Saxophonist Axel Müller aus Sundern geht mit BAP und Gregor Meyle auf Tour in die großen Arenen. Diese Konzerte brechen jetzt alle weg
Man denkt immer, Musiker sind Hungerleider, aber das stimmt nicht. Als freischaffender Saxophonist bin ich mit ziemlich vielen Bands unterwegs und wirke bei TV-Projekten im Studio mit. Ich zahle gute Steuern an den Staat. Nun sind mir durch Corona 98 Prozent meiner Einnahmen weggebrochen. Bis in den Januar wäre ich derzeit mit BAP und Gregor Meyle auf Tour, teilweise in den großen Arenen.
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Wir Künstler haben alle das gleiche Problem: Wir wissen überhaupt nicht, wo wir dran sind. Wann werden Veranstaltungen in welcher Größe wieder zugelassen? Die Regelungen in den Bundesländern sind unterschiedlich. In der Musikbranche werden Auftritte aber mit langem zeitlichen Vorlauf organisiert.
Unterschiedliche Regelungen
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Das Live-Geschäft war das erste, was coronabedingt dicht gemacht wurde. Es steht zu befürchten, dass es auch das letzte ist, was wieder aufgemacht wird. Man darf auf 800 Quadratmetern einkaufen gehen und sich mit x Leuten in einen Aufzug quetschen, aber es ist von Stadt zu Stadt unterschiedlich, ob man vor 50 Zuhörern ein Kammerkonzert geben darf.
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Das NRW-Kulturministerium hat sehr frühzeitig die Soforthilfe für Künstler von 2000 Euro eingerichtet. Ich habe bei der Bezirksregierung Arnsberg einen Antrag gestellt, der ist bis heute nicht beantwortet worden. In NRW haben sich 15.000 freischaffende Künstler um diese Soforthilfe beworben, aber man dachte, es sind nur 1000. Der Topf war sofort leer. Das wirft die Frage auf: Weiß die Politik überhaupt, wie viele freie Künstler es gibt?
Wer ist bezugsberechtigt?
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Rückblickend sieht es so aus, als wären diese Töpfe auch flugs geplündert worden. Wer ist denn bezugsberechtigt? Teilzeitkünstler? Musikschullehrer, die auch Konzerte geben? Diese Frage muss man dringend grundsätzlich klären. Ich wäre dafür, dass man die Steuererklärung vom Vorjahr als Grundlage dafür nimmt zu sehen, ob jemand sein Geld als freier Künstler verdient und welche Ausfälle ihm entstanden sind.
Nein, ich bin nicht der Meinung, dass sich der Staat ausreichend um die Kultur in Coronazeiten kümmert. Ich kritisiere, dass Kultur-Staatsministerin Grütters sagt: Wenn es mit der Soforthilfe nicht klappt, dann geht doch in die Grundsicherung. Ich finde das unmöglich. Wir Freiberufler sind kein Prekariat. Es gibt ganz viele Freiberufler, die viel Geld verdienen, hohe Steuern zahlen und jetzt auf Null fallen, weil der Staat ihnen die Ausübung ihres Berufs untersagt. Ich möchte gerne arbeiten, aber ich darf nicht, und das zieht sich bis in den Januar. Ich finde, der Staat darf mir meine Existenz nicht wegnehmen, nur weil ich Musiker bin.
Kritik an der Grundsicherung
Der Bund hat für die Wirtschaft 600 Milliarden Euro locker gemacht, und davon werden Aktionäre ausgezahlt, und es müssen die Lufthansa und die Autoindustrie gerettet werden. Es kann doch nicht wahr sein, dass so viel Geld in die Wirtschaft gesteckt wird, das gar nicht beim Arbeitnehmer ankommt, und die Künstler sollen in die Grundsicherung.
Kunst ist systemrelevant
Wir müssen uns doch einmal die kulturpolitische Relevanz der freien Kulturszene anschauen. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, als Freelancer zu arbeiten, nicht, weil ich keine Stelle im Orchester oder an der Musikschule gekriegt hätte. Ich zahle Steuern, ich bilde Rücklagen, und ich produziere Kunst, das ist systemrelevant.
Ohne die freie Kulturszene gäbe es in Deutschland kein einziges Festival. Was ist uns denn als Gesellschaft die freie Szene wert? Es geht ja nicht nur um Geld. Wir wollen spielen. Bei mir sind 55 Konzerte abgesagt. Ich hätte so viele Leute zum Weinen, zum, Feiern, zum Lachen und zum Tanzen gebracht.
Aufgezeichnet von Monika Willer