Brilon. . Die Almequelle in Brilon-Alme wird zum Kunstort. Die Essener Bildhauerin Anne Berlit empfindet die Quellsituation in einer Installation nach.

Der Teich sieht aus wie Natur, aber er besteht aus neun Tonnen Moselschiefer und verwandelt eine der schönsten Talauen Europas in einen Kunstort. Die Essener Bildhauerin Anne Berlit untersucht für das Festival Spiritueller Sommer mit künstlerischen Mitteln die Almequelle in Brilon-Alme. Was anfangs als zeitlich begrenzte Aktion gedacht war, hat sich zu einer dauerhaften Land-Art-Arbeit entwickelt, an der sich die ganze Dorfgemeinschaft beteiligt.

104 Einzelquellen machen den Ursprung des kleinen Lippe-Nebenflusses Alme am Nordrand der Briloner Höhen zu einer einzigartigen, streng geschützten Naturlandschaft, zur „Krone Westphalens“, wie Annette von Droste-Hülshoff bei einem Besuch 1841 schrieb. Die Alme verlässt den Quelltopf schon als relativ breiter Fluss. Anderthalb Kilometer später treibt sie ein Mühlrad an, welches das Wasser schöpft, mit dem Anne Berlits „Source“ betrieben wird. Die Organisatoren des Festivals Spiritueller Sommer hatten die Künstlerin gebeten, sich mit diesen im Wortsinne Ursprüngen auseinanderzusetzen.

Ungewöhnliche Aktionen

Anne Berlit ist bekannt für ungewöhnliche Aktionen. So hat sie die Kunstkirche Christkönig in Bochum mit 2500 zart blau blühenden Hyazinthen beseelt, die kopfüber von der Decke hängen. Sie ist eine zeitgenössische Vertreterin der Land Art, die nicht in vorhandene Natur interveniert, sondern sie respektvoll künstlerisch verwandelt. „Ich wollte etwas schaffen, das die friedliche Stille und die Schönheit dieses Ortes bewusst macht. Der Quell ist ja der Ursprung des Lebens“, unterstreicht die 60-Jährige. „Es geht mir um eine Erfahrung, die leise ankommt, nicht durch Zeigefinger oder optischen Druck. Man soll sie spüren.“

Seele baumeln lassen

„Source“ war einmal ein verwahrlostes Tretbecken aus Waschbeton am Entenstall in der Dorfmitte von Alme. Diese Grube hat Anne Berlit unter fleißiger Mithilfe von Alme AG und Verkehrsverein mit neun Tonnen Schieferplatten in drei Größen ausgelegt. Die Platten sind abgekantet, damit Kinder darüber laufen können, ohne sich zu schneiden. Inmitten des Schiefersees entspringen sprudelnd fünf Quellen. Rundherum soll noch eine Blumenwiese sprießen, damit die Besucher sich hinsetzen und die Seele baumeln lassen können. „Kinder fordert die Installation als Spielwiese heraus, und das ist auch so gedacht“, sagt Anne Berlit. Die Wahl des Materials Schiefer kommt nicht von ungefähr. In der Almequelle trifft das Wasser, das im Massenkalk versickert war, an der tiefsten Stelle auf Schiefer und tritt wieder an die Oberfläche.

Nun ist zeitgenössische Kunst im öffentlichen Raum häufig ein Zankapfel. Warum funktioniert in Alme, was andernorts so oft scheitert? „Natürlich gab es im Vorfeld lange Diskussionen“, gibt Ludger Böddeker zu, stellvertretender Bürgermeister der Stadt Brilon und Vorsitzender des Verkehrsvereins Alme. „Was schließlich den Ausschlag gegeben hat, war die Verwendung der natürlich vor Ort vorkommenden Materialien.“ Die Almer verbinden viele Hoffnungen mit dem Projekt, das den Blick in das wildromantische Almetal lenkt. Ludger Böddeker: „Mit der Kunstinstallation wollen wir den Besuchern ein weiteres Alleinstellungsmerkmal bieten.“

Wasserkunst

Anne Berlits „Source“ ist auf den ersten Blick eine unaufdringliche Arbeit. Aber wie jede gute Kunst hat sie ein Geheimnis und spielt sich konzeptionell auf mehreren Ebenen ab. Sie macht eine Natursituation bewusst, deren analoge Schönheit in der digitalen Bilderflut unterzugehen droht. Gleichzeitig verweist sie auf eine uralte Tradition, bei der mit dem Begriff Kunst neueste technische Erfindungen gemeint sind, speziell die Wasserkunst, also die Anlagen, die man braucht, um Burgen zu versorgen, Bergwerke zu entwässern oder Parks mit Springbrunnen zu schmücken. Den Bürgern ist es wichtig, dass die Installation nachhaltig betrieben wird. Das Schöpfwasser kommt vom Alme-Mühlrad in ein Beruhigungsbecken und fließt dann in die Installation, wo Pumpen die künstlichen Quellen mit Elektroantrieb sprudeln lassen.

Wichtige Impulse

Aber diese Hintergründe soll der Besucher gar nicht erfahren. Anne Berlit: „Ich wollte einen Solitär schaffen, bei dem man nicht weiß, wo das Wasser herkommt. Das Rätselhafte der Almequelle ist ja, dass man nur die Bläschen im Teich sieht.“

„Source“ ist ein Beleg dafür, wie wichtig die Impulse sind, die der Spirituelle Sommer geben kann. Ohne die Kunst-Initiativen des Festivals wäre es nie zur Begegnung zwischen der Bildhauerin aus dem Ruhrgebiet und den Almern an diesem verwunschenen Ort gekommen. Die Folgen sind bedeutend. Anne Berlit: „Es sollte anfänglich eine kleine temporäre Arbeit sein. Jetzt wird es ein partizipatorisches Großprojekt über viele Jahre hinweg. Ohne die Zusammenarbeit mit dem Verkehrsverein und der Alme AG wäre das nie zustande gekommen.“

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