Lennestadt. Winnetou reitet diesen Sommer nicht in Elspe, zum ersten Mal seit 1958. Wir verraten, wie das beliebte Festival mit der Corona-Krise umgeht.

Die kleine Lina hat dem edlen Häuptling ein schönes, selbst gemaltes Regenbogen-Bild geschickt. „Lieber Winnitou! Ich hoffe, dass wir Dich im nächsten Jahr wiedersehen können“, schreibt sie dazu. Die Cowboys und Indianer reiten nicht in Elspe, zum ersten Mal seit 1958; Corona bremst den Wilden Westen aus. Das Festival arbeitet jedoch mit Hochdruck daran, dem Publikum in den Sommerferien wenigstens ein Mini-Programm anzubieten. Aber es ist noch völlig unklar, was die Bühne darf und was sie nicht darf. Die 29 fest angestellten Mitarbeiter sind alle in Kurzarbeit. Doch die 40 Pferde kann man nicht in Kurzarbeit schicken. Sie müssen gepflegt, gefüttert und geritten werden.

Irgendwo dazwischen

Sarah Kühne trainiert auf dem Übungsplatz eines der Pferde.  
Sarah Kühne trainiert auf dem Übungsplatz eines der Pferde.   © Katharina Kemme / Funke Foto Services

„Wir fallen durch alle Raster“, beschreibt Geschäftsführer Philipp Aßhoff die Situation. „Wir sind kein Freizeitpark, sondern ein Freilufttheater mit Gastronomie. Wir stehen irgendwo dazwischen.“ Natürlich bedeutet die abgesagte Spielzeit einen großen Einnahmeverlust für das privat getragene Festival, das jährlich rund 220.000 Besucher ins Sauerland lockt und damit eine erhebliche Umwegrentabilität in der Region generiert. „Bis Februar hatten wir über 60.000 Karten verkauft“, ergänzt Co-Geschäftsführerin Ingrid Mause. „Und das sind schon 20.000 weniger als im Vorjahr, weil viele Besucher wegen Corona zu diesem Zeitpunkt bereits verunsichert waren.“ Viele Besucher buchen ihre Tickets aus Solidarität in die nächste Saison über, statt sich das Geld erstatten zu lassen. „Wir haben ein großartiges Publikum“, sagt Ingrid Mause. „Es gibt Stammgäste, die sagen: Behaltet das Geld, wir kaufen nächstes Jahr neu. Winnetou erhält viele Briefe.“

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Regisseur Jochen Bludau ist der Motor von Elspe, das Festival ist sein Kind, „Der Ölprinz“ wäre seine 63. Saison gewesen. „Wir haben auch Kontakt mit anderen Bühnen wie Bad Segeberg“, schildert Bludau, „die sehen ebenfalls keine Möglichkeit, zu spielen. Eine Infrastruktur mit Personal müsste erst aufgebaut werden, in der Festival-Gastronomie müsste man wegen der neuen Hygiene-Regeln einen unglaublichen Aufwand mit dem Personal betreiben, und dann rechnet es sich nicht. Es gibt überhaupt keine Aussagen der Politik zu den Auflagen, die für uns gelten. Was eine Großveranstaltung ist, ist bis heute nicht definiert.“

Die Kaskadeure bleiben Zuhause

Beim „Ölprinzen“, der jetzt für 2021 auf dem Spielplan steht, fliegt ziemlich viel in die Luft: Indianerzelte, das komplette Fort, das Lager und die Öltürme. Marco Kühne ist der Experte für die Todessprünge in Elspe; der Chefstuntmann überrascht das Publikum immer wieder mit atemberaubenden Aktionen und ist auch zuständig für die Kampfchoreographien. Die wird er in diesem Sommer nicht brauchen. Die Kaskadeure, das sind jene Männer und Frauen, die so verwegen auf den Pferderücken sitzen und wissen, wie man herunterfällt, bleiben Zuhause in Tschechien; sie dürften ja auch gar nicht einreisen. Doch die 40 Pferde kann man nicht abstellen, bis der Betrieb wieder läuft.

Das Festival-Team baut am Bühnenbild für den Ölprinzen. 
Das Festival-Team baut am Bühnenbild für den Ölprinzen.  © Katharina Kemme / Funke Foto Services

Kühne und seine Frau Sarah nutzen die Zeit, um die jungen Tiere an die Theatersituation zu gewöhnen. „Wir gehen mit ihnen auf die Bühne, machen Bodenarbeit, longieren, üben mit ihnen, in die Kniebeuge zu gehen, sich hinzulegen, über Hindernisse zu laufen. Aber mehr ist es dieses Jahr noch nicht, keine Feuerexperimente, kein Lärmtraining.“

Die Naturbühne in Elspe ist in ihrem Panoramaformat spektakulär: fast 100 Meter Breite, 34 Meter Tiefe und 25 Meter Höhenunterschied. „Die Pferde müssen die Bühne kennenlernen, die Wege, die Kulissen, den Hall im Zuschauerraum. Wir haben ziemlich steile Wege, und die Tiere müssen über Schienen laufen. Ein junges Pferd hat immer zwei alte als Begleitung, die sind wie Bodyguards, die können alles“, erläutert Kühne. Die Statisten, das sind überwiegend Lennestädter Schüler, helfen, die Tiere zu bewegen, sie kommen nach und nach mal zum Reiten und gehen mit den Tieren in die Wälder.

Zeit für das Bühnenbild

Auf dem Felsen steht der Ölturm, das Fort darunter ist aufgebaut. Das Festival nutzt die Zwangspause, um das Bühnenbild für den Sommer 2021 fertigzustellen. Dass Winnetou tatsächlich nicht von hoch oben den Weg herunterreiten wird, das ist für das Elspe-Team noch unfassbar. „Es wäre meine 34. Saison. Ein Sommer ohne Karl May, das kann ich mir gar nicht vorstellen. Dass so etwas passieren kann, hätte ich nie gedacht“, bekennt Ingrid Mause.

Nicht die Silberbüchse ins Korn werfen

Die Flinte, pardon die Silberbüchse, ins Korn zu werfen, das liegt den Elspern allerdings nicht. In einer chaotischen Welt steht Winnetou unverrückbar für das Gute, und so soll es bleiben. Die Besucher in Elspe, die einst mit Oma und Opa oder mit den Messdienern kamen, die bringen inzwischen die eigenen Kinder und Enkel mit. Außerdem wird das Sauerland vermutlich zum Ferienziel Nr. 1 in diesem Corona-Sommer. Ingrid Mause: „Wir versuchen auf jeden Fall, etwas anzubieten, irgendetwas, sofern wir dürfen.“ Damit sie doch reiten. Wenigstens ein bisschen.

www.elspe.de