Werl. Alle Wallfahrten im Mai sind abgesagt. Einzelpilger sind allerdings willkommen. Die Kirche ist täglich geöffnet. Die Hoffnung ruht auf September
Seit Jahrhunderten sollen mit Wallfahrten Krisen und Seuchen überwunden werden. Für viele Gläubige sind sie bis heute der letzte Ausweg aus einer persönlichen Not. Ausgerechnet das Coronavirus stoppt diese Tradition - zumindest im Marienmonat Mai. Doch die Beschränkungen bedeuten nicht das Ende. Corona bringt Pilger auf neue Wege.
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Das betrifft auch die Wallfahrt zum Gnadenbild in Werl, die jährlich rund 100.000 Besucher anzieht. Im Mai sind alle Großveranstaltungen abgesagt: die Fahrradwallfahrt, die Eröffnung, die Wallfahrt der Ermlandfamilie, die Wallfahrten der Kindertageseinrichtungen und Grundschulen und die Wallfahrt der Portugiesen. Aber: Die Kirche bleibt geöffnet.
Kein Videostream zur Eröffnung
Für Dr. Gerhard Best wird der 1. Mai zum Symbol von Krise und Hoffnung gleichermaßen. An diesem Tag wird die Werler Wallfahrt feierlich eröffnet. Für den Priester ist es seine erste Saison als Wallfahrtsleiter. „Das verläuft völlig anders, als wir uns das gewünscht und vorgestellt haben.“ Resignieren möchte das Wallfahrtsteam nicht. „Wir machen das Beste daraus.“
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So wird der 63-Jährige am 1. Mai nicht öffentlich eine Heilige Messe in der Wallfahrtsbasilika feiern. Von der Idee einer Live-Übertragung sind die Werler wieder abgekommen. „Die festliche Stimmung kriegen wir im Video nicht rüber.“ Die Situation ist noch sehr dynamisch. Weder steht fest, wann wieder öffentliche Gottesdienste gefeiert werden dürfen noch, wie es im Juli und August weitergeht.
Hoffnung ruht auf September und Oktober
Da aber alle Großveranstaltungen bis zum 31. August abgesagt wurden, rechnet Pastor Best nicht damit, dass die Motorradwallfahrt oder die großen Fußwallfahrten etwa der Mucher, Arper, Lenhauser, Warsteiner, Allendorfer, Hellefelder, Sunderner, Esloher, Neheimer und Olper stattfinden können. Auch das Patronatsfest am ersten Samstag und Sonntag im Juli ist zwar noch nicht dezidiert abgesagt, doch es gibt wenig Hoffnung, dass es zum gewohnten Termin gefeiert werden kann. „Aber vielleicht gelingt es ja, im September und Oktober manches nachzuholen.“
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Pilgern ist das neue Wandern, daher haben die Jahrhunderte alten Wallfahrten in den vergangenen Jahren regen neuen Zuspruch erhalten. Doch Wallfahrten sind eben mehr als nur Laufen. „Bei Prozessionen können Sie keinen Abstand halten. Der Gesundheitsschutz hat Vorrang“, unterstreicht Best.
Das haben nicht mal die Nazis geschafft
Damit kommen die Wallfahrten in eine paradoxe Situation. Denn sie wurden in Notsituationen begründet, in Pest- und Krisenzeiten. Vor 260 Jahren zogen die ersten Olper nach Werl, als Bittprozession im Siebenjährigen Krieg. Seit 1774 legen die Mucher nach einer verheerenden Viehseuche jährlich 120 Kilometer (einfache Strecke) zu Fuß zurück. Und nun bremst eine neue Pandemie die Pilger aus.
Das haben bisher nicht einmal die Nazis geschafft, obwohl die Gestapo regelmäßig Pilgerzüge auf dem Weg zur Muttergottes nach Werl stoppte und zur Auflösung zwang. Die Pilger sind dann in kleinen Gruppen unauffällig trotzdem zum Gnadenbild gegangen. „Ich kann mir vorstellen, dass stellvertretend für die Gruppen einzelne Personen kommen und am Gnadenbild eine Kerze entzünden. Damit ist ein Gelübde in dieser für uns völlig neuen Situation ganz sicher erfüllt“, sagt Pastor Best.
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Die Wallfahrtsbasilika mit der Trösterin der Betrübten bleibt auch in Corona-Zeiten der spirituelle Mittelpunkt der Region. Sie ist täglich von 8 Uhr bis 19.30 Uhr geöffnet, und es sind immer Beter anwesend. Ebenso gibt es jeden Tag sechs Stunden Gelegenheit zur Beichte. Das Wallfahrtsteam hält den Kontakt zu den Pilgern in der Region. „Wir haben uns noch eine schöne Aktion überlegt. Wir bringen demnächst ein kleines Heft mit alten und neuen Mariengebeten heraus, das verschicken wir in die Diözese, so dass man auf diese Weise in Verbindung bleibt.“
Festliche Messe mit Erzbischof Becker
Hoffnung macht außerdem eine weitere Tradition. Alle drei Jahre wird das Erzbistum Paderborn der Gottesmutter Maria geweiht. 2020 ist es wieder soweit. Erzbischof Hans-Josef Becker feiert am 10. Mai um 10 Uhr in der Wallfahrtskirche eine Heilige Messe, entzündet die diesjährige Wallfahrtskerze und spricht das Weihegebet. „Ich glaube nicht, dass Besucher kommen dürfen“, sagt Best. „Daher ist in Planung, das Hochamt per Livestream zu übertragen.“
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Der Wallfahrtsleiter blickt sehnsüchtig auf den Tag, wo er wieder mit einer Gemeinde den Gottesdienst feiern kann. „Wir haben ja in Werl ideale räumliche Voraussetzungen, das abstandssicher zu gestalten. Wir können die Basilika, die Alte Wallfahrtskirche, den Kreuzwegplatz und den Vorplatz einbeziehen.“
Alle Wallfahrten gestoppt
Alle Wallfahrten in Deutschland werden durch die Corona-Krise beeinträchtigt. Kevelaer stellt sich auf eine Wallfahrt ohne Pilgergruppen ein und hat die Saison per Livestream eröffnet. Die große Osnabrücker Wallfahrt nach Telgte mit bis zu 9000 Fußpilgern fällt erstmals in ihrer 168-jährigen Geschichte aus. Auch in dem bayerischen Wallfahrtsort Altötting herrscht gähnende Leere - zum ersten Mal seit mehr als 500 Jahren.