Hagen. . Nach einem Eklat verbietet Brilon Glyphosat. Auch andere Städte in Südwestfalen haben sich vom Unkrautvernichtungsmittel verabschiedet.

In den USA gibt es inzwischen mehr als 13.000 Kläger wegen des von der Bayer-Tochter Monsanto entwickelten Herbizids Glyphosat, das im Verdacht steht, Krebs zu erregen.

In drei Fällen wurde Bayer bereits zu Schadenersatz verurteilt. In Brilon hat der Stadtrat jetzt beschlossen, dass bis auf weiteres kein Glyphosat mehr auf den Flächen der Stadt verwendet werden darf.

Was hat den Ausschlag für das Briloner Verbot gegeben?

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Einem Passanten waren an einem Briloner Spielplatz Mitarbeiter des Bauhofs aufgefallen, die Unkrautvernichtungsmittel versprühten. Auf Nachfrage erfuhr er, dass es sich dabei um das glyphosathaltige Mittel „Round up“ handelte, das unweit von spielenden Kindern verteilt wurde. Er wandte sich an die Wählergruppe Briloner Bürgerliste (BBL), die den Vorfall auf Facebook teilte und so eine Welle der Empörung auslöste. Die BBL stellte einen Antrag auf ein Verbot im Rat.

Ratsbeschluss gegen Glyphosat in Hagen

Wie gehen andere Städte mit dem Thema Glyphosat um?

In Hagen, das als Großstadt naturgemäß viele (Grün-)Flächen sauber zu halten hat, „gibt es einen alten Ratsbeschluss, keine glyphosathaltigen Unkrautvernichtungsmittel einzusetzen“, sagt Gabriele Smarowski, Sprecherin der Hagener Wirtschaftsbetriebe (HWB).

Stichwort: Glyphosat

Glyphosat – chemische Bezeichnung: N-(Phosphonomethyl)glycin – ist weltweit einer der am meisten eingesetzten Wirkstoffe in Pflanzenschutzmitteln, die zur Verhinderung von unerwünschtem Pflanzenwuchs im Kulturpflanzenanbau oder zur Abtötung von Pflanzen oder Pflanzenteilen eingesetzt wird.

Der Wirkstoff hemmt dabei ein Enzym, das in der Biosynthese der Pflanzen notwendig ist. Dieses Enzym kommt bei Tieren und Menschen nicht vor.

Glyphosat wird in der Landwirtschaft und im Gartenbau zur Bekämpfung von Unkraut verwendet. Außerhalb der EU kommt Glyphosat beim Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen mit einer Resistenz gegen den Wirkstoff zum Einsatz, um Konkurrenzpflanzen zu bekämpfen.

Wie lange der Beschluss zurückliegt, ließ sich gestern nicht mehr ermitteln; es müssen schon einige Jahre sein. Hagens Wirtschaftsbetrieb, eine Stadttochter, setzt gegen ungewollten Grünwuchs zwischen Gehwegplatten und -fugen einen „Heißschaum, aber ohne Chemie“ ein.

Den Riesenbärenklau (Herkulesstaude), dessen Pflanzensaft bei einigen Menschen schmerzhafte Hautreaktionen auslöst, bekämpfen die Hagener rein physikalisch: „Die Pflanzen werden abgemäht oder ausgestochen.“

„Grüne Kieswege“ auf Friedhöfen in Meschede

Meschede setze schon seit Jahren kein Glyphosat mehr ein, sagt Stadtsprecher Jörg Fröhling. Im Umkehrschluss bedeute dies auch, dass die Kommune nicht überall das Wildkraut vollkommen entfernen könne.

So ständen die Friedhöfe wegen der „grünen Kieswege“ immer wieder in der Kritik. Es müsse auch gesagt werden, dass „es bei einem Verzicht auf Totalherbizide wie Glyphosat nicht realistisch ist, das Wachstum von Wildkräutern dauerhaft zu verhindern.“

Die Stadt Siegen verwendet seit 2015 ebenfalls kein glyphosathaltiges Herbizid auf Grünflächen und an Randstreifen von Gewässern. 2013 und 2014 hatte die Stadt jährlich etwa einen Liter des glyphosathaltigen Präparats „Round up“ benutzt.

Höherer Aufwand und höhere Kosten

Seit 2015 wird auf Grünstreifen ein Liter eines anderen Herbizid, des „Garlon 4“, und an Gewässern zwei bis drei Liter von „Garlon Premium“ verwendet. Nötig sei dies ähnlich wie in Hagen wegen des Riesenbärenklaus.

Auf Sport- und Spielplätzen und Grundstücken der städtischen Gebäude würden hingegen keine Herbizide eingesetzt. Insgesamt habe die Stadt durch den Verzicht auf Glyphosat einen höheren Aufwand und höhere Kosten.

Aus Iserlohn war auf unsere Nachfrage bei der Kommune gestern keine Antwort zu bekommen.

Einsatz bei Christbäumen am Boden

Kommt Glyphosat noch in den Weihnachtsbaumkulturen zum Einsatz?

„Kein Weihnachtsbaum wird mehr von der Spitze abwärts mit glyphosathaltigen Mitteln besprüht“, sagt Eberhard Hennecke, Fachbereichsvorsitzender im nordrhein-westfälischen Landesverband Gartenbau aus Sundern und selbst Christbaumproduzent.

Das Herbizid komme nur noch „in schwierigen Fällen“ zum Einsatz; dabei komme die Technik zu Hilfe: Wenn, werde das Unkrautvernichtungsmittel lediglich unmittelbar am Boden eingesetzt und längst nicht mehr flächig versprüht.

„In den nächsten Jahren wird auf das Mittel ganz verzichtet werden können“, blickt Hennecke in die Zukunft: Dann sollen technische Geräte, die den Boden zwischen den Baumreihen von Unkraut und Wildpflanzen befreien, noch ausgereifter sein. Die Weihnachtsbaumproduzenten reagierten damit auf „eine gesellschaftspolitische Entwicklung“, formuliert Hennecke.

Klagewelle in den USA

Was sagen Experten zum Risiko, das von Glyphosat ausgeht?

http://Bayer_verliert_neuen_US-Glyphosat-Prozess{esc#217457291}[agentur]Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) ändert seine Bewertung des Wirkstoffs nach einer neuen Analyse, die „bereits veröffentlichte Studien zusammenfasst“ nicht; die Berliner Behörde sagt: „Glyphosat ist bei bestimmungsgemäßer und sachgerechter Anwendung nicht krebserzeugend“.

Die Klagewelle in den USA fußt dagegen im Grunde auf einer Einschätzung der Internationalen Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO), die den Unkrautvernichter 2015 als „wahrscheinlich krebserregend für Menschen einstufte.