Siegen. Ein Jahr mit Pepper in Altenheimen: Siegener Wissenschaftler sieht Roboter als Entlastung für Pfleger und rät zu einer Art Patientenverfügung.

Roboter in der Altenpflege – das ist für manche Menschen ein Alptraum, für andere eine willkommene Erleichterung. Die Uni Siegen und die FH Kiel sind mit dem niedlichen Roboter Pepper ein Jahr lang durch Deutschland getourt, um im Rahmen des Wissenschaftsjahrs „Arbeitswelten der Zukunft“ herauszufinden, wie er in der Altenpflege ankommt und was seine Aufgaben sein könnten. Mit dem Siegener Wissenschaftler Dr. Rainer Wieching ziehen wir Bilanz.

Wie waren die Reaktionen auf Pepper?

Eine Menschmaschine fürs Alter

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    Rainer Wieching: Unter den Bewohnern der Altenheime gab es vereinzelt Ablehnung oder Angst, aber vereinzelt auch den Wunsch, den Roboter für sich alleine zu haben. Bei der Mehrheit kam Pepper in Gruppensituationen mit den Senioren bekannten Menschen sehr gut an.

    Wie haben sie den Roboter eingesetzt?

    Nicht für Pflegetätigkeiten. Darum geht es jetzt nicht, vielleicht irgendwann später. Wir haben zusammen mit den Pflegekräften, regelmäßig waren wir zum Beispiel im Marienheim in Siegen, prototypische Lösungen entwickelt: Bewegungsübungen, Musiktherapie, Rate- und Reaktionsspiele. Da ging es um körperliche und geistige Aktivierung, und die Senioren hatten Spaß daran, sich zu beteiligen.

    Der Roboter als Spielzeug?

    Warum nicht? Aktivierung ist sehr wichtig zum Erhalt der Fähigkeiten im hohen Alter. Und langfristig können die Geräte die Pflegekräfte auch entlasten, damit mehr Zeit für menschliche Nähe und Zuwendung entsteht.

    Das wünschen die Pfleger sich?

    Pepper, der Roboter mit Gefühl

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      Zunächst gab es viel Skepsis. Die Pfleger haben den Beruf ja nicht gewählt, um Maschinen auf Menschen loszulassen. Aber wenn man sieht, was der Roboter kann und was nicht, erkennen insbesondere die Jüngeren das Potenzial und sehen neue Freiräume durch die Technik. Man sollte den Umgang mit Robotern in die Aus- und Weiterbildung aufnehmen.

      Können Roboter den Pflegenotstand beheben?

      Das ist nicht das Ziel. Es gibt bessere Möglichkeiten, als die Altenpflege den Maschinen zu überlassen. In Skandinavien oder in den Niederlanden funktioniert es, weil die Aufgaben kommunalisiert und nicht privatisiert worden sind. Aber Roboter werden sich weiterentwickeln und wir müssen wissen­, wie wir mit ihnen umgehen wollen. Da sind ethische, rechtliche und soziale Fragen zu klären.

      Vielleicht ist es mit weniger peinlich, mir den Hintern von einem Roboter abwischen zu lassen?

      Oder ich vermeide so eine Abhängigkeitssituation. Jeder muss für sich selbst festlegen, was er sich wünscht, ähnlich wie in einer Patientenverfügung.

      Was können Roboter überhaupt?

      Es gibt in Forschungsprojekten automatische Waschroboter, auch in Deutschland. Feinfühlige Roboter, die ein Wasserglas anreichen und Essen zubereiten können, sind in der Entwicklung. Das wird auf der technischen Seite schnell voranschreiten. Es fehlt noch an der Integration in die pflegerischen Prozesse, Qualitätskontrollen, etc.

      Was ist mit der häuslichen Pflege?

      Die macht in Deutschland ca. 80 Prozent aus. Perspektivisch wäre der Einsatz von Robotern hier also sehr sinnvoll. Nicht, um die Menschen ruhigzustellen, sondern zur Unterstützung der Konversation und Teilhabe, zur Kommunikation in Notsituationen, als Begleiter. Der Einsatz in der Häuslichkeit ist die Kür, hier liegt langfristig das größte Potenzial.

      Sehen Sie keine Probleme?

      Doch. Ein Haken ist noch der Datenschutz. Die Geräte schauen und hören den ganzen Tag zu, ältere Leute wollen sprechen, erzählen viel. Das ist eine sensible Situation mit schutzbedürftigen Menschen, da müssen wir sehr darauf achten, dass sicher und angemessen zu gestalten.

      Wird ihnen nicht unheimlich, wenn Maschinen die Rolle übernimmt, die Menschen spielen sollten?

      Naja, das Ganze hat vor allem mit dem demografischen Wandel zu tun, der gerade erst beginnt. Was wir jetzt als Pflegenotstand erleben und beklagen ist da erst die Ouvertüre und das große Finale des Dramas kommt in 20-30 Jahren, wenn uns all die jungen Menschen in einer überalterten Gesellschaft fehlen. Wenn die Alternative das Alleinsein ist, hat der Roboter auch Vorteile. Und wenn Sie Pepper für ein paar Tage nach Hause holen, so wie ich das probiert habe, kann das auch attraktiv sein.

      Was kostet er denn?

      Im Moment um die 17.000 Euro, inklusive 3 Jahre Garantie und Service. Aber die Preise werden sicherlich noch deutlich fallen, vor allem wenn Nachfolgemodelle auf den Markt kommen. Das ist dann so ähnlich wie mit den Gebrauchtwagen.