Paderborn. . Die Rechtsanwälte Gabriela Joepen und Martin Rehborn sind die ersten Ansprechpartner für Betroffene von sexueller Gewalt im Erzbistum Paderborn
Im Erzbistum Paderborn sind die Rechtsanwälte Gabriela Joepen (62) aus Paderborn und Prof. Dr. Martin Rehborn (62) aus Dortmund seit Januar die neuen unabhängigen Missbrauchsbeauftragten. Dr. Petra Lillmeier (52) sorgt als Interventionsbeauftragte im Generalvikariat dafür, dass bei gemeldeten Fällen alle Fäden zusammenlaufen, wenn es gilt, Betroffene zu schützen und Täter unschädlich zu machen.
Wie melden sich die Betroffenen?
Prof. Martin Rehborn: Da gibt es ganz unterschiedliche Szenarien. Manche wollen anonym bleiben, dann vereinbaren wir ein Pseudonym für den Schriftverkehr. Manche wollen nur schildern, was ihnen widerfahren ist, damit die Tat aktenkundig wird, möchten aber keinen Antrag auf Anerkennung stellen oder eine Strafverfolgung einleiten. Manche melden sich nach dem ersten Telefonat nie wieder. Wir müssen erst einmal ganz viel zuhören. Das sind am Anfang lange Telefonate.
Gabriela Joepen: Nach dem Schreiben von Erzbischof Becker an alle Haushalte im Januar haben sich noch einmal einige Betroffene gemeldet, die den Brief zum Anlass nehmen, die Sache jetzt abzuschließen. Diesen Fällen, die oftmals in den 1960 und 1970iger Jahren liegen, ist gemein, dass die Opfer berichten, dass sie aus sehr religiösem Elternhaus kommen und dass es Zuhause keine sexuelle Aufklärung gab und keine Möglichkeit, das Thema Missbrauch anzusprechen, dass die Eltern ihnen auch nicht geglaubt hätten.
Sind Sie wirklich unabhängig?
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Rehborn: Unsere Unabhängigkeit ist ein sensibles und zugleich wichtiges Thema. Es ist schon von Vorteil, wenn ich mich im kirchlichen Bereich auskenne. Wenn ich nicht weiß, wie eine Sakristei von innen aussieht, kann ich mir auch nur schwer vorstellen, was dort passiert sein kann. Ich sehe es als meine Aufgabe in diesem Ehrenamt, nicht nur dafür zu sorgen, dass die Betroffenen zu allen Möglichkeiten kommen, welche die Bischofskonferenz vorgesehen hat, sondern auch neue Taten zu verhindern. Aber selbstverständlich arbeite ich unabhängig, es gibt keine Vorgaben von Seiten des Generalvikariats.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Rehborn: Neulich habe ich Sachverhalte erfahren, die ich sofort an Petra Lillmeier weitergeleitet habe, weil es darum ging, akut einen mutmaßlichen Täter aus dem Verkehr zu ziehen. Nachmittags habe ich die Mail an Frau Lillmeier geschrieben, abends hat sie mich zurückgerufen und dann die „Maschine in Gang“ gesetzt. Das war die Nagelprobe. Mein Ehrenamt bewegt etwas.
Dr. Petra Lillmeier: Meine Aufgabe ist es, die Fakten schnell zusammenzustellen, damit die Verantwortlichen aus den verschiedenen Bereichen, Personalchefs, Kirchenrechtler, sofort zusammenkommen und beraten können. Das muss sehr schnell gehen. Wir schauen nicht nur auf Meldungen, die strafrechtlich relevant sind, sondern auch auf die Ebene darunter, auf grenzverletzendes Verhalten. Je mehr Menschen Kenntnis haben, desto unwahrscheinlicher ist es, eine Sache unter den Tisch zu kehren.
Die Betroffenen leiden oft an Scham. Wie gehen Sie damit um?
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Lillmeier: Es melden sich vornehmlich Männer, denn in den 60er, 70er und 80er Jahren gab es noch keine Mädchen-Messdiener.
Rehborn: Dabei passiert es häufig, dass jemand sagt: Ich gebe Ihnen eine neue Mailadresse, weil er Angst hat, dass die Angehörigen von dem Fall erfahren. Viele Betroffene haben das ihren Familien, ihren Ehefrauen nie erzählt.
Lillmeier: Die jüngeren Fälle betreffen eine Reihe von Frauen, und da war das ähnlich. Die Betroffenen sagten: Mein Mann weiß das nicht, oder: Mein Mann ist verstorben, jetzt kann ich das sagen.
Rehborn: Diskretion ist ein ganz wichtiges Thema, und wir garantieren Diskretion.
Wie sieht es mit Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft aus?
Joepen: In den meisten Fällen handelt es sich um Altfälle, wo die Beschuldigten bereits verstorben sind. Der größte Aufwand für die Staatsanwaltschaft in Paderborn ist es derzeit, zu prüfen, ob die Taten verjährt sind.
Rehborn: Nicht alle Altfälle sind verjährt. Das muss alles im Einzelfall geprüft werden.
Lillmeier: Die Kirche hat sich verpflichtet, Strafanzeige zu stellen. Der Betroffene kann selbst entscheiden, ob er Strafanzeige stellt, aber der Ordinarius muss Strafanzeige stellen.
Belastet das Ehrenamt Sie?
Joepen: Ich habe mir schon einige Wochen überlegt, ob ich das Ehrenamt annehmen möchte. Man lernt aber, mit solchen Bildern umzugehen.
Rehborn: Es kann nicht sein, dass auf dieser Ebene, wo man Menschen mehr Vertrauen entgegenbringt als anderen, doppelter Schweinkram passiert. Wenn da was passiert ist, gehört es aufgeklärt, das ist man den Betroffenen schuldig, da fühlt man sich ans Portepee gegriffen.
Welchen Rat haben Sie?
Rehborn: Unsere Handys sind 24 Stunden geschaltet. Betroffene können nur gewinnen, sie können nicht verlieren, wenn sie sich melden. Sie können jederzeit anonym bleiben, wenn sie das möchten. Es ist wirklich wichtig, sich zu melden.
Kontakt:
Gabriela Joepen: missbrauchsbeauftragte@joepenkoeneke.de
Tel.: 0160 - 702 41 65
Prof. Dr. Martin Rehborn: missbrauchsbeauftragter@rehborn.com
Tel.: 0170 - 844 50 99