Hagen. Die Deutsche Post darf in vielen Fällen nicht mehr die günstige Dialogpost (früher Drucksache) anbieten. Wie das Vereine und auch Städte trifft.
Erst gab es über Jahre und Jahrzehnte die gute alte Drucksache, dann wurde sie zur Infopost umgetauft und schließlich zur Dialogpost. Doch egal, wie sie hieß: Der Ortsverein Haspe-Westerbauer der Arbeiterwohlfahrt in Hagen hat immer dieses verbilligte Porto-Angebot der Deutschen Post genutzt, um die Einladungen zur Jahreshauptversammlung zu verschicken. Doch damit ist nun Schluss, wie Jochen Weber, streitbarer Vorsitzender des Ortsvereins jetzt erfahren musste.
„Bei der Post hat man mir gesagt, dass das nicht mehr möglich ist. Ich schicke Jahr für Jahr Einladungen für unsere 250 Mitglieder raus“, rechnet Weber vor. „Bislang hat uns das mit der Dialogpost 38 Cent pro Brief gekostet, jetzt müssen wir 80 Cent bezahlen. Also mehr als eine Verdopplung.“ Rund 100 Euro Mehrkosten schlagen nun also für die schlichte Einladung zur Jahreshauptversammlung zu Buche, und das, so Weber, sei für den Ortsverein viel Geld: „Die AWO erhebt ohnehin als Sozialverband nur geringe Mitgliedsbeiträge. Und beim einzelnen Ortsverein bleiben lediglich 30 Cent pro Mitglied“, sagt Jochen Weber. „Das heißt: Mehr als zwei Monatsbeiträge, die bei uns landen, gehen jetzt schon für das Porto drauf.“
Bundesnetzagentur verbietet Post das günstige Porto
Dass die klassische Einladung zur Jahreshauptversammlung nicht mehr zu verbilligten Porto-Preisen angeboten wird, bestätigt Dieter Pietruck, Sprecher der Deutschen Post: „Das ist schon eine gravierende Änderung.“ Den Schritt sei man aber nicht freiwillig gegangen: „Es ist eine Auflage der Bundesnetzagentur.“ Gegen die hatte die Deutsche Post sich lange gewehrt, war sogar vor das Verwaltungsgericht gezogen. Ohne Erfolg. Die Regulierungsbehörde setzte sich mit ihrer Auffassung durch, dass die ehemals staatliche Deutsche Post ihre marktbeherrschende Stellung im Bereich der Massensendungen mit dem Dialogpost-Tarif ausnutze und es damit zu wenig Wettbewerb gebe.
Zum 1. Januar 2020 mussten daher die Geschäftsbedingungen geändert werden. Nicht nur Vereine betrifft das mit ihren Jahreshauptversammlungen, sondern auch große Aktiengesellschaften bei ihren Aktionärsversammlungen, Rückrufaktionen von Unternehmen oder Wahlbenachrichtigungen, die die Städte und Gemeinden versenden. Sie alle dürfen nicht mehr die günstige Dialogpost nutzen. Die darf die Deutsche Post nur noch anbieten, wenn der Hauptzweck die reine Werbung ist. „Denn im Bereich der Werbesendungen ist die Deutsche Post AG bereits jetzt einem höheren Wettbewerbsdruck ausgesetzt als bei der Geschäftskundenpost“, so Fiete Wulff, der Sprecher der Bundesnetzagentur, die im Bereich Post, Telekommunikation und Energie den Wettbewerb sichern und die Marktmacht ehemals staatlicher Unternehmen einschränken soll.
Viele Vereine setzen überhaupt nicht mehr auf die Post
Mit einem Trick wollte sich der AWO-Ortsvereinsvorsitzende Jochen Weber doch wieder in die günstigere Dialogpost „mogeln“. Er wollte die Werbung für die Angebote des Vereins, wie etwa die Spargelfahrt mit der Einladung verschicken. „Aber das hat leider nicht geklappt“, so Weber, der die neue Regelung neben dem finanziellen Aspekt als weitere Belastung für ehrenamtliche Vereinsarbeit sieht: „Mal sind es die Gema-Gebühren, dann müssen wir zahlen, wenn wir einen Schulraum nutzen oder wir schlagen uns mit der Datenschutzgrundverordnung rum.“
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Wie sieht es andernorts in der Region aus? Etwa beim TSV Aue-Wingeshausen, einem der größeren Dorf-Sportvereine im Wittgensteiner Land. „Wir bringen unsere Einladungen weitestgehend persönlich vorbei und schicken nur sehr wenige mit der Post“, sagt der Vorsitzende Norbert Heier. Dementsprechend sei man von dem Thema wenig betroffen. E-Mail-Verteiler, Whats-App- oder Facebook-Gruppen habe in anderen Vereinen die Postsendungen weitgehend ersetzt.
Und zum Beispiel bei der Schützenbruderschaft Oeventrop im Hochsauerland werden die rund 2000 Mitglieder für die Jahreshauptversammlung nicht persönlich angeschrieben. „Wir haben in der Satzung geregelt, dass ein öffentlicher Aushang genügt“, sagt Martin Rüther, stellvertretender Kassierer. Und für viele andere Dinge wird die E-Mail genutzt. Aber dennoch trifft die Schützen das Thema Post: „Übers Jahr fallen da schon noch eine Menge Briefe an, allein schon, wenn wir auswärtigen Mitgliedern das Schützenfestprogramm mit einer Eintrittskarte schicken, um sie zum Fest-Besuch zu bewegen. Das sind schnell mehr als 300 Briefe.“
Private Anbieter sind nicht an die Auflagen gebunden
Für solche Anlässe würden Martin Rüther und auch der Hagener AWO-Vorsitzende Jochen Weber sich so etwas wie einen unkomplizierten Vereinstarif wünschen. Doch den wird es wohl nicht geben. Postsprecher Dieter Pietruck verweist auf so genannte Teilleistungen, die man schon jetzt bei größeren Postmengen nutzen könne. Ob gerade Vereine den Aufwand stemmen wollten, sei aber fraglich.
Und auch Netzagentur-Sprecher Fiete Wulff sieht seine Behörde nicht in der Pflicht: „ Nein, das ist nicht Aufgabe der Bundesnetzagentur. Die Forderung, einzelne Versendergruppen gegenüber anderen Versendern besser zu stellen, kennt das Postgesetz nicht.“Bleibt den Vereinen nur die Hoffnung, dass andere private Postzusteller sie als Marktlücke entdecken, denn die sind von den Auflagen gegen die marktbeherrschende Post nicht betroffen. „Andere Unternehmen sind in ihrer Preissetzung frei und könnten Vereinspost zu günstigeren Bedingungen befördern“, so Netzagentur-Sprecher Wullf.
Städte müssen für Wahlbenachrichtigungen viel mehr bezahlen
Viele Städte in der Region haben in den vergangenen Jahren Hunderttausende von Wahlbenachrichtigungen bei Kommunal-, Landtags-Bundestags- oder Europawahlen mit der Dialogpost verschickt. Auch das ist nun nicht mehr möglich – für viele Städte bedeutet das Mehrkosten, wenn nicht andere private Postdienstleister beauftragt werden.
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Zum Beispiel für die Stadt Hagen. „Wir haben die Wahlbenachrichtigungen bislang mit der Deutschen Post versandt, also auch noch bei der letzten Europawahl“, sagt Stadtsprecher Michael Kaub. Auch künftig werde man die Deutsche Post beauftragen. „Die genauen Mehrkosten können wir aber noch nicht benennen. Nach aktuellem Kenntnisstand dürften sie jedoch sehr moderat ausfallen.“
Bei der Stadt Siegen rechnet man da schon konkreter. „Auf das Wahlgeschäft hat dies deutliche Auswirkungen, da sowohl Briefwahlunterlagen als auch Wahlbenachrichtigungen nicht mehr als Dialogpost versendet werden können“, so Claudia Scheffler, die stellvertretende Pressesprecherin. Trotzdem gehe man aktuell davon aus, dass die Deutsche Post erneut mit der Zustellung der Wahlbenachrichtigungen beauftragt werde. Um im gesamt Stadtgebiet „eine hohe Qualität bei der Zustellung zu gewährleisten“.
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Dennoch werde die Stadt Siegen aber auch Angebote von alternativen Postdienstleistern prüfen. Bei der Deutschen Post müsse man künftig das Standardporto bezahlen, allerdings gehe man von einem Mengenrabatt aus. „Aufgrund unseres Auftragsvolumens rechnen wir mit einem Rabatt von 46 Prozent auf das Standardbriefporto von derzeit 80 Cent. Daraus ergeben sich Portokosten von 43,2 Cent pro Wahlbenachrichtigung.“ Im Vergleich dazu lagen die Kosten bei der diesjährigen Europawahl bei etwa 30 Cent pro Stück. Bei rund 76.000 Wahlberechtigten bei der Europawahl in Siegen wären das Mehrkosten von rund 9.900 Euro gewesen.
Nicht betroffen ist zum Beispiel Meschede . Denn die Stadt lässt die Wahlbenachrichtigungen über einen anderen externen Dienstleiter laufen.