Düsseldorf/Hagen. In zweiter Instanz hat Prevent vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf einen Teilerfolg errungen. Audi muss Schadensersatz zahlen, VW aber nicht.

Der ehemalige VW-Zulieferer Prevent mit seinem Hagener Unternehmen TWB hat in zweiter Instanz vor dem Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf am Mittwoch einen Teilerfolg errungen. Nach dem Urteil des Gerichts hat TWB Prevent doch Anspruch auf Schadensersatz. Allerdings nur gegenüber Audi, nicht, wie erhofft, gegen VW. Gegen dieses Urteil kann keine Revision eingelegt werden.

Nach Ansicht des OLG waren die im Frühjahr vom Volkswagenkonzern ausgesprochenen ordentlichen Kündigungen zum 31. März 2019 unwirksam. VW hatte, anders als Audi, im Mai 2019 aber zusätzlich noch eine außerordentliche Kündigung ausgesprochen. Diese sei rechtmäßig erfolgt, urteilte das OLG, und zwar, weil der Zulieferer mit Mitteln der Erpressung wie Lieferstopp eine 25-prozentige Preiserhöhung habe durchsetzen wollen. Genau wegen der Feststellung, dass TWB den Konzern erpresst habe, „begrüßt Volkswagen das heutige Urteil“, erklärte ein VW-Sprecher gegenüber der Westfalenpost.

Prevent will weitere Schritte prüfen

Prevent bestreitet die vom OLG verbriefte Erpressung vehement: „Wir haben zu keinem Zeitpunkt einen Lieferstopp angedroht oder gar vorgenommen. Das OLG ist vielmehr von einer stillschweigenden Drohung ausgegangen, die so unseres Erachtens aber nicht vorlag“, heißt es vonseiten des klagenden Unternehmens. Prevent werde deshalb das Urteil studieren und weitere Schritte prüfen. Ebenso wie der VW-Konzern, der auch die Kündigung von Audi für rechtens hält und die Auffassung des OLG für falsch. Deshalb werde man auch prüfen, ob beim Bundesgerichtshof Beschwerde gegen die Nichtzulassung einer Revision eingelegt werde.

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Der Machtkampf zwischen der Prevent-Eignerfamilie Hastor und mit dem jahrzehntelangen Geschäftspartner VW begann 2015 in Brasilien und eskalierte 2016 mit Lieferstopps seitens Prevent in Deutschland und dem Super-Gau für den Autobauer: Bänderstillstand bei VW. Der Volkswagenkonzern reagiert seitdem allergisch auf das Geschäftsgebaren von Prevent.

Streit zwischen Prevent und dem Volkswagenkonzern ist noch nicht beendet

Der Jahre währende Streit zwischen Prevent und dem Volkswagenkonzern ist mit dem Urteil vom Mittwoch noch nicht beendet. Prevent hat inzwischen VW in den USA verklagt. Im Januar drehte VW den Spieß um und reichte seinerseits eine 100 Millionen Euro schwere Schadens-Klage gegen Prevent ein. Ob sich in diesem Konflikt am Ende überhaupt eine Partei als Sieger fühlen darf, ist zweifelhaft.

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Das Oberlandesgericht legte am Mittwoch jedenfalls fest, dass Audi im Fall TWB gegenüber Prevent Auskunft über die entgangene Produktionsmenge ab 1. April 2019 geben müsse, damit Prevent seine Ansprüche errechnen kann. Bei Prevent rechnet man mit Schadensersatz in Millionenhöhe.

VW hält dagegen. Vermutlich dürfte es zu einem neuen Verfahren Prevent gegen Audi kommen. Für den Fall stellt VW vorab klar: „In diesem Fall würde auch der Mitverschuldensanteil der Prevent-Gesellschaft berücksichtigt werden würde. Da das Gericht bestätigt hat, dass TWB mit Mitteln der Erpressung agierte, dürfte dieser enorm sein. Aus unserer Sicht beträgt er 100 Prozent“, erklärte ein VW-Sprecher.

Unklar ist, welche Wirkung das Urteil auf das Verfahren mit Skoda entfaltet. Der tschechische Autobauer hatte wie Audi lediglich ordentlich gekündigt. Hier liegt die Klage mittlerweile beim OLG Celle. Gegen Seat gibt es nach Auskunft von Prevent kein Verfahren. Ob das Düsseldorfer Urteil, wie Prevent vermutet, für die Zulieferer in der gesamten Autobranche „Signalwirkung“ haben könnte, bezweifelt VW.

TWB war bis zu Beginn des Machtkampfs ein gesundes Unternehmen

Für das Hagener Unternehmen und die ehemals knapp 500 Beschäftigten bleibt die Entwicklung insgesamt bitter. Zur Erinnerung: TWB, ein eigentlich gesundes Unternehmen, war erst in Schwierigkeiten geraten, nachdem sich die Eigentümerin Prevent deutschlandweit einen Machtkampf mit Volkswagen geliefert hatte. Hatten die Belegschaft und der Betriebsrat zunächst mit Prevent gegen VW gekämpft, so wandelten sich nach der gerichtlichen Niederlage in dem Machtkampf die Vorzeichen.

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VW hatte sämtliche Geschäftsbeziehungen zu TWB gekappt, mehr als 200 Arbeitsplätze gingen verloren. Bei dem massiven Arbeitsplatzabbau fühlte sich die Mehrheitsfraktion im Betriebsrat, der intern als zerstritten gilt, von der IG Metall nicht ausreichend unterstützt. Während der Mai-Kundgebung der Gewerkschaften kam es zu Protesten gegen die IG Metall.

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Mittlerweile beschäftigt die im Zusammenhang mit dem VW-Streit und den daraus resultierenden massiven Produktionseinbrüchen stehende Kündigungswelle in Hagen die Arbeitsgerichte ebenfalls bereits in zweiter Instanz. Vor rund zwei Wochen entschied hier das Landesarbeitsgericht Hamm im ersten Fall für den Arbeitnehmer, dass die von TWB im Januar 2019 ausgesprochenen Kündigungen fehlerhaft waren.

Ob der vom OLG TWB Prevent zugesprochene Schadensersatz am Ende möglicherweise eine positive Auswirkung auf Abfindungen für Beschäftigte des Zulieferers haben könnte, steht in den Sternen.