Hagen. Die Zahl rechtsextremer Straftaten in Hagen, dem Sauerland, dem EN-Kreis und Siegen-Wittgenstein hat zugenommen. Die Zahlen für alle Städte.
Spektakuläre rechtsradikale Straftaten wie der Mord an Walter Lübke oder die Anschläge von Halle und Hanau haben in den vergangenen Monaten für Schlagzeilen gesorgt. Und auch in unserer Region hat es 2019 mehr rechte Kriminalität gegeben als im Vorjahr, wie Zahlen der Landesregierung zeigen.
So wurden 2019 in Hagen, dem Ennepe-Ruhr-Kreis, dem Hochsauerlandkreis, dem Märkischen Kreis, dem Kreis Siegen-Wittgenstein und dem Kreis Olpe 277 Straftaten registriert – 37 mehr als noch im Jahr zuvor. Damit hat sich die Lage – auf niedrigem Niveau – schlechter entwickelt als der NRW-Trend. Denn schaut man auf ganz Nordrhein-Westfalen, dann wurden im Jahr 2019 3632 Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund registriert – etwas weniger als im Vorjahr (3767). 151 wurden als Gewalttaten (2018: 217) klassifiziert.
Das geht aus einer Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage der Landtagsabgeordnete Verena Schäffer (Grüne) hervor: Die sagt: Der leichte Rückgang dürfe „nicht über die bestehende rechtsextreme Gefahr hinwegtäuschen“.
Staatsschützer sehen rechtsradikalen Schwerpunkt im Kreis Olpe
Zurück zu den Zahlen in der Region: Nur die wenigsten der 277 Fälle sind allerdings der Gewaltkriminalität wie etwa Körperverletzung, Raub oder Brandstiftung zuzuordnen: 2019 waren es in dem Bereich gerade einmal 15 (2018: 16). Die meisten Delikte fallen dagegen in den Bereich des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wie etwa Hakenkreuzschmierereien.
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Einen Schwerpunkt von Rechtsradikalen sieht die Staatsschutzabteilung des Polizeipräsidiums Hagen im Bereich der Kreise Olpe und Siegen-Wittgenstein, weil dort die rechtsextreme Partei „Der III. Weg“ aktiv ist. Das Potential dieser Partei liege bei 20 bis 30 Personen.
Eine zahlenmäßig große rechte Szene sehen die Experten nicht in der Region: So geht der Staatsschutz der Polizei Hagen, der außer dem HSK für die gesamte Region zuständig ist, von einer Anzahl rechtsradikaler Gefährder und Intensivtäter mit rechtsextremer Gesinnung „im niedrigen zweistelligen Bereich“ aus. Hier habe es zuletzt auch keine Veränderung gegeben.
Mehr als 100 Reichsbürger in der Region
Größer ist dagegen die Zahl der Reichsbürger, die oft ebenfalls eine rechte Gesinnung haben und sich nicht an deutsche Gesetz gebunden fühlen. Hier geht der Hagener Staatsschutz für Hagen, den EN-Kreis, den Märkischen Kreis, den Kreis Siegen-Wittgenstein und den Kreis Olpe von weit mehr als 100 Reichsbürgern aus.
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Für den Hochsauerlandkreis gibt es keine Zahlen, der NRW-Verfassungsschutz sieht aber im HSK und auch im Kreis Soest Schwerpunkte der Szene in NRW. Er geht von landesweit 3200 Reichsbürgern aus, die strukturell „grundsätzlich stärker in den ländlichen Regionen verbreitet“ seien.
Grafik zeigt Daten für alle Städte in der Region
Die Antwort der Landesregierung auf die Anfrage von Verena Schäffer beinhaltet Daten für alle Kommunen in der Region. Diese zeigen In einigen Städten ist im vergangenen Jahr keine einzige Tat registriert worden, in anderen dagegen eine Vielzahl: Die Grafik gibt für alle Kommunen der Region einen Überblick zu den rechtsextrem motivierten Straftaten in der Region.
1.Um welche Straftaten handelt es sich?
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Ganz überwiegend geht es bei den Straftaten um die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Hierunter fallen die klassischen Hakenkreuzschmierereien. Doch in einigen Städten gibt es auch andere Delikte. Beispiel Olpe: Hier wurden auch drei Brandstiftungen mit rechtsextremem Hintergrund gezählt. Beispiel Siegen: Hier gab es auch fünf rechte Körperverletzungsdelikte und je zwei Fälle von Volksverhetzung und Sachbeschädigung aus diesem Spektrum. Beispiel Hagen: Auch Körperverletzungs- (3), Beleidigungs- (4) und Volksverhetzungsdelikte (5) mit extremistischen Hintergrund wurden gezählt.
2.Zieht die Dortmunder Szene Rechtsradikale aus der Region an?
Die rechtsradikale Szene in Dortmund-Dorstfeld macht bundesweit Schlagzeilen. Doch zahlenmäßig ist sie nicht groß. „Wir rechnen der Szene etwa 60 Personen zu“, so Polizeisprecherin Cornelia Weigandt . Und diese sei auch eher abgeschlossen: Zu großen Aufmärschen und Veranstaltungen kommen demnach auch viele Sympathisanten aus anderen Region und auch aus dem Ausland. Generell würden aber nicht regelmäßig Rechtsradikale aus der südwestfälischen Region nach Dortmund anreißen. Dortmund bleibt mit 187 Fällen nach Köln (243) und Düsseldorf (234) die Stadt mit den meisten rechtsextremistischen Straftaten in NRW. Darunter auch eine größer Zahl von Körperverletzungs-, Beleidigungs-, Nötigungs-, Volksverhetzungs- und Sachbeschädigungs-Delikten. Allerdings: Die Zahlen sind gegenüber dem Vorjahr (264) stark rückläufig. Polizeipräsident Georg Lange führt das auf eine harte Linie gegen die Szene zurück.
3.Gibt es nach den jüngsten rechtsradikalen Taten wie in Hanau oder Halle eine erhöhte Gefahrenlage in der Region?
„Wir bewerten die Sicherheitslage ständig neu“, so Michael Siemes, Sprecher des für Hagen, den Ennepe-Ruhr-Kreis, den Märkischen Kreis und die Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe zuständigen Polizeipräsidiums Hagen. „Gegenwärtig liegt keine konkrete Gefahr für den Hagener Zuständigkeitsbereich vor.“
4.Was steckt hinter der Partei „der III. Weg“, die im Raum Olpe Präsenz gezeigt hat?
Die Partei stellt laut NRW-Verfassungsschutzbericht „eine Auffangstruktur für Neonazis“ dar. Der am 29. Dezember 2015 gegründete „Stützpunkt Sauerland-Süd“ umfasst demnach insbesondere den Kreis Olpe. Dessen Vorsitzender und Gründer gilt als maßgeblicher Aktivist der Partei, die sich, so die Verfassungsschützer, vor allem gegen Ausländer positioniere und im Stil einer Bürgerwehr auftrete. Laut Hagener Staatsschutz unterhält die Partei bundesweite und internationale Verbindungen.
5.Zuletzt gab es Drohmails gegen Moscheen im Ruhrgebiet, unter anderem in Hagen. Wie ist der Ermittlungsstand?
Die Drohmails waren mit „Combat 18“ unterzeichnet, jener Neonazi-Organisation also, die Bundesinnenminister Horst Seehofer erst vor wenigen Wochen verboten hatte. Ob die Mails tatsächlich von deren Aktivsten stammt, ist aber unklar. „Wir ermitteln weiter, wer der Absender ist“, so Polizeisprecherin Cornelia Weigandt. Noch gebe es keine gesicherten Erkenntnisse.