Hagen. Thomas Pletzingers „The Great Nowitzki“ ist frisch erschienen. Wir haben mit ihm über seine Arbeit und Basketball-Profi Dirk Nowitzki gesprochen.
Thomas Pletzinger (44) hat den Profi-Basketballer und Ausnahmesportler Dirk Nowitzki über sieben Jahre lang begleitet. In „The Great Nowitzki“ schreibt der in Hagen aufgewachsene Autor über den Menschen Dirk Nowitzki und seine ganz persönlichen Beobachtungen von Spielen, Trainingseinheiten und den Stunden abseits des Basketballfeldes. Das Buch ist diese Woche erschienen – wir haben mit dem Autor gesprochen.
Sieben Jahre lang haben Sie Dirk Nowitzki begleitet. Können Sie sich an Ihre erste persönliche Begegnung erinnern? Wie war das für Sie?
Thomas Pletzinger: Ich hatte Dirk Nowitzki schon über Jahre verfolgt, lange bevor wir uns getroffen haben. 2012 sind wir uns das erste Mal persönlich begegnet, weil ich für das Zeit-Magazin ein Portrait über ihn schreiben wollte. Ich bin nach Dallas geflogen, in dem Jahr nachdem sie Meister wurden. Zu dieser Zeit war die Aufmerksamkeit besonders groß und die Liebe von Dallas zu Dirk Nowitzki auf dem Höhepunkt. Es war schwer, in diesem Trubel an ihn heran zu kommen. Es hat ein paar Tage gedauert und viel Geduld gekostet, bis ich ihn dann getroffen habe. Aber als es dann geklappt hat, haben wir uns in der Teeküche der Dallas Mavericks lange für dieses Porträt unterhalten. Wenn man jemanden begegnet, der eine Sache so gut kann, und wenn man sieht, was derjenige alles dafür tut, um eine Sache so gut zu können, die er liebt – das fand und finde ich nach wie vor sehr beeindruckend und persönlich bereichernd.
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Wie würden Sie Ihre Beziehung zu Dirk Nowitzki beschreiben?
Meine Rolle war ziemlich eindeutig definiert: Ich war teilnehmender Beobachter. Also jemand, der zusieht, der notiert, der genau hinguckt und der dabei ist. Wir haben ein freundschaftliches Verhältnis, aber ich war da, um dieses Buch zu schreiben. Das wussten wir beide. Teilnehmende Beobachtung bedeutet eben, dass man eine gewisse Distanz wahrt. Ich habe ihn beobachtet und stets darüber reflektiert, was ich dort tue. Es war eine klar definierte Rollenverteilung, aber ich würde trotzdem sagen, dass wir uns sehr gut verstehen.
Welchen Einfluss hatte Ihre Arbeit mit Dirk Nowitzki auf Ihr Leben und Ihr Umfeld in den letzten Jahren?
Für mein Umfeld, vor allem für meine Familie, war es recht anstrengend. Ganz einfach, weil ich für diesen Job so oft unterwegs sein musste. Wenn man ein so kosmopolitisches Leben wie das von Dirk Nowitzki abbilden möchte, dann reicht es nicht, ein Interview in Würzburg zu führen. Ständiges Reisen gehört da nun mal dazu. Ich muss meiner Frau und meinen Eltern ein großes Kompliment machen: Ohne ihre Unterstützung wäre dieses Buch überhaupt nicht möglich gewesen. Meine Kinder sind in dieser Zeit geboren worden. Auf die Frage, was ich beruflich mache, haben sie eine Weile lang „Dirk Nowitzki“ gesagt.
Sie sind in Hagen aufgewachsen. Was verbinden Sie heute noch mit dieser Stadt?
Hagen ist eine Basketballstadt und meine Heimatstadt. Meine Eltern leben immer noch hier und ich habe auch noch etliche Freunde in der Stadt. Hagen ist zwar keine reiche, aber eine gute Stadt. Ich habe meine Jugend in Hagener Turnhallen verbracht, ich habe dort Basketball spielen, verstehen und lieben gelernt. Ich verfolge immer noch die Spiele von Phoenix Hagen. Die Ischelandhalle (heute Krollmann Arena, Anm. d. Red.) ist all die Jahre immer ein großer, magischer Sehnsuchtsort für mich gewesen. Auch wenn ich schon vor mehr als 20 Jahren weggegangen bin, bin ich immer gerne da.
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Nachdem Sie sieben Jahre einer Profisportler-Karriere begleiten konnten, hätten Sie mit Dirk Nowitzki tauschen wollen, wenn Sie gekonnt hätten?
Zu sehen, wie diese Welt funktioniert, hat mich beeindruckt. Aber ich würde mit ihm nicht tauschen – genauso wenig wie er mit mir tauschen würde. Ich würde sagen, sein Leben ist besonders, aber ich fühle mich in meinem ganz wohl. Sein Leben ist einzigartig, genauso wie alle Leben einzigartig sind. Nowitzki hält sich nicht für etwas Besseres, weil er etwas Besonderes kann. Etwas besonders gut zu können, heißt für ihn nicht, dass man besser ist als andere.
Noch einmal zurück zu Ihrem Buch: Was waren die größten Herausforderungen bei der Realisierung?
Die sicher größte Herausforderung lag darin, nach all den Jahren aus all dem Material eine dramaturgisch sinnvolle Erzählung zu bauen, die nicht nur Spielergebnisse und Statistiken transportiert, sondern auch die Hintergrundgeschichte abbildet. Ich habe zahllose Trainingseinheiten gesehen, über sieben Jahre lang habe ich mir Basketballspiele angeguckt und wirklich, wirklich, wirklich viel Material gesammelt: Interviews, Zeitungsausschnitte, Bücher, Videos. Ich hatte mehr als 100 Stunden Interviewmaterial und geschätzte 50 vollgeschrieben Notizbücher. Meine Eindrücke, die tollen Momente, die Gespräche und eben auch die Basketballsituationen zu verwalten, zu organisieren und daraus eine runde Geschichte zu machen, war sehr anspruchsvoll. Es war ein Mammutprojekt.
Zu Beginn hatten Sie den Auftrag ein Porträt für das Zeit-Magazin zu schreiben. Wie kam es dazu, dass daraus ein ganzes Buch wurde?
Es war ein schleichender Prozess. Nach der Reportage im Zeit-Magazin habe ich noch ein paar andere Texte über Nowitzki geschrieben. Wir haben uns langsam an das Projekt herangetastet. Ich wusste, dass er eigentlich kein Buch über sich haben wollte, und eigentlich hatte ich mich damals selbst dagegen gesträubt, noch ein Sportbuch zu schreiben. Dirks Welt hat mich dann aber derart interessiert, dass ich drangeblieben bin. Und jetzt bin ich froh, dass es das Buch gibt.
Wieso haben Sie sich für ein „erzählerisches Sachbuch“ und gegen eine Biografie entschieden?
Ich halte diese Erzählform für die authentischste Art, sich mit einem Thema auseinanderzusetzen. In Biografien wird oft versucht, eine Objektivität in Beobachtungen einzuschreiben bzw. eine objektive Einordnung vorzunehmen. Auch wenn das manchmal gut gelingt, ist es nicht meine Art zu erzählen. Ich mag die Subjektivität des eigenen Eindrucks, des Dabeiseins und ich glaube, dass man so oft oft mehr erzählen kann als „offizielle Geschichtsschreibung“. Wenn man nicht behauptet, alles zu wissen, kann man eine viel größere Unmittelbarkeit herstellen. Ich nenne das den „zweifelnden Erzähler“ – ein Erzähler, der sich nicht immer ganz sicher ist, wie die Dinge liegen, der aber immer auf der Suche danach ist.
Sie werden gemeinsam mit Dirk Nowitzki am 17. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse „The Great Nowitzki“ vorstellen. Was erwarten Sie von diesem Auftritt und was wird Sie dort erwarten?
Wir werden gemeinsam mit den Zuschauern einen schönen Abend haben, denke ich. Ich freue mich sehr darauf, nach all den Jahren zusammen mit Dirk Nowitzki auf der Bühne zu sitzen und über „The Great Nowitzki“ zu reden. Jetzt ist das Buch da, und für mich wird das ein feierlicher Moment. Ich freue mich darüber, dass ich das Buch jetzt in den Händen halten kann, dass es jetzt in den Buchläden liegt. Vielleicht ist es auch eine ganz lustige Situation, wenn der Ich-Erzähler des Buches und die Hauptfigur in Frankfurt gemeinsam auf der Bühne stehen.
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Sie schreiben in Ihrem Buch „Basketball war überall“. Nun fand die Nowitzki-Ära im April ein Ende. Was war das für ein Gefühl, als Sie wussten, dass damit auch Ihre Arbeit an dem Buch enden würde und wie geht es für Sie nun weiter?
Das Buch liegt jetzt in den Läden, ich habe ein paar Tage Pause gemacht und sortiere mich neu. Es ist nicht so, dass ich nicht wüsste, was ich jetzt machen soll. Ich beende einen Roman, der halbfertig in der Schublade liegt. Ich schreibe Reisereportagen und Drehbücher. Es ist schön, etwas abgeschlossen zu haben und jetzt wieder neu beginnen zu können.