Iserlohn/Hagen. Nach der Bluttat in Iserlohn hat die Staatsanwaltschaft erste Erkenntnisse zu den Hintergründen. Die Frau hatte sich von ihrem Ehemann getrennt.
Die Bluttat am Iserlohner Stadtbahnhof ist von Überwachungskameras aufgezeichnet worden. Polizei und Staatsanwaltschaft erhoffen sich durch die Video-Analyse Aufschlüsse über den genauen Tathergang.
Nach Angaben des ermittelnden Staatsanwaltes Nils Warmbold (Staatsanwaltschaft Hagen) soll der mutmaßliche Messerstecher – ein 43-Jähriger aus Bergisch Gladbach – im Parkhaus am Bahnhof zunächst den neuen Lebensgefährten (23) seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau (32) mit einem Küchenmesser (Klinge: 12 Zentimeter) attackiert haben. Die Frau soll anfangs im Auto geblieben sein. Dann sei sie ausgestiegen, um ihrem Freund zu helfen. Dabei soll sie auch mit dem Messer angegriffen worden sein.
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„Beide Opfer versuchten zu flüchten, wurden aber mehrfach an verschiedenen Stellen attackiert“, so Warmbold. Der Mann sei am Bahnsteig seinen Verletzungen erlegen, bevor medizinisches Personal ihn behandeln konnte. Die Frau habe beim Eintreffen der Rettungskräfte noch gelebt, sei dann aber gestorben.
Häusliche Gewalt im Spiel
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Warmbold bestätigte, dass die 32-Jährige sich von ihrem Ehemann in Bergisch Gladbach getrennt habe. In der Vergangenheit sei auch häusliche Gewalt im Spiel gewesen. Ihr Noch-Ehemann habe von dem neuen Lebensgefährten der Frau wohl gewusst. Ob der 43-Jährige ein behördliches Kontakt- oder Näherungsverbot zu seiner Frau hatte, müssten die Ermittlungen ergeben. Ebenso Antwort auf die Frage, warum sich das spätere Opfer in ein Frauenhaus in Iserlohn begeben hatte. Ob sich der mutmaßliche Täter und seine beiden Opfer im Parkhaus zu einem Treffen verabredet hatten oder die Frau und ihr Freund von dem 43-Jährigen dort gestellt wurden, „wissen wir noch nicht“, so Staatsanwalt Warmbold.
Zunächst würden die „zahlreichen“ Zeugen befragt, Mobiltelefone sowie die Aufnahmen der Überwachungskameras ausgewertet.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt derzeit gegen den mutmaßlichen Messerstecher wegen des Verdachts des zweifachen Totschlags. Warmbold: „Die rechtliche Einordnung kann sich aber noch in Richtung Mord ändern.“
Zahlreiche traumatisierte Zeugen
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Derweil müssen die zahlreichen Augenzeugen rund um den Iserlohner Bahnhof versuchen, das Geschehen zu verarbeiten. Gudrun Siebert gehörte am Samstag zum siebenköpfigen Notfallseelsorge-Team und erlebte viele „traumatisierte Menschen“. Ihr Team habe die „neutralen Räume“ der angrenzenden Volkshochschule – „abseits einer möglicherweise gaffenden Menge“ – nutzen können. Dort hätten sich 20 Menschen eingefunden. „Wir waren für sie da und haben ihnen die Möglichkeit gegeben, ihre Gefühle von innen nach außen zu lassen und das Unfassbare in Worte zu fassen.“
Jeder Mensch reagiere anders auf ein traumatisches Erlebnis, so die ehrenamtliche Notfallseelsorgerin im Evangelischen Kirchenkreis Iserlohn, im Hauptberuf Klinikseelsorgerin in der Lungenklinik Hemer. „Manche schluchzen und zittern am ganzen Körper, andere bringen kein Wort mehr heraus.“ Diese Blockade zu lösen, sei für die Verarbeitung sehr wichtig: „Menschen, die eine solche Tat aus nächster Nähe gesehen haben, bekommen die Bilder nicht aus dem Kopf, wenn sie das Ganze in sich hinein fressen. Mehr noch: Sie werden krank.“ Also müssten sie reden. Mit dem sozialen Umfeld, mit Notfallseelsorgern, mit Opferschutzbeauftragten der Polizei oder mit Experten in Traumaambulanzen oder psychologischen Beratungsstellen.
Zeugen ein Gefühl von Sicherheit geben
Auch Pfarrer Frank Rüter ist Notfallseelsorger im Kirchenkreis Iserlohn. Er beschreibt, wie es Zeugen am Bahnhof ergangen sein muss: „Sie haben Freizeit, womöglich deshalb Glücksgefühle. Von einer Sekunde auf die nächste passiert ein schlimmes Ereignis und ihr Weltbild gerät aus den Fugen.“ Notfallseelsorger könnten sie auffangen, ein Gefühl von Sicherheit geben. Ihnen vermitteln, dass plötzliche Reaktionen des Körpers – Schweißausbrüche, Panikattacken, Erstarrung, Schreikrämpfe – gar nicht unnormal sind. Wichtig sei es, möglichst schnell wieder den Weg in den Alltag zu finden, sagt Rüter. Mit Hilfe vieler Gespräche: „Wer ein funktionierendes soziales Umfeld hat, hat gute Voraussetzungen, ein traumatisches Erlebnis schnell zu verarbeiten.“