Siegen. Schwertransporte überfordern Behörden und Unternehmen in Südwestfalen. Wirtschaft hofft auf Software-Lösungen, die Zeit und Kosten einsparen.

Es mag altmodisch wirken, aber die Industrieregion Südwestfalen lebt davon, dass sie Dinge herstellt. Wirkliche, dreidimensionale Dinge, groß und schwer, häufig aus Metall. Und die müssen zum Kunden, auf Straßen (und manchmal auch auf Schienen). Das heißt: Schwertransporte. Deren Zahl ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Zugleich sind die Kosten in die Höhe geschossen und die Wartezeiten auf eine Genehmigung.

„In mehreren Fällen wurden aufgrund der immensen Bearbeitungszeiten Aufträge storniert“, sagt Hans-Peter Langer, Geschäftsführer der IHK Siegen. „Wir hatten bereits Fälle, in denen Unternehmen deshalb ihre Produktion verlagert haben, auch ins Ausland.“ Dass die Prüfung von Anträgen bis zu zehn Wochen Bearbeitungszeit beanspruche, sei „im digitalen Zeitalter völlig inakzeptabel“, urteilt Michael Kröhl von der Krombacher Brauerei, Vorsitzender des Arbeitskreises Verkehrswirtschaft der IHK.

Hans-Peter Langer setzt darauf, dass sich das ändert. Immerhin sei es auch gelungen, eine verlässliche Schwerlastroute bis zu den Binnenhäfen in Gelsenkirchen und Duisburg zu entwickeln, nachdem wegen der maroden Brücken auf der A45 einige Unternehmen mit ihren Produkten überhaupt nicht mehr in die Region hinein oder aus ihr heraus kamen. Und bis die Sauerlandlinie wieder Schwerlasttransporte aufnehmen kann, wird es wohl 2032 werden. Oder später.

14.000 Anträge im Jahr

Das Problem mit den Genehmigungen hat aber andere Ursachen. Lange hat die Polizei die Transporte begleitet. Aber wegen der gewachsenen Zahl – die Straßenverkehrsbehörden der Kreise Siegen-Wittgenstein und Olpe mussten im vergangenen Jahr 14.000 Anträge für Schwertransporte bearbeiten – war das für die Polizei eine enorme Belastung. Und auch für die produzierenden Unternehmen und die Speditionen, wenn Polizisten plötzlich zu einem anderen Einsatz gerufen wurden. Die Transporte mussten dann stehen bleiben. Deshalb hat auch die Wirtschaft auf eine private Transportbegleitung gedrängt.

Verwaltungshelfer statt Polizei

Seit Mitte 2017 übernehmen das sogenannte Verwaltungshelfer. Die dürfen aber, anders als die Polizei, keine verkehrsleitenden Maßnahmen vornehmen und vor Ort keine Entscheidungen treffen. Sie können nur das tun, was vorher festgelegt wurde. Es muss also sehr viel vorher festgelegt werden. Es werden „Roadbooks“ geschrieben, die das Abbiegen grafisch darstellen und teilweise werden die Routen vorher mit Drohnen abgeflogen. „Das macht die Anträge sehr mühsam, hat den bürokratischen Aufwand massiv erhöht und die Kosten auch“, bemängelt Langer. So hatte man sich das nicht vorgestellt.

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Verbesserungen sind aber an mehreren Stellen absehbar. Im Bundesverkehrsministerium wird eine neue Transportbegleitungsverordnung bearbeitet. Sie soll es ermöglichen, „Beliehene“ einzusetzen, denen Hoheitsbefugnisse übertragen werden. Das könnte die Anträge weniger aufwändig machen. Bis diese „Beliehenen“ ihre Arbeit aufnehmen, dürften aber noch ein paar Jahre vergehen – sie müssen ja auch noch ausgebildet werden. Eine bessere Personalausstattung der Genehmigungsbehörden ist eine weitere Möglichkeit zur Verkürzung der Bearbeitungsdauer. „In NRW wurde der Stellenplan aufgestockt“, weiß Langer, aber das entsprechende Personal müsse man erst finden.

Das dritte Erwartungsfeld ist die Technik: Das bundesweit eingesetzte Antragsverfahren VEMAGS wird auf eine volldigitale Lösung umgestellt – nach und nach. Bis Ende 2019 soll laut NRW-Verkehrsministerium eine erste Routingfunktion möglich sein. Ursprünglich war das bereits für den Sommer geplant.

Agnes und Erna

Und es kommen private Alternativen auf den Markt. Die Sommer GmbH & Co. KG aus der Nähe von Osnabrück, ein Dienstleister rund um Schwertransporte, will im kommenden Frühjahr das Softwaresystem AGNES (Agile Navigation Electronic Solution) anbieten, das aktualisierte Sperrungen und eine Schnittstelle direkt ins behördliche System VEMAGS enthält. ERNA (Efficient Road Navigation Assistant) gibt den Bescheid, also die genehmigte Route, über einen Bildschirm in digitaler Form an den Lkw-Fahrer weiter und ist schon auf dem Markt.

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„Ich will keine Werbung für einen bestimmten Hersteller machen“, sagt Hans-Peter Langer, „eventuell geht es auch auf behördlicher Seite schon bald stärker voran. Klar ist aber: Es wird eine digitale Lösung geben müssen. Und zwar bald. Die Zeit drängt.“