Schmallenberg. 98 Prozent der Haushalte in Deutschland sollen mit 5G versorgt werden. Das reicht aber wohl nicht, um alle Funklöcher im Sauerland zu stopfen.
Forschungsministerin Anja Karliczek wird sich wünschen, sie hätte vergangenes Jahr diesen Satz nicht gesagt: „5G ist nicht an jeder Milchkanne notwendig.“ Ist es doch, meinen nun alle. Jetzt erst recht. „5G an jeder Milchkanne!“ hat deshalb auch der SPD-Bundestagsabgeordnete Dirk Wiese seine Informationsveranstaltung zu Mobilfunk im ländlichen Raum genannt, zu der er am Donnerstag Mittag nach Bad Fredeburg geladen hat.
Sein Fraktionskollege Gustav Herzog, Spezialist für digitale Infrastruktur, setzt noch einen drauf: „Wir brauchen 5G nicht nur an jeder Milchkanne, sondern an jedem Weidenzaun und an jeder Kuh.“ Es geht ihm um Sensoren, die beispielsweise am Futterspeicher auf der Weide zehn Jahre lang Daten übertragen, die wieder mit anderen vernetzt werden und ein besseres Wirtschaften ermöglichen. In der Fabrik kommunizieren die Maschinen miteinander, auf dem Hof Tiere und Geräte.
3G am Hotelfenster im Sauerland
In der Gegenwart geht es noch etwas anders zu. Dass hat Herzog selbst erfahren in seinem Hotel im Schmallenberger Sauerland: Da gab es nur 3G. Und auch das funktionierte am Fenster besser als drinnen. Am Morgen hat Herzog mit Wiese zusammen das Schmallenberger Unternehmen Toptube besucht. Schwierig mit dem Mobilfunk dort. Und ein Glasfaserkabel liegt zwar, funktioniert aber noch nicht. „Das klappt im November“, verspricht Stefan Glusa, Geschäftsführer der Telekommunikationsgesellschaft Südwestfalen, die sich um Fördergelder für den Netzausbau kümmert.
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Alfons Hömberg aus Schmallenberg-Arpe dagegen wird wohl auch weiter keinen Mobilfunk empfangen, so wie sechs weitere Haushalte in seiner Nachbarschaft. Frank Weinbrenner, Kommunalbeauftragter der Telekom in NRW, wollte ihm keine falschen Hoffnungen machen. Glusa hatte immerhin einen Tipp: „Wenn Breitband da ist, telefonieren Sie doch über W-Lan.“
Es ist ja nicht so, dass sich nichts tut. Zwischen dem 1. Juni 2018 und dem 30. Juni 2019 wurden in Südwestfalen 142 Mobilfunkstationen auf LTE (4G) umgerüstet oder neu errichtet: Je 27 im HSK und im Kreis Soest, 60 im Märkischen Kreis, 10 im Kreis Olpe und 18 im Kreis Siegen-Wittgenstein.
Viele Funkmasten bei vielen Bergen
Es wird ja allerlei versprochen: 98 Prozent der Haushalte sollen bis Ende des Jahres mit 4G versorgt sein, bis Ende 2021 sogar 99 Prozent. In den Ballungsgebieten werden das sicher 100 Prozent sein. Und auf dem Land? „98 Prozent der Haushalte bedeuten nur 75 bis 80 Prozent der Fläche“, erklärt Glusa. Das Ziel sei es deshalb, bis 2024 95 Prozent der Fläche zu versorgen, das wären dann 99,7 Prozent der Haushalte.
Aber wahrscheinlich noch immer nicht alle in Südwestfalen. „Bei tausend Bergen und tausend Tälern braucht man auch viele Funkmasten“, erklärt Stefan Glusa und ergänzt: „Um LTE empfangen zu können, braucht man auch ein entsprechendes Gerät und einen entsprechenden Vertrag.“ Soll heißen: Nicht jedes gefühlte Funkloch ist ein wirkliches. Frank Weinbrenner hat noch eine weitere Erklärung für die weißen Flecken auf der Versorgungskarte: „Das Hochsauerland war eine Hochburg der Mobilfunkgegner.“ Also selbst schuld? Eine kühne Behauptung.
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Gustav Herzog hat Verständnis: „Die Mobilfunkanbieter müssen wirtschaftlich arbeiten. Und der Anschluss der letzten zwei Prozent ist so teuer wie bei den ersten 90 Prozent.“ Aber aus diesem Grund werde der Bund eine Mobilfunk-Infrastruktur-Gesellschaft (MIG) gründen und sich selbst um die unterversorgten Gebiete kümmern.
Naturschutz und Baurecht
Und dann wird alles gut? Telekom-Vertreter Weinbrenner weist darauf hin, dass auch Naturschutz und Baurecht den Netzausbau behinderten: „Wenn die Bedingungen so bleiben, werden wir weiter Funklöcher haben.“ Und wie soll das dann irgendwann mit dem autonomen Fahren funktionieren? Weinbrenner: „Ich möchte nicht in einem Auto sitzen, das über Mobilfunk gesteuert wird. Jeder Neubau kann ein Funkloch verursachen.“
Schwierig, das alles. Positiv betrachtet: Bis Mitte des kommenden Jahrzehnts könne es immerhin 4G an fast jeder Milchkanne geben.