Altena. Der 2017 wegen eines Messerangriffs auf ihn bekannt gewordene Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein, kandidiert nicht mehr: seine Gründe.
Nach mehr als 20 Jahren im Amt tritt der Bürgermeister von Altena, Andreas Hollstein, bei der Kommunalwahl 2020 nicht mehr an. Das teilte er in einer persönlichen Mitteilung auf der Homepage der Stadt Altena mit. Darin macht der CDU-Politiker deutlich, dass er für die verbleibenden zehn Jahre seines Berufslebens eine neue Herausforderung suche. Das politisch motivierte Attentat auf ihn im Jahr 2017 habe bei der Entscheidung keine Rolle gespielt, verdeutlichte er auf Anfrage der Redaktion. Ein damals 56-jähriger Mann hatte Hollstein in einem Imbiss mit einem Messer niedergestochen – aus Rache für dessen Flüchtlingspolitik.
Hollstein lässt sich in seiner offenen Haltung auch zwei Jahre nach dem Angriff nicht beirren – im Gegenteil. Als wir den 56-Jährigen erreichen, wartet er in Düsseldorf auf seinen Flug nach Washington. Dort nimmt er auf Einladung der Inter-American Development Bank (IDB) an einer Veranstaltung zum Thema Migration teil.
Nach mehr als 20 Jahren im Amt kandidieren Sie nicht mehr als Bürgermeister. Welche Rolle hat das Attentat auf Sie im Jahr 2017 bei dieser Entscheidung gespielt?
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Andreas Hollstein: Keine, um ehrlich zu sein. Ich hätte ja theoretisch bereits in Pension gehen können, wollte das aber nie. Vielmehr glaube ich, dass es für eine Demokratie nicht gut ist, wenn ein Politiker so lange im Amt ist. Fünf Jahre wäre ich gern noch Bürgermeister gewesen, genug Ideen für Altena habe ich noch. Dann wäre ich allerdings 62 Jahre alt und damit ist es noch schwieriger, sich beruflich zu verändern. Deswegen habe ich mich nun zu diesem Schritt entschlossen, auch wenn er mir nicht leicht fällt.
Welche berufliche Herausforderung schwebt Ihnen denn vor?
Hollstein: Da möchte ich mich gar nicht konkret festlegen, bin aber sicher, dass noch eine Aufgabe auf mich wartet. Ich bin ein politischer Mensch und würde gerne weiter als Politiker etwas in der Gesellschaft bewegen. Vielleicht auch in Verbindung mit dem Thema Migration, das steht aber alles noch nicht fest. Zunächst einmal bekleide ich das Amt des Bürgermeisters noch bis Ende September 2020.
Wie haben Ihre Fraktion und Ihre Familie auf die Entscheidung reagiert?
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Hollstein: Als ich meiner Fraktion meine Entscheidung am Montagabend mitgeteilt habe, waren alle überrascht. Bei mir kommt natürlich auch Wehmut auf, ich habe immer gern mit meinem Team im Rathaus zusammengearbeitet und bin dankbar für die vergangenen 20 Jahre. Den Altenaer Parteien obliegt nun die Aufgabe, gute und vielleicht ja auch gemeinsame Vorschläge für die Besetzung des Amtes zu machen. Mit engen Freunden und meiner Familie habe ich lange über die Entscheidung gesprochen, da ist auch das ein oder andere Tränchen geflossen. Meine Frau und meine vier Kinder haben mich in der Entscheidung bestärkt, etwas Neues zu wagen. Vor allem meine Kinder können sich nicht vorstellen, dass ich künftig nur noch Grashalme zähle.
Welchen Vortrag erwarten die Zuhörer in Washington?
Hollstein: In der Diskussionsrunde geht es generell um das Thema Migration. Da ist beispielsweise auch der Leiter der spanischen Guardia Civil zu Gast. Ich werde in meinem Vortrag darauf eingehen, was neben der Sprache für eine erfolgreiche Integration wichtig ist und etwa Themen wie Partizipation, Ehrenamt und die berufliche Integration von Flüchtlingen ansprechen.
Integration ist eines Ihrer Kernthemen. Würden Sie die Flüchtlingspolitik in Altena als einen Ihrer größten beruflichen Erfolge bezeichnen?
Hollstein: Als Bürgermeister erlebt man ja immer wieder viele kleine Erfolge, die Ansiedlung von Unternehmen etwa. Grundsätzlich können sich unsere Zahlen beim Thema Migration aber sehen lassen: So ist etwa die Integrationsquote von Flüchtlingen im Arbeitsmarkt höher als woanders. Die Integration läuft unproblematisch. Das bedeutet nicht, dass es keine zwischenmenschlichen Konflikte gibt, aber die gehören nun einmal dazu.
Sie engagieren sich weiter für Integration, verzichteten auch nach neuerlichen Morddrohungen auf Personenschutz. Wie geht es Ihnen zwei Jahre nach dem Anschlag?
Hollstein: Ich bin gesundheitlich wieder topfit. Abgesehen von einem leichten Hörverlust, der sich aber wieder gelegt hat, geht es mir gut. Natürlich wird diese Tat immer ein Teil von mir bleiben. Nach dem Mord an Regierungspräsident Walter Lübcke und den anschließenden Drohmails war die aktuelle Bedrohungssituation wieder präsent. Gerade in dieser Situation muss Politik aber Rückgrat haben. Meine Familie steht immer hinter mir, das hilft ungemein.