Corona trifft die Kulturszene hart. Wie gehen freischaffende Künstler damit um? Josh Huff aus Hagen über die Situation der Tourtechniker
Bei mir ist alles weg. Alle Jobs. Alle Konzerte sind pauschal abgesagt, manche werden erst gar nicht geplant. Besonders kritisch ist die Frage, ob die Extrabreit-Weihnachtstour stattfinden kann oder nicht. Das sind rund 20 Auftritte, meine Haupteinnahmequelle des Jahres, davon konnte ich bisher ganz gut meine Miete zahlen und ein bisschen zurücklegen, damit ich meine Kunst machen kann.
Ich bin Kleinunternehmer, ein Einmannbetrieb, und ich habe tatsächlich die 9000 Euro aus dem Soforthilfe-Fonds für Soloselbstständige erhalten, ich konnte es gar nicht glauben! Dafür bin ich sehr dankbar. Sonst wäre das auch richtig eng geworden. Jemand wie ich muss ja sowieso die Kosten runterfahren, damit er seiner Musik in befriedigendem Umfang nachgehen kann. Wer jetzt als Musiker oder „Veranstaltungsmensch“ eine Familie ernähren muss, der kriegt doch die Panik.
Jeder Song ist eine Geschichte
Zur Zeit nehme ich Zuhause oder im Hagener backyard76-Studio fast jeden Tag eine Song-Demo auf. Seine eigene Musik zu machen, das hat so etwas Wahres, ich bin glücklich damit. Sich ein Stück Musik auszudenken und damit in die Öffentlichkeit zu gehen, das ist Altersvorsorge mentaler Art, gerade in der Isolation. Jeder Song ist ein Kapitel in einer großen Geschichte, ohne Schubladen, die Musikrichtung ist nicht vorher festgelegt. Mein Ziel ist es, in meinen Liedern mit wenigen Worten so etwas wie Filme im Kopf abspielen zu lassen; wenn das funktioniert und diese Bilder vielleicht zunächst auch „nur“ bei mir entstehen, ist das ein gutes Ergebnis.
Förderpreis als Überraschung
Die Märkische Bank Stiftung hat mich mit ihrem Förderpreis Instrumentalmusik ausgezeichnet, das war eine große Überraschung. Als Bankchef Hermann Backhaus anrief, um mir zu gratulieren, habe ich mich zuerst erschrocken, weil ich dachte, mit meinem Konto ist was nicht in Ordnung. Zum Preis gehört die Produktion einer CD mit meiner Band Josh and the Blackbirds, und die wollten wir Mitte April rausbringen, das haben wir jetzt auf den Herbst verschoben. Ich habe also echt Glück mit dem, was ich mache und dass ich das weitermachen kann; der Preis ist alleine für das Selbstbewusstsein schon gut. Wirtschaftlich natürlich auch, und bei aller Liebe zur Sache ist auch das auf lange Sicht fundamental.
Schon im Wald spazieren
Was einem gerade bewusst wird, ist, wie privilegiert es sich in Deutschland (leider immer sehr abhängig vom „Verwaltungs-Status“) lebt, auch im Gegensatz zu anderen reichen Ländern wie den USA oder England, wo die Entscheidungsträger eine unglaublich schlechte Figur machen. Ich muss nun nicht für den Rest meines Lebens Jens Spahn dankbar sein, aber in derartigen Situationen ist einem diese, ja, manchmal nervige, sehr bedachte und um Korrektheit bemühte „Gymnasiasten-Streber-Mentalität“ erheblich lieber als das wirklich völlig absurde amerikanische Pendant.
Freiwillig in den Wald
Es gab schon Tage, da habe ich gedacht: Wenn das noch ein paar Wochen so weitergeht, dann kannst Du die Miete nicht mehr bezahlen.
Derzeit wache ich immer so früh auf, das bin ich gar nicht gewohnt, weil ich früh ins Bett gehe, und das bin ich auch nicht gewohnt. Wenn es um das Zwischenmenschliche geht, ist der Lockdown eine unglaublich deprimierende Angelegenheit. Ich bin schon zweimal im Wald spazieren gegangen. Freiwillig. Jetzt reicht es so langsam.