Karlsruhe/Bad Berleburg/Schmallenberg. Der Rechtsstreit um die Wisente in Wittgenstein geht an das Oberlandesgericht Hamm zurück. Das entschied der Bundesgerichtshof am Freitag.
Wisente gehören im Tierpark Oberwald in Karlsruhe zu den Publikumslieblingen. Wenige Kilometer entfernt, am Bundesgerichtshof (BGH), hält sich die Begeisterung über Wisente eher in Grenzen. Am Freitag war das größte Wildtier Europas zum zweiten Mal Gegenstand einer mündlichen Verhandlung – es wurde aber nicht über die eingezäunten Ur-Rinder in dem badischen Tierpark geredet, sondern über die seit 2013 in einem weltweit beachteten Artenschutzprojekt freilaufenden Wisente im Wittgensteiner Land.
Und auch im Sauerland, wo sich die rotbraunen Riesen-Rinder zum Leidwesen von Waldbesitzern Buchenrinden schmecken lassen und so für deutliche Wertverluste der Bäume sorgen. Eine gute Stunde dauerte die Verhandlung am Freitag. Am Nachmittag verkündete der V. Zivilsenat des BGH sein Urteil: Die Angelegenheit geht zurück an die Vorinstanz. Das Oberlandesgericht Hamm muss sich dann wieder mit einem Fall befassen, der in Seminaren für Jura-Studenten der Rubrik „besonders knifflig“ zugeordnet würde.
Enttäuschte Waldbauern in Karlsruhe
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Waldbauer Hubertus Dohle aus Schmallenberg-Oberkirchen, der zusammen mit seinem Kollegen Georg Feldmann-Schütte, den Trägerverein des Auswilderungsprojekts verklagt hatte, ist nach der neuerlichen Sitzung in Karlsruhe bitter enttäuscht: „Wenn es nach Hamm zurück geht, ist die unendliche Geschichte perfekt.“ Täglich, so erzählt er auf dem Gerichtsflur, suchten die mächtigen Tiere seine Grundstücke auf. „Und warum? Weil sie Schmacht haben. Weil sie im Projektgebiet nicht die Nahrung finden, die sie eigentlich fressen.“ Sein Fazit: „Das zeigt doch, dass diese Tierart in unsere Breiten überhaupt nicht hingehört.“
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Das sieht Siegfried Mennemeyer, Anwalt des beklagten Wisent-Vereins, ganz anders: „Unseren Wisenten geht es gut, sie haben sich wunderbar entwickelt.“ Ob ein Tier herrenlos oder wild sei, könne nicht die Politik (oder womöglich ein Gericht) entscheiden, sagt er: „Das entscheidet dass Tier selbst.“ Folglich müsse man die Wisente einfach so leben lassen, „wie es in freier Natur normal“ sei.
Dieser Sichtweise kann Senatsvorsitzende Christina Stresemann so nicht folgen und verweist auf den öffentlich-rechtlichen Projektvertrag: „Es kann nicht sein, dass die Wisente von der Freisetzungs- bzw. Erprobungsphase unbemerkt in die Wildnis entlassen und als herrenlos bezeichnet werden. Ohne die geforderte wissenschaftliche Auswertung, ob das Wisent-Projekt am Ende überhaupt realisierbar ist.“ Nach wie vor habe der Wisent-Verein die Möglichkeit, Tiere aus dem Projekt zu nehmen.
Duldungspflicht für Waldbauern kommt in Frage
Nach Auffassung des Senats kommt gemäß dem Bundesnaturschutzgesetz eine Duldungspflicht für die Waldbauern in Frage. Voraussetzung dafür sei aber, dass die Grundstücke der Waldbauern nicht unzumutbar beeinträchtigt würden und die Forstbesitzer durch die Schälschäden nicht in eine existenzbedrohende Situation gerieten. „Das ist noch nicht geklärt worden.“ Sozusagen ein Wink mit dem Zaunpfahl, dass dies die Vorinstanz – das Oberlandesgericht Hamm – jetzt prüfen müsse. Mehr noch: Würde man einfach so vorzeitig die Kontrolle über ausgewilderte Tiere abgeben, könnte dies grundsätzlich Projekte dieser Art gefährden.
Aus Sicht des Trägervereins können sich nach dem BGH-Urteil die Wisente weiter im Rothaargebirge frei bewegen. Nach Angaben des 1. Vorsitzenden Bernd Fuhrmann sieht man sich bestätigt, den eingeschlagenen Weg fortzusetzen. Zusammen mit dem NRW-Umweltministerium und als Teil der vor Wochen eingesetzten Steuerungsgruppe wolle man weiter das Ziel verfolgen, die Wisente eines Tages „in die abschließende Projektphase“ (in der sie dann tatsächlich als wild lebend gelten) zu überführen, so der Bad Berleburger Bürgermeister, der für die Verhandlung in Karlsruhe extra seinen Bayern-Urlaub unterbrochen hatte. Die derzeitige Freisetzungsphase, so BGH-Richterin Stresemann, dürfe aber nicht bis zum St. Nimmerleinstag ausgedehnt werden.
Die Zeit der Ungewissheit, wie die Angelegenheit irgendwann ausgehen könnte – das ist, was den klagenden Waldbauern mächtig auf die Nerven geht. So prangerte Anwalt Friedrich von Weichs nach der Urteilsverkündung die lange Dauer der juristischen Auseinandersetzung an - auch wenn er sich nicht unzufrieden mit der Sichtweite des Senats zeigte. Der BGH habe in vielen Teilen die Auffassungen der Klägerseite geteilt.
Die Wisente wandern weiter durch die Instanzen und durch die Wälder Südwestfalens. Das wird den Tieren womöglich gar nicht gefallen, glaubt man dem weisen Zoologen Alfred Brehm („Brehms Tierleben“): „Es sind jeder Tändelei abholde Wesen.“