Winterberg. Weil der Winter bisher ausbleibt, sind die Pisten und Lifte in Winterberg und Umgebung leer. Ortsbesuch dort, wo die Menschen vom Skisport leben.

Die Gaststätte ist verschlossen. Der Skiverleih zu. Die Ankerlifte hängen reglos über grünbrauner Wiese. Ein verwaister Skistock lehnt an einem Geländer, so als habe der letzte Fahrer fluchtartig diesen Ort verlassen. Bödefeld-Hunau, ein Ski-Gebiet in Schmallenberg. Drei Grad zeigt die rote Schrift auf dem Display an der Hauswand. Aus einem der winzigen Nebengebäude dringt ein Geräusch nach draußen, das wie Radar klingt. Als säße drinnen jemand vor einem grün leuchtenden Bildschirm und habe den Feind im Auge. Den Feind, der auch ein Freund sein kann: das Wetter, den Schnee, den Frost.

Nähert er sich? Vorerst nicht.

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Das besonders bei Familien beliebte Skigebiet Hunau hat deswegen seit Beginn der Woche geschlossen. „Der Regen heute hat der Piste den Rest gegeben“, heißt es von den Betreibern.

Und jetzt? Fällt der Winter aus? Wie ist es in Winterberg und Umgebung ohne Winter?

1200 zusätzliche Jobs in Winterberg

„Besser als gedacht“, sagt Perry Forster, „wir können fahren.“ Der Engländer wohnt seit einigen Monaten in den Niederlanden, vor einigen Wochen hat er den dreitägigen Ausflug ins Sauerland mit seiner Frau und den beiden Kindern gebucht. Durchaus mit anderen Vorstellungen. „Ich hatte mir schneebedeckte Chalets und schneebedeckte Berge vorgestellt“, sagt der zehnjährige Toby und nippt an seinem warmen Kakao. Im Pullover sitzt er auf der Terrasse eines Restaurants an der Remmeswiese, wo der Hang endet und im Sekundentakt Fahrer ihren Schwung bremsen. Viele Holländer, viele Hessen, die noch eine Woche Ferien haben und die Kinder auf die Bretter stellen wollen.

Perry und Shelly Forster mit den Kindern Toby und Maisey ruhen sich am Rande der Remmeswiese aus.
Perry und Shelly Forster mit den Kindern Toby und Maisey ruhen sich am Rande der Remmeswiese aus. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Auch Toby und seine Schwester Maisey gehen in die Skischule an den seichten, zumeist leeren Hügeln. „Es ist trotzdem schön“, sagt der Papa, „und nicht der Fehler der Winterberger, dass es nicht schneit.“

Im Gegenteil: Wenn es schneit, dann haben die Winterberger bisher zumeist mitgeholfen: Künstlicher Schnee wird nachts bei Frost auf die Pisten geblasen. Geht auch bei Plusgraden, nicht mit Wasser, aber mit einer Art Eis. Scherben-Eis sagen sie im Ort dazu. Alles, damit der Betrieb einigermaßen läuft.

Seit 2005: 100 Millionen Euro investiert

Rund 1200 zusätzliche sozialversicherungspflichtige Jobs generieren die Skigebiete Winterbergs in jeder Saison. Eine Armada an Arbeitskräften, die gerade auf ihren Einsatz wartet. Auf den großen Schnee und das Geld, das er bringen kann. Seit 2005 hat die Wintersport-Branche mehr als 100 Millionen Euro in die Skigebiete investiert, in die Schneekanonen, die Lifte, die Pisten, in Kassensysteme und Skihütten.

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„Wenn bis Mitte Februar kein Schnee liegt, dann ist der Winter für’n A...“, sagt der Besitzer eines Ski-Verleihs abseits der Pisten. Dann sind Krokusferien in den Niederlanden, dann sind die Hänge und Verleihe richtig voll. Heute eher nicht. An der Kasse hat der Mann, der unerkannt bleiben möchte, den Fernseher laufen. Gegen die Langeweile. Zehn Ausrüstungen hat er heute verliehen. Einnahmen so gerade eben im dreistelligen Bereich. Dafür sitzt er den ganzen Tag da.

Blick auf die Wettervorhersage

Aber er macht das seit 17 Jahren. Gelassenheit ist das Resultat. Milde Winter habe es immer schon gegeben. Es sei, sagt er, immer das gleiche Trauerspiel zu Jahresbeginn. Und überhaupt: 40 gute Skitage können am Ende des Winters reichen, um nicht auf den Kosten für Pacht, Mitarbeiter und Ausrüstung sitzen zu bleiben. Drei überdurchschnittliche Winter seien es zuletzt gewesen. „Ich habe mich schon darauf eingestellt, dass dieser nicht gut wird.“

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Im Ort ist der Schnee das zentrale Gesprächsthema. Die Hotelchefs, Skiverleiher, Restaurantbesitzer und Pistenbetreiber blicken auf die Vorhersagen, ohne dabei Verzweiflung erahnen lassen zu wollen. Sie kennen die Unwägbarkeiten des Geschäfts. Die Stimmung unter ihnen aktuell? Könnte besser sein. Etwa 30 der rund 100 Skilifte im Sauerland laufen derzeit. Besserung ist nicht absehbar. „Die Aussichten sind nicht besonders gut. In Richtung Winter wird vorerst nichts passieren“, blickt Julian Pape vom Wetterportal Sauerland bis Ende nächster Woche. Regenschauer drohen. Das ist fast noch schlimmer als milde Temperaturen.

Der Januar ist schwer planbar

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„Natürlich würden wir es uns anders wünschen, aber wir können nur abwarten und Daumen drücken. Der Winter hat ja gerade erst angefangen“, sagt Susanne Schulten, Sprecherin der Wintersport-Arena Sauerland. Die Kerngebiete seien in den Weihnachtsferien wieder ausgebucht gewesen. Der Januar sei schwer planbar, „weil es eher Spontan-Buchungen gibt“. Allerdings nur wenige bei diesem Wetter.

„Der Winter lässt sich leider nicht planen – das sind wir so gewohnt“, sagt Betriebsleiter Christian Lingemann vom vorübergehend geschlossenen Hunau-Lift in Bödefeld „Die Erfahrung der letzten Jahre hat gezeigt, dass unsere Besucher einen später Winter gern bis in den März nutzen. Es ist also noch ausreichend Hoffnung vorhanden.“