ allen Personen, die in einer häuslichen Gemeinschaft mit den Mitarbeitern wohnen, sich ebenfalls in Quarantäne zu begeben.

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die Übersicht- fast 50 kommunen in der region coronafreiIn Geseke wurde bei einem Tönnies-Mitarbeiter bereits eine Corona-Infektion nachgewiesen. Das bestätigt der Soester Kreisdirektor Dirk Lönnecke, Leiter des Krisenstabes, gegenüber unserer Zeitung. Dort werde eine eine ehemalige Gaststättemit 29 Zimmern als Sammelunterkunft genutzt. Ein Tönnies- Subunternehmer habe Räume angemietet. „Derzeit sind 13 Einzelzimmer genutzt“, so Lönnecke. Über die Nationalität des Infizierten konnte der Leiter des Krisenstabes zunächst nichts sagen.

Als kürzlich Infektionen bei Westfleisch-Mitarbeitern im Kreis Coesfeld bekannt wurden, sei auch die Geseker Unterkunft vom Gesundheitsamtüberprüft worden. „Es gab damals keine Auffälligkeiten“, so Lönnecke. Im aktuellen Fall habe das Tönnies-Subunternehmen dem Kreis Soest auch „schnell eine Personalliste“ zur Verfügung gestellt.

Hoffen im Kreis Soest auf glimpflichen Ausgang

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Das war bei den Listen aller Tönnies-Mitarbeiter mit Wohnsitz im Kreisgebiet Soest anders, daher die Maßnahme. Die Quarantäne gilt solange, bis ein negatives Testergebnis vorliegt. „Wir gehen mit unserer Maßnahme auf Nummer sicher“, betont Lönnecke, auch wenn es momentan danach aussehe, als wenn der Kreis Soest nicht in dem Maße von dem Corona-Massenausbruch bei Tönnies betroffen sein wird, wie es beispielsweise die Kreise Gütersloh und Warendorf sind.“

Wegen der räumlichen Nähe zum Schlachtbetrieb in Rheda-Wiedenbrück seien Sammelunterkünfte eher im östlichen und nördlichen Teil des Kreises (Lippstadt, Geseke, Erwitte) zu erwarten.

Kreis Gütersloh informiert am Samstag über Ergebnisse der Reihentestung

Am Samstag (14 Uhr) will der Kreis Gütersloh bei einer Pressekonferenz über die Hilfe der Bundeswehr bei der Reihentestung der Mitarbeiter von Tönnies auf Corona informieren. Währenddessen hat der Krisenstab weitere Unterstützung angefordert, wie der Kreis am Freitagabend mitgeteilt hatte. So sollen 20 Experten der Bundeswehr den Kreis im Bereich des Kontaktmanagements unterstützen. Hier werden die Kontakte von Infizierten nachverfolgt.

>> HINTERGRUND: Keine Tönnies-Unterkünfte in Südwestfalen

  • Wie in Soest, so hat auch der Kreis Paderborn alle Tönnies-Mitarbeiter in eine vorsorgliche Quarantäne geschickt. Der Kreis Unna hat damit gestern Nachmittag ebenfalls begonnen.
  • Im restlichen Südwestfalen herrscht indes noch keine Alarmstimmung: Im Hochsauerlandkreis, im Kreis Olpe, im Ennepe-Ruhr-Kreis und in Hagen sind keine Unterkünfte für Tönnies-Mitarbeiter bekannt. Weiter Maßnahmen sind auch nicht genant.
  • Der Kreis Olpe musste nur tätig werden, weil nach dem Fall Tönnies landesweit Maßnahmen angeordnet wurden: „Im Kreis Olpe gibt es einen großen Schlachtbetrieb und einen großen Fleisch verarbeitenden Betrieb. Die Mitarbeiter beider Firmen werden getestet“, so Sprecher Hans-Werner Voß.