Hagen. Kurzarbeit? Notfall-Patienten, die die Klinik scheuen? Wann gibt es wieder normale OPs? Wir haben über 20 Krankenhäuser in der Region befragt.

Die vergangenen Wochen waren eine Riesen-Herausforderung für die Krankenhäuser im Sauerland, in Hagen, im Kreis Siegen-Wittgenstein und im Ennepe-Ruhr-Kreis : Sie mussten Corona-Patienten versorgen oder sich auf viele mögliche Patienten vorbereiten. Und dabei geplante Operationen – eigentlich die wichtige wirtschaftliche Säule der Kliniken – absagen. Wie haben sie das geschafft? Wir haben mehr als 20 Krankenhäuser in der Region befragt.

Ein Ergebnis: Die Intensivbett-Kapazitäten mussten bislang in der Corona-Krise noch nie voll ausgeschöpft werden. Indes haben Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und sein NRW-Kollege Karl-Josef Laumann (beide CDU) einen Fahrplan für die Rückkehr in einen geordneten Klinik-Alltag vorgestellt.

1. Sind weniger Notfall-Patienten, etwa mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen, gekommen?

Planbare Operationen sollten verschoben werden, das war im März die klare Ansage des Gesundheitsministers. Doch natürlich sollten weiterhin alle Notfallpatienten versorgt werden – und von denen müsste es eigentlich ähnlich viele geben wie in anderen Jahre. Doch bis auf das Städtische Krankenhaus Maria-Hilf in Brilon berichten alle anderen befragten Kliniken von Anzeichen, dass weniger Patienten kommen. Wie etwa Pflegedienstleitung Susanne Stute aus dem Marsberger St.-Marien-Hospital: „Wir haben schon den Eindruck, dass die Menschen zurückhaltender geworden sind, sich ins Krankenhaus zu begeben oder den Notruf zu wählen.“

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In Zahlen ausdrücken können das bislang zwar die wenigsten. Im Klinikum Hochsauerland mit Standorten in Meschede und Arnsberg gab es, so Kliniksprecher Richard Bornkeßel, von Mitte März an deutlich weniger Patienten: „Die Belegung lag in dieser Zeit in der Summe etwa 30 Prozent unter der Durchschnittsbelegung 2019.“ Frank Beilenhoff, Sprecher des Klinikums der Stadt Soest kann es noch genauer beziffern: „Wir hatte etwa 30 Prozent Patienten weniger in der Neurologie, 30 Prozent in der Unfallchirurgie und Orthopädie und 15 Prozent in der Hämatologie/Onkologie.“ Und alle Kliniken warnen: Im Notfall nicht das Krankenhaus scheuen: Alle Patienten würden versorgt. Und es gebe hohe Sicherheitsvorkehrungen, um sich nicht mit Corona anzustecken.

2. Werden in den Kliniken schon wieder planbare Operationen durchgeführt?

Nach fast sechs Wochen Aufschub sollen planbare Operationen in NRW-Krankenhäusern wie Eingriffe an Hüfte oder bei Tumoren ab sofort wieder stattfinden können. Das sieht Laumanns Fahrplan für die Rückkehr in einen geordneten Klinik-Alltag vor. Künftig soll nur noch ein Viertel der Intensivbetten vorgehalten werden, um Covid-19-Patienten zu behandeln.

Für eine Reihe von Krankenhäusern in der Region bedeutet das, dass sie nun ihren Betrieb voll umstellen müssen. So halten die Krankenhäuser in der Großstadt Hagen (Katholisches Krankenhaus , Allgemeines Krankenhaus, Evangelisches Krankenhaus) bislang noch streng an der Strategie fest, dass planbare OPs’s und Behandlungen weiter verschoben werden. Auch Brilon, das Kreisklinikum Siegen oder die Helios-Klinik Schwelm sind weiter im Notfall-Modus.

Andere Kliniken wie das Marienkrankenhaus in Siegen sind schon ein bisschen weiter: „Im vertretbarem Maß führen wir wieder planbare Operationen durch“, so Sprecher Dr. Christian Stoffers. „Denn auch hier liegt oft eine lange Leidensgeschichte hinter den Patientinnen und Patienten.“ Im Klinikum Hochsauerland sind beispielsweise Operationen im Bereich der Endoprothetik bislang verschoben worden. „Ab der ersten Maiwoche ist vorgesehen auch die planbaren Eingriffe soweit möglich wieder durchzuführen“, so Richard Bornkeßel.

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Auch bei der Katholischen Hospitalgesellschaft Südwestfalen mit dem St. Martinus in Olpe und dem St. Josef in Lennestadt fährt man bereits wieder den Betrieb hoch: „Ein Beispiel hierfür ist unsere Radiologie. Wir streben an, Schritt für Schritt wieder 75 Prozent der ambulanten Termine für einen MRT zu vergeben“, so Sprecherin Sarah Victoria Scholz-Klapp. Und im Krankenhaus Winterberg ist man in dieser Woche wieder langsam mit Endoprotehetik-Eingriffen gestartet. Und in Marsberg fährt man seit den Osterferien langsam wieder den Normal-Betrieb hoch.

3. Mussten Kliniken in der Region Kurzarbeit anmelden?

Nein, bislang musste noch keines der Akut-Krankenhäuser in Südwestfalen Kurzarbeit anmelden. In anderen Regionen Deutschlands war dies bereits der Fall, weil durch die aufgeschobenen geplanten Operationen und weniger Corona-Patienten als befürchtet die Auslastung zu gering war. Die ist auch in heimischen Kliniken zurückgegangen, doch zum Beispiel im Klinikum Hochsauerland, im Jung-Stilling-Krankenhaus oder im Kreisklinikum in Siegen werden Überstunden abgebaut. Im Klinikum in Schwelm hat man die Chance genutzt, um Personal von den Pflegestationen zu Assistenten auf der Intensivstation weiterzubilden. Und in Bad Berleburg gibt es zwar keine Kurzarbeit in der Akutklinik, wohl aber in den Rehakliniken des Vamed-Konzerns. „Etwa wie die Reha bei Tinnitus-Beschwerden sind etwa seit Wochen ausgesetzt“, so Sprecherin Antje Gröpl-Horchler.

4. Gab es Corona-Patienten in allen Krankenhäusern?

Ja, nahezu alle Krankenhäuser der Region haben bereits Erfahrung mit Corona -Patienten – wenn auch in unterschiedlicher Intensität. So hat das Kreisklinikum Siegen im Schnitt 12 bis 15 Corona-Patienten behandelt. Davon bis zu fünf, die auch beatmet werden mussten. Andere haben erst sehr wenige Corona-Patienten behandeln müssen, die meisten auch nicht auf der Intensivstation.

Vorbereitet haben sich die Krankenhäuser aber auf eine große Zahl von Corona-Patienten. So ist die Zahl der Intensivbetten mit Beatmungsmöglichkeiten massiv ausgebaut worden. In Hagen haben die Krankenhäuser ihre Kapazität nach Angaben des Gesundheitsamtes nahezu verdoppelt. Ausgeschöpft werden musste das Potenzial aber bislang noch von keiner Klinik in der Region – ob klein oder groß. Und auch das Intensivregister der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) zeigt, dass es aktuell in der gesamte Region noch ausreichend Intensivbetten gibt (siehe Grafik).

Was nicht bedeutet, das die Mitarbeiter in den Krankenhäusern der Region nicht massiv unter der Corona-Krise ächzen müssen. Das betont etwa Richard Bornkeßel für das Klinikum Hochsauerland, das mit dem Standort Marienhospital quasi ein eigenes Haus für Corona-Infizierte betreibt: „Die Betreuung der Patienten sowohl intensiv-, infektions- als auch allgemeinmedizinisch ist eine Aufgabe, die das eingebundene Team sehr fordert.“

>> HINTERGRUND: Sterblichkeit im März normal

  • Die allgemeine Sterblichkeit hat sich durch die Corona-Pandemie in NRW offenbar nicht erhöht. Nach vorläufigen Daten starben im März 2020 etwa 18.800 Menschen. Damit liegt die Zahl voraussichtlich sogar niedriger als im März 2019, als 19.100 Menschen verstarben, teilt das Landesstatistikamt mit.
  • „Hinweise auf eine durch die Covid-19-Pandemie erhöhte Sterblichkeit sind aus den Daten für März 2020 nicht abzulesen“, so die Statistiker. Stand Dienstag gab es im Zusammenhang mit Corona 1171 Todesfälle in NRW.
  • Für Prof. Jörg Timm, Direktor des Instituts für Virologie an der Uniklinik Düsseldorf sind die März-Daten nicht aussagekräftig genug. „Die deutliche Mehrheit der Corona-Patienten verstarb im April.