Hagen. . Weil die ersten Geschäfte wieder öffnen dürfen, kommt wieder Leben in die Innenstädte der Region. Aber unter die Freude mischt sich auch Sorge.

Die Armada aus Osterhasen sieht ein bisschen traurig aus. Einem hängen die schlappen Ohren über die Augen, ein anderer kratzt sich am Kopf als fragte er sich: Was mache ich eigentlich hier? Und was machen die ganzen Leute schon wieder hier? Der Hase steht am Eingang eines Kram-Ladens in der Hagener Rathaus-Galerie, der prominentesten Mall der Region. Das Geschäft hat wie viele andere am Montag erstmals wieder geöffnet, weil die Politik Lockerungen vom Stillstand in der Corona-Krise beschlossen hat. 50 Prozent gibt es auf alle Hasen. Und wie viel Prozent Sicherheit? Wie viel Wohlgefühl beim Shoppen?

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„Es fühlt sich ein bisschen an wie ein neues Leben, wie ein bisschen Normalität“, sagt Bärbel Bräucker. Die 72-Jährige ist an diesem Tag eine der ersten Kundinnen in einem Geschäft für Frauen-Mode. Sie trägt wie viele andere in der Stadt Mundschutz. Und eine Tüte am Arm: eine Hose, eben gekauft. „Ich hoffe und bete, dass sich alle an die Regeln halten, damit wir im Kampf gegen das Virus keinen Rückschlag erleiden.“

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Corona: Ein Kartenspiel sorgt für Sicherheit

Die wichtigste Regel ist bekannt: Abstand halten. Im Schuhgeschäft nebenan hat deswegen die große Fensterfront in eine Eingangsschleuse ganz rechts und eine Ausgangsschleuse ganz links unterteilt. Jeder Kunde nimmt beim Reingehen eine Karte aus einem gewöhnlichen Kartenspiel und gibt sie beim Ausgang wieder ab. Wenn alle Karten vergriffen sind, sind zu viele im Laden. Fast. 40 Kunden sind nach neuester Verordnung zugelassen, das Spiel hat 32 Karten. Improvisation eben.

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Für einen Montagvormittag ist die Stadt sehr gut besucht. Die Menschen dürsten nach Normalität, sitzen in der Sonne, sehen anderen beim Auch-da-Sein zu. „Ich finde es schön, dass die Geschäfte endlich wieder aufhaben“, sagt Angelika Grimm und ihr Mann Rolf nickt dazu, „aber es ist auch beängstigend.“ Weil man sich aus dem Weg gehen muss. Weil man doch irgendwie gut aufpassen muss. Weil Normalität längst nicht erreicht ist. Es ist ein bisschen mehr Leben.

Meterlange Schlange vor dem Stoffladen in Hagen: Nähen jetzt alle den Mundschutz selbst?

„Die Geschäfte haben offen“, sagt Kristina Erlenbusch (33) und schwingt ihre Hand wie zum Jubel in der Luft. Einfach mal etwas anderes sehen, sagt sie, das sei schön. Aber sie hat auch ein dringendes Anliegen: Sie braucht Schuhe für Sohn Maxim (8), der hat schmale Füße. Anprobe daher erforderlich. Und die Tochter hat heute Geburtstag, sie wird zehn. „Vielleicht finden wir für sie auch noch etwas“, sagt die Mama. Ein besonderer Ehrentag.

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In den Telekommunikationsladen darf laut Aushang nur ein Kunde eintreten, will aber gerade niemand. Vor dem Stoffgeschäft aber bildet sich eine meterlange Schlange, die bis zur Straße reicht. Die Verkäuferin schließt die Tür auf, wenn einer gehen will, lässt danach einen weiteren Kunden rein und schließt dann wieder ab. Wollen die alle jetzt Mundschutze nähen? Eine Frau in der Schlange zuckt mit den Schultern. „Ich nicht. Nähen ist mein Hobby, aber nicht Mundschutze.“ Sie steht mit ihrem Sohn in der Schlange. Gleich ist sie dran. Nur noch einmal muss sich der Schlüssel im Schloss drehen.

Stimmung der Zerrissenheit

Neheim zählte im vergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen zu den drei am besten bewerteten Innenstädten. Modernes und Gewachsenes nebeneinander. Und viele kleine Geschäfte, die fast alle nun wieder geöffnet haben. Die Sonne scheint warm in die Fußgängerzone und umarmt die Gäste. Der Wind bläst sie aber fast so entschlossen hinfort wie den Unterkörper einer Papppuppe, der gerade über den Gehsteig fliegt. Was soll man von diesem Wetter halten? Es taugt als Symbol für eine zerrissene Stimmungslage zwischen der Freude über einen Schritt in die Normalität und der Sorge vor den Auswirkungen.

Auf der Vorzeigemeile des Sauerlands tragen weniger Menschen einen Mundschutz. Überhaupt ist weniger los – auch im Vergleich zu Neheim an normalen Montagen. So richtig trauen sich die Menschen offenbar noch nicht. „Mein Ziel war, mir heute etwas zu gönnen und damit gleichzeitig einen Laden zu unterstützen“, sagt Cornelia Klute (51). Das Motiv, einander zu helfen, weil man einander kennt, ist ausgeprägter auf dem Land. Noch aber hat sie nichts gefunden.

"Ich hätte bis Mai gewartet"

Es sind nicht selten die Frauen, die mit ihren Müttern in der Stadt unterwegs sind. Wie Bianca Langolf. „Unser Ausflug in die Stadt war eher spontan. Wir brauchten nur Farbe, haben dann aber gedacht: Wenn die Geschäfte schonmal geöffnet haben...“ Kleinigkeiten haben sie gekauft. Und sich eigentlich gut dabei gefühlt. Eigentlich. „Ich finde vernünftig, dass es mit den Lockerungen nicht übertrieben wird. Denn das wäre gefährlich.“

Ein paar Meter weiter kommt Silke Krause aus einem Mode-Geschäft, in das nur zwei Kunden gleichzeitig dürfen. „Ich finde, es ist zu früh, die Geschäfte wieder aufzumachen“, sagt sie: „Ich hätte bis zum Mai gewartet.“